OGH 13Os157/01

OGH13Os157/016.3.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. März 2002 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lauermann als Schriftführer, in der Strafsache gegen Andreas S***** ua wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 zweiter Satz erster und zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Andreas S***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 8. August 2001, GZ 38 Vr 2526/00-35, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Sperker, des Verteidigers Mag. Lehner, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, dass gemäß § 43a Abs 3 StGB von der Freiheitsstrafe ein Teil von zwanzig Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wird. Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftig gewordene Schuldsprüche der Mitangeklagten Khalid M***** und Ernst R***** enthaltenden Urteil wurde Andreas S***** des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 "zweiter Fall" StGB (gemeint: zweiter Satz erster und zweiter Fall) schuldig erkannt.

Danach hat er (zusammengefasst) zwischen Ende August und Ende November 2000 in Hallwang teilweise in Gesellschaft des Khalid M***** (I.) bzw des Ernst R***** (II.), teilweise allein (III.) gewerbsmäßig in mindestens 20 Angriffen Verfügungsberechtigten des Getränkegroßhandels G***** Getränkehandels GmbH und des Lebensmittelgroßhandels R***** GmbH, bei dem er als Lagerarbeiter beschäftigt war, durch Nachsperre unter Verwendung eines widerrechtlich erlangten Schlüssels Getränke und Tiefkühlkost in einem "500.000 S erreichenden, diesen Betrag jedoch nicht übersteigenden Gesamtwert" mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die nominell auf Z 5 und "Z 9", inhaltlich auch auf Z 5a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die jedoch unbegründet ist.

Die Mängelrüge (Z 5) behauptet eine Aktenwidrigkeit der Feststellung, dass der Beschwerdeführer den Schlüssel für das Warenlager der beiden geschädigten Firmen ohne Berechtigung hiezu aus der Tischlade seines Vorgesetzten entnommen hätte, weil im Rahmen der Beweiswürdigung nur global ausgeführt werde, dass er sich "vollinhaltlich geständig" gezeigt habe. Er hätte sich nämlich damit verantwortet (S 18/I), dass er zunächst die Schlüssel deshalb genommen hätte, um nicht jedes Mal ins andere Büro hinauflaufen zu müssen, und er habe ursprünglich den Schlüssel aus Bequemlichkeit nicht jedes Mal zurückgelegt, sondern behalten, und ihn letztlich nach Beendigung des Dienstverhältnisses zwecks allfälliger Weiterverwendung nicht zurückgegeben. Das Vorbringen geht ins Leere. Eine Aktenwidrigkeit liegt nämlich nur dann vor, wenn in den Gründen der Inhalt einer Aussage (oder Urkunde) unrichtig wiedergegeben wird, was hier nicht zutrifft, weil der Angeklagte in der Hauptverhandlung ausdrücklich erklärt hatte, sich im Sinne der Anklage schuldig zu bekennen (S 14, 17/II) und seine Angaben vor dem Untersuchungsrichter (ON 15) vollinhaltlich aufrecht zu erhalten, wo er - wie vor der Gendarmerie - angab, mit einem "widerrechtlich erlangten" bzw "gestohlenen" Schlüssel in das Firmengebäude eingedrungen zu sein (S 421, 425/I). Der Hinweis auf das umfassende Geständnis ist sohin aktenkonform; die danach auf Grund der Beweiswürdigung gezogenen Schlüsse können als solche schon ihrer Natur nach nicht aktenwidrig sein.

Soweit die Rüge durch die Bezugnahme auf die von ihr zitierte Verantwortung des Angeklagten der Sache nach eine Unvollständigkeit behauptet, ist sie ebenfalls nicht berechtigt. Das Erstgericht ist nämlich zufolge seiner Verpflichtung zur gedrängten Darstellung der Gründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten, jedes Detail einer Aussage (wie überhaupt sämliche Verfahrensergebnisse) in extenso zu erörtern, sondern die Verfahrensergebnisse nach einer Gesamtschau auf das Wesentliche beschränkt darzulegen. Die Kritik des unterbliebenen Eingehens auf isoliert hervorgehobene einzelne Passagen der Verantwortung des Angeklagten ist daher nicht zielführend. Die tatrichterlichen Konstatierungen sind jedenfalls im Hinblick auf die bereits dargelegte Verantwortung des Angeklagten vor der Gendarmerie und dem Untersuchungsrichter sowie dem Geständnis in der Hauptverhandlung und dem weiteren Zugeständnis, den Schlüssel aus einer Schublade im Büro seines Vorgesetzten weggenommen zu haben, was "nicht vorgesehen war" und wovon "keiner gewusst hat, dass er ihn behält" (S 18 II), vollständig und hinreichend begründet. Die weiters behauptete, durch Außerachtlassung der Aussage der Zeugin G***** angeblich bestehende Unvollständigkeit der Gründe liegt ebenfalls nicht vor. Diese konnte nämlich zur Lösung einer entscheidenden Tatsache nichts Erhebliches beitragen, gab sie doch nur an, dass der Angeklagte jederzeit und ohne Anmeldung in das Büro seiner Vorgesetzten gelangen konnte; über den genauen Aufbewahrungsort des verwendeten Schlüssels in einer Lade dieses Büros war sie jedoch ebensowenig informiert wie darüber, welche Schlüssel einzelnen Mitarbeitern ordnungsgemäß ausgehändigt worden waren (S 23 ff/II). Darauf einzugehen war das Erstgericht nicht verhalten.

Der in der Mängelrüge aufgestellten Behauptung des Beschwerdeführers, dass "in der Firma bekannt war, wo der Schlüssel ist", kommt keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, da das Wissen vom Aufbewahrungsort des Schlüssels im konkreten Fall nichts über eine Berechtigung zu dessen Benützung aussagt.

Letztlich trägt der im Rahmen der Mängelrüge erhobene Vorwurf nicht, die Tatrichter hätten durch die Unterlassung der Vernehmung des Zeugen J***** den "Grundsatz der materiellen Wahrheitsermittlung verletzt". Aus dem System der Nichtigkeitsgründe ergibt sich nämlich, dass ein Urteil nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO nur dann nichtig ist, wenn das Gericht die erhobenen Beweise unvollständig würdigt, nicht aber, wenn es mögliche Beweisquellen unvollständig ausschöpft. Zufolge Fehlens entsprechender Anträge des Angeklagten in der Hauptverhandlung ist die unterbliebene Vernehmung dieses Zeugen auch als Verfahrensmangel (Z 4) nicht bekämpfbar (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 82 bis 84).

Dies gilt auch für die mit diesem Vorbringen inhaltlich gleiche Tatsachenrüge (Z 5a) zu, weil die Rüge es unterlässt darzulegen, aus welchen Gründen der Angeklagte gehindert war, diesbezüglich Anträge zu stellen.

Verfehlt ist die Rechtsrüge ("Z 9", der Sache nach Z 10), soweit sie die widerrechtliche Erlangung des verwendeten Schlüssels bestreitet, weil dem Angeklagten, aber auch allgemein in der Firma das Versteck der Lagerschlüssel in der Lade des Vorgesetzten bekannt war. Nach ständiger Rechtsprechung ist nämlich jeder Schlüssel widerrechtlich erlangt, zu dem der Täter nicht mit Wissen und Willen des Bestohlenen Zutritt hat. Selbst wenn der Täter das (gute oder schlechte) Versteck kennt und das Opfer dies weiß, der Täter den Schlüssel aber dennoch - wie im vorliegenden Fall (US 10) - eigenmächtig und ohne Zustimmung des Vorgesetzten an sich bringt, ist der Schlüssel im Sinn des § 129 Z 1 StGB widerrechtlich erlangt (SSt 48/56). Durch die bloße, allgemein bekannte Aufbewahrung des Schlüssels in einer Schreibtischlade im Büro des Vorgesetzten ist eine Bereithaltung zur Verfügung für jedermann nicht ableitbar; nach den Feststellungen befand sich der Schlüssel auch nicht in einer derart unmittelbaren Nähe zum Schloss, dass seine Bestimmung zum Öffnen desselben für jedermann sinnfällig annehmbar gewesen wäre (Mayerhofer StGB5 § 129 E 16 ff). Der bekämpften Subsumtion haftet demnach kein rechtlicher Fehler an.

Keiner Erörterung bedarf der Einwand der Subsumtionsrüge, § 129 Z 1 StGB komme deshalb nicht in Betracht, weil der Beschwerdeführer den Schlüssel nach Beendigung des Dienstverhältnisses lediglich widerrechtlich zurückbehalten habe; diese rechtliche Erwägung geht prozessordnungswidrig von einer urteilsfremden Prämisse aus. Letztlich versagt auch der im Rahmen der Strafberufung erhobene, den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO verwirklichende Vorwurf eines in der Annahme des Erschwerungsgrundes der mehrfachen Diebstahlsqualifikation gelegenen Verstoßes gegen das Doppelverwertungsverbot, lagen doch mehrere den Strafsatz des § 130 zweiter Satz begründende Umstände, nämlich jene des ersten und zweiten Falles, vor.

Die teils unbegründete, teils auch nicht prozessordnungsgemäß ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen. Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem zweiten Strafsatz des § 130 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren, von welcher es gemäß § 43a Abs 3 StGB einen Teil von achtzehn Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachsah.

Dabei wertete es als erschwerend zwei einschlägige Vorstrafen, den langen Deliktszeitraum und die besonders hohe Überschreitung der Qualifikationgrenze von 25.000 S sowie das Vorliegen der "mehrfachen Diebstahlsqualifikation", hingegen als mildernd das umfassende und reumütige Geständnis sowie den Umstand, dass der Angeklagte bei einem Großteil der Taten unter 21 Jahren alt war.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren gänzliche bedingte Nachsicht an. Zufolge der eingetretenen Tilgung seiner Vorstrafen - womit der Erschwerungsgrund einschlägiger Vorverurteilungen wegfällt und der Milderungsgrund seiner Unbescholtenheit hinzuzutreten hat - konnte zwar die Freiheitsstrafe zufolge des bleibend hohen sozialen Störwertes der Taten und der ebenfalls gravierenden personalen Täterschuld nicht herabgesetzt und auch einer gänzlichen bedingten Strafnachsicht im Hinblick auf das gewerbsmäßige Vorgehen des Angeklagten nicht nähergetreten werden, doch ist im Hinblick auf den nunmehrigen vorstrafenfreien Lebenswandel des Berufungswerbers der Vollzug eines geringeren Teiles der Freiheitsstrafe zur Erzielung einer Abhaltungswirkung ausreichend, sodass (nur) der bedingt nachgesehene Teil der Strafe moderat zu erhöhen war.

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