OGH 3Ob171/01w

OGH3Ob171/01w27.2.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Erlagssache betreffend die vom Landesgericht Wels als Erleger für unbekannte Geschädigte als Erlagsgegner, diese vertreten durch ADir Franz Doppelbauer, Rechtspfleger des Bezirksgerichts Wels als Abwesenheitskurator, vorgenommenen Erläge wegen Ausfolgung gerichtlicher Verwahrnisse (Gesamtstreitwert 215.000 S = 15.624,65 Euro) infolge Revisionsrekurses des Ausfolgungswerbers Klaus W*****, vertreten durch Dr. Johannes Hintermayr und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 18. April 2001, GZ 22 R 152/01m-21, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Wels vom 15. März 2001, GZ 1 Nc 43/98h-13, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der nunmehrige Ausfolgungswerber eines gerichtlichen Erlags wurde mit Urteil eines Schöffengerichts, im Strafausspruch abgeändert mit Urteil eines Berufungsgerichts, vom 2. Februar 1999 wegen gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, § 148 erster und zweiter Deliktsfall StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Nachdem er bereits vor Erstattung seiner Selbstanzeige 15.000 S zur Schadensgutmachung erlegt und in der Hauptverhandlung vom 17. Juli 1998 sein Verteidiger in seinem Namen dem Strafgericht ein Überbringersparbuch über 200.000 S "zur vorläufigen Schadenswiedergutmachung" übergeben hatte, erklärte sich der Verteidiger mit der vom Staatsanwalt beantragten gerichtlichen Hinterlegung des Sparbuchs gemäß § 1425 ABGB einverstanden, "weil derzeit noch nicht klar ist, in welcher Form eine Ausfolgung, wenn überhaupt erfolgen kann"; es sei dies auf alle Fälle ein Teil seiner Wiedergutmachung. Dementsprechend wertete das Strafgericht als besonderen Milderungsgrund die teilweise Schadensgutmachung von 255.000 S (die erwähnten Erläge sowie eine weitere Zahlung von 40.000 S an einen Geschädigten) etwa in Höhe der Hälfte der angelasteten Schädigung.

Das Strafgericht verfügte mit Beschlüssen vom 17. Juli 1998 und 15. Dezember 1999 die Hinterlegung des erlegten Sparbuch mit einem Einlagestand von 200.000 S und des Barbetrags von 15.000 S gemäß § 1425 ABGB beim erstinstanzlichen Erlagsgericht, das mit Beschlüssen vom 22. Juli 1998 und 27. Jänner 2000 diese Erläge zu Gericht annahm und einen näher genannten Rechtspfleger zum Abwesenheitskurator für die unbekannten Teilnehmer (d.h. die durch den Angeklagten Geschädigten) bestellte.

Der Verurteilte beantragte am 6. März 2001 die Ausfolgung des hinterlegten Überbringersparbuchs und des hinterlegten Pauschalbetrags von 15.000 S. Abgesehen von der Möglichkeit, die Hinterlegung zu widerrufen, sei der Ausfolgungsantrag auch deshalb berechtigt, weil bisher keine Geschädigten bzw Gläubiger eruiert und die hinterlegten Geldsummen nicht einmal teilweise in Anspruch genommen worden seien.

Der Abwesenheitskurator beantragte die Abweisung dieses Antrags. Das Erstgericht wies den Ausfolgungsantrag ab, weil die fehlende Zustimmung derjenigen, zu deren Gunsten hinterlegt worden sei, durch Urteil erzwungen werden müsse; der Erlag sei unwiderruflich. Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Folgend der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 5 Ob 32/00t führte es aus, ob der Erlag durch das Strafgericht bzw die ihm vorangegangene Übergabe der Vermögenswerte an das Strafgericht überhaupt die Rechtswirkungen des Erlags nach § 1425 zweiter Satz ABGB habe auslösen können, betreffe die Rechtsmäßigkeit der Hinterlegung und sei daher nicht im Erlagsverfahren zu prüfen. Wenn der Angeklagte dem Strafgericht Vermögenswerte zur Wahrung privatrechtlicher Ansprüche der durch seine privatrechtlichen Handlungen Geschädigten bzw als Befriedigungsfonds für die Schadenersatzansprüche der bislang unbekannten Geschädigten übergebe, komme die in § 367 Abs 2 Z 2, Abs 3 StPO verankerte strafgerichtliche Fürsorgepflicht zum Tragen. Ein solches Verhalten des Täters verwirkliche auch den besonderen Milderungsgrund des § 34 Z 15 StGB; es könne daher nicht in das Belieben des Täters gestellt sein, nach Inanspruchnahme dieses besonderen Milderungsgrunds den Erlag zu widerrufen. Einen solchen Widerruf habe er sich auch nicht vorbehalten. Die Klärung der Frage, ob ein Erlag berechtigt war, könne nicht im außerstreitigen Erlagsverfahren, sondern nur im Prozess erfolgen.

Die zweiten Instanz ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung zu, es fehle zur Frage der freien Widerruflichkeit eines strafgerichtlichen Erlags zum Zwecke der Schadensgutmachung durch den Schuldner bei Vorhandensein mehrerer unbekannter Geschädigter (Gläubiger) und zur grundsätzlichen Zulässigkeit eines derartigen strafgerichtlichen Erlags höchstgerichtliche Rsp.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Verurteilten ist mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen iSd § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig. Auszugehen ist davon, dass zuerst der Verurteilte in dem gegen ihn anhängig gemachten Strafverfahren einen Pauschalbetrag von 15.000 S sowie ein Überbringersparbuch mit einem Einlagestand von 200.000 S beim Strafgericht "erlegt" und dann das Strafgericht als Erleger beides über Antrag der Staatsanwaltschaft und mit Zustimmung des Verurteilten beim Erlagsgericht gemäß § 1425 ABGB erlegt hat. Gemäß § 2 Abs 2 des Gesetzes über die Einziehung gerichtlicher Verwahrnisse BGBl 1963/281 sind strafgerichtliche Verwahrnisse, die nach Wegfall des Rechtsgrunds für die gerichtliche Verwahrung (beim Strafgericht) nicht ausgefolgt werden können, vom Strafgericht nach § 1425 ABGB zu hinterlegen. Ob darunter auch vom Angeklagten oder Verurteilten beim Strafgericht erlegte und zur Schadensgutmachung dienende Beträge fallen, kann auf sich beruhen, weil jedenfalls "andere wichtige Gründe", nämlich die fehlende Bekanntheit der durch die strafbaren Handlungen Geschädigten vorliegen.

Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung 5 Ob 32/00t (JBl 2001, 109) zur Hinterlegung gemäß § 1425 ABGB durch ein Strafgericht grundsätzliche und vom erkennenden Senat gebilligte Ausführungen gemacht. Auch dort war die Übergabe von Vermögenswerten an das Strafgericht durch den Angeklagten im Bemühen erfolgt, den verursachten Schaden gutzumachen und in den Genuss des Milderungsgrunds des § 34 Z 15 StGB zu gelangen. Im Verfahren über einen Erlag nach § 1425 ABGB ist für die Bestimmung der Erlagsgegner zunächst die verfahrensrechtliche Erklärung des Antragstellers (Erlegers), wem er den Erlagsgegenstand im Wege des Gerichtserlags zwecks Schuldbefreiung anbiete, maßgeblich. Die von ihm namentlich als Erlagsgegner bezeichneten Personen genießen kraft dieser verfahrensrechtlichen Erklärung Parteistellung, sonstige Personen nur insoweit, als sie am Erlagsgegenstand - unabhängig von einem noch aufrechten Willen des Erlegers - bereits rechtlich geschützte Interessen besitzen (5 Ob 32/00t mwN aus der Rsp). Solche rechtlich geschützte Interessen kann der Verurteilte als "Erleger" im Strafverfahren für sich geltend machen.

Es bleibt festzuhalten, dass nach stRsp nicht nur eine Rücknahme des Erlags grundsätzlich nicht zulässig ist (Reischauer in Rummel2, § 1425 ABGB Rz 30; Harrer/Heidinger in Schwimann2, § 1425 ABGB Rz 35, je mwN), sondern auch ein nach § 1425 ABGB erlegter Betrag nur ausgefolgt werden kann, wenn diejenigen, zu deren Gunsten hinterlegt wurde, zustimmen oder wenn die Bedingungen, die für die Ausfolgung gestellt wurden, erfüllt sind (Harrer/Heidinger aaO Rz 38). Beide Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Es entspricht weiters stRsp (Reischauer aaO Rz 37; Harrer/Heidinger aaO Rz 38, je mwN), dass die fehlende Zustimmung der Erlagsgegner zur Ausfolgung jedenfalls nicht im außerstreitigen Erlagsverfahren erzwungen werden kann. Demnach ist spruchgemäß zu entscheiden.

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