Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Murat T***** und Adnan C***** im zweiten Rechtsgang (zu I.) des Verbrechens der versuchten Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB, T***** weiters (zu II.A.1.-3.) "des Verbrechens der teils versuchten schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 und teilweise 15 StGB", zudem (zu II.B.1.) "des Vergehens der teils versuchten falschen Beweisaussage vor Gericht nach §§ 12 zweiter Fall, 288 Abs 1, teilweise 15 StGB", C***** wiederum (zu II.B.2) des Vergehens der versuchten falschen Beweisaussage vor Gericht nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 288 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach haben sie in Graz
I. am 23. Februar 1999 in Graz im bewusst gemeinsamen Zusammenwirken als unmittelbare Täter mit unbekannten Mittätern dadurch vorsätzlich eine Feuersbrunst an einer fremden Sache ohne Einwilligung des Eigentümers zu verursachen versucht, dass sie vorbereitete Brandflaschen (sogenannte "Molotow-Cocktails") durch bzw gegen die Fensterscheibe bzw eine Scheibe der Eingangstüre sowohl des Gebetsraumes als auch des Aufenthaltsraumes (Kantine) des Vereins "Union islamischer Kulturzentren, Zweigstelle Graz", Josef-Huber-Gasse Nr 9, schleuderten, wobei es im Inneren des Aufenthaltsraumes zu einem Schwelbrand kam, der von der Feuerwehr gelöscht werden musste, während die Scheibe des Gebetsraumes nicht durchschlagen wurde und der Inhalt der Brandflasche im Freien brannte;
II.
A. Gülsen P***** durch - im Urteilsspruch näher dargestellte - Drohungen mit dem Tode und der Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung zur Ablegung und Aufrechterhaltung der zu II.B. angeführten falschen Beweisaussage als Zeugin vor Gericht genötigt und zu nötigen versucht, nämlich
1. Murat T***** in bewusstem und gewollten Zusammenwirken mit Döne K***** und einer unbekannten weiteren PKK-Aktivistin vor dem und am 21. September 1999,
2. und 3. Murat T***** allein am 14. Mai und 28. Mai 2001;
B. Gülsen P***** dazu bestimmt und zu bestimmen versucht, bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache als Zeugin im Verfahren 11 Vr 557/99 falsch auszusagen, nämlich
1. Murat T***** (zu den zu II.A.1.-3. genannten Zeitpunkten) teilweise in bewusstem und gewollten Zusammenwirken mit Döne K***** und einer unbekannten weiteren PKK-Aktivistin durch die zu II.A.1.-3. genannten Drohungen und weitere im Urteil angeführte Äußerungen,
2. Adnan C***** am 13. Mai 2001 dadurch, dass er sie aufforderte, ihre am 22. September 1999 abgelegte falsche Zeugenaussage am 31. Mai 2001 zu wiederholen.
Gegen die Schuldsprüche richten sich die undifferenziert gemeinsam ausgeführten, auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Murat T***** und Adnan C*****; sie schlagen fehl.
Rechtliche Beurteilung
Unter Geltendmachung des Nichtigkeitsgrunds nach Z 3 leg. cit. wird behauptet, der Zeugin P***** sei ein Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO zugestanden, über welches sie zu Unrecht nicht belehrt worden sei. In Hinblick darauf, dass sie mit ihrer Zeugenaussage vom 22. September 1999 dem Angeklagten T***** für die Tatzeit ein Alibi gegeben habe, dieses aber in der Hauptverhandlung vom 31. Mai 2001 widerrufen wollte, hätte sie sich nunmehr der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung wegen falscher Beweisaussage vor Gericht und wegen Begünstigung ausgesetzt.
Dem entgegen wurde jedoch ein Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO nicht begründet. Denn nach stRsp steht bei wiederholter Befragung einem Zeugen sogar dann kein Entschlagungsrecht zu, wenn gegen ihn wegen einer vorangegangenen Vernehmung in derselben Sache ein Strafverfahren wegen Verleumdung oder falscher Beweisaussage eingeleitet wurde. Der Entschlagungsgrund muss vielmehr schon bei der ersten Vernehmung gegeben sein und darf nicht erst durch die Aussage selbst geschaffen werden. Nur ein außerhalb der gerichtlichen Aufarbeitung des Straffalls gesetztes kriminelles Verhalten, nicht aber ein im darüber geführten Verfahren vielleicht zustande gekommenes Aussagedelikt führt zum Entschlagungsrecht des Zeugen. Diese thematische Beschränkung ist unverzichtbar, soll sich der Sinn der Strafdrohungen gegen Falschaussagen nicht in sein Gegenteil verkehren. Denn obwohl die StPO vom Regelfall ausgeht, dass ein Zeuge zuerst vom Untersuchungsrichter und dann erneut in der Hauptverhandlung vernommen wird, wäre sonst nach dem Gesetzeswortlaut jeder Zeuge entschlagungsberechtigt, der glaubhaft behauptet, er laufe Gefahr, sich in Hinsicht auf die Vernehmung durch den Untersuchungsrichter einer falschen Beweisaussage zu überführen. Dass solches nicht dem Willen des Gesetzgebers entspricht, liegt auf der Hand, woraus sich ergibt, dass der Bezugspunkt für den Aussageverweigerungsgrund nicht erst durch die gerichtliche Aufarbeitung der Straftat geschaffen werden kann (Ratz, Probleme der Aussageentschlagung bei möglicher Selbstbezichtigung, JBl 2000, 291, mit zahlreichen Judikaturhinweisen).
Der Verfahrensrüge nach Z 4 zuwider durfte das Schöffengericht den (vom Verteidiger mangels Einschränkung für beide Angeklagten gestellten - S 178/III) Antrag auf Vernehmung von insgesamt 16 namentlich angeführten Zeugen zum Beweis dafür, dass die Zeugin P***** sich "am Tage des Brandanschlags ... im Vereinslokal in der Hans-Ressel-Gasse befunden und unmittelbar nach dem Angeklagten T***** das Vereinslokal verlassen hat" mit im Ergebnis zutreffender Begründung ablehnen, weil aus dem angestrebten Beweisergebnis keine den Tatzeitpunkt betreffenden und demnach die beiden Angeklagten entlastenden Schlüsse gezogen werden könnten, sohin schon nach dem Inhalt des Antrags - von dem aber bei Prüfung der Beschwerde allein auszugehen ist, während die im Rechtsmittel vorgetragenen Neuerungen unbeachtlich sind (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 41) - der unter Beweis zu stellende Umstand für die Entscheidung über die Schuld ohne Bedeutung ist.
Ebenso verfiel der für beide Rechtsmittelwerber gestellte Antrag auf Vernehmung der Emine T***** zum Nachweis dafür, dass die Eltern des Angeklagten T***** keinen Kontakt mit der Zeugin aufgenommen hätten, weshalb eine Einflussnahme auf deren Aussage vom 22. September 1999 nicht stattgefunden habe, zu Recht der Ablehnung. Dass die Eltern des Angeklagten bei ihrem von der Zeugin P***** behaupteten Besuch (S 11/III) jene zu beeinflussen versucht oder eine Verabredung mit dem Angeklagten oder Dritten herbeigeführt hätten, hat P***** - der Beschwerde zuwider - nicht behauptet. Weshalb aber aus dem allfälligen Nichtvorliegen einer Kontaktierung durch die Eltern der Schluss zu ziehen sei, eine - nach den Feststellungen erst nach der Entlassung des Angeklagten aus der Untersuchungshaft durch diesen und zwei "PKK-Aktivistinnen" erfolgte - Einflussnahme auf die Aussage der Zeugin habe nicht stattgefunden, wurde im Antrag nicht dargetan (s Mayerhofer aaO E 19cc). Eine Relevanz des Beweisantrags für den Schuldspruch des Angeklagten C*****elik wurde nicht einmal behauptet. Dem weiteren Vorbringen (der Sache nach Z 5) zuwider durfte das Schöffengericht seine Urteilsannahmen auch auf das Protokoll über ein auf Tonband aufgenommenes Gespräch zwischen dem Angeklagten T*****ürkmen und der Zeugin P*****ayam stützen (ON 153). Denn die Beschwerdebehauptung, dieses sei in der Hauptverhandlung nicht verlesen worden, ist schlicht aktenwidrig (siehe S 184 f/III). Die Mängelrüge (Z 5) kritisiert eine angeblich fehlende Erörterung der Aussage des Zeugen Hassan D*****, der den Angeklagten C***** rund 15 Minuten vor dem Tatzeitpunkt am Esperantoplatz gesehen haben will. Von dort bis zum Tatort sei aber unter Annahme einer schnellen Schritt- oder Laufgeschwindigkeit ein größerer Zeitaufwand erforderlich. Dem zuwider hat das Urteil auf die Aussage dieses Zeugen Rücksicht genommen (US 18, 23 f) wiewohl dieser keine entscheidende Bedeutung zukommt. Denn dass es durchaus möglich ist, innerhalb weniger Minuten vom Vereinslokal in der Hans Reselgasse (dementsprechend auch vom noch näher gelegenen Esperantoplatz) zum Tatort zu gelangen, hat das Schöffengericht unter Bezugnahme auf den Plan ON 146 aktengetreu dargetan (US 23); dem vermag auch die - diesen Umstand bloß substanzlos bestreitende - Beschwerde nichts entgegenzuhalten.
Einer detaillierten Auseinandersetzung mit der Aussage des Zeugen Peter H***** - der drei nicht identifizierte Männer unweit des Tatorts laufen gesehen hatte - bedurfte es schon deshalb nicht, als dieser weder einen exakten Beobachtungszeitpunkt nennen (gegen 22,20 Uhr), noch eine über eine bloße Vermutung hinausgehende Zuordnung zur Tat treffen konnte.
Die Subsumtionsrüge (Z 10) ist mit den Behauptungen zu den Schuldsprüchen wegen schwerer Nötigung, eine "Todesdrohung" liege nicht vor und es seien zur angenommenen Drohung mit der Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung keine Feststellungen getroffen worden, nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt, weil sie die eingehenden Urteilskonstatierungen zum Bedeutungsinhalt der drohenden Äußerungen sowie zur subjektiven Tatseite (US 15 iVm 27) vernachlässigt. Mit der Behauptung, es lägen auch Feststellungsmängel vor, die eine Beurteilung hindern, ob das "Verbrechen der Brandstiftung im Versuchsstadium" verwirklicht worden sei, vernachlässigt die Beschwerde die eingehenden Urteilsfeststellungen (US 11 f ) zum Umfang und der möglichen Ausweitung des Brandes sowie zum Vorsatz der Angeklagten. Welche Feststellungen aber über die getroffenen hinaus erforderlich gewesen sein sollen, vermag die Rechtsmittelschrift nicht darzutun.
Abschließend wird bemerkt, dass das Schöffengericht die zu II.A.1.-3. und II.B.1. angeführten Taten (mangels die Annahme einer tatbestandlichen Handlungseinheit - siehe dazu Ratz in WK2 Vorbem zu §§ 28 - 31 Rz 104 ff - tragender Feststellungen) richtig den Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB [II.A.1.] und der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB [II.A.2.,3.], sowie den Vergehen der falschen Beweisaussage vor Gericht nach §§ 12 zweiter Fall, 288 Abs 1 StGB und der versuchten falschen Beweisaussage vor Gericht nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 288 Abs 1 StGB [beides in II.B.1.] unterstellen hätte müssen. Weil die rechtsirrige Subsumtion nicht zum Nachteil des Angeklagten T***** wirkt, war jedoch eine Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO nicht geboten.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt, teils als offenbar unbegründet, bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285 i StPO).
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