OGH 1Ob249/01a

OGH1Ob249/01a26.2.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** S***** GesmbH (vormals E***** International GesmbH), *****, vertreten durch Dr. Ludwig Druml, Rechtsanwalt in Villach, wider die beklagte Partei DI Arch Pavel P*****, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 1 Ob 155/00a, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Klage wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Nach den Ergebnissen des Verfahrens 28 Cg 153/96b des Landesgerichts Klagenfurt hat die dort klagende Partei, der nunmehrige Beklagte, der damals beklagten Rechtsvorgängerin der nunmehr klagenden Partei - sowie einer weiteren (deutschen) Gesellschaft - auf Grund eines Kreditvertrags vom 15. 2. 1990 Geldbeträge von 754.000 DM übergeben bzw überwiesen. Der Kreditvertrag wurde von der Österreichischen Nationalbank nachträglich devisenbehördlich genehmigt.

Mit Urteil vom 24. 9. 1999 verhielt das Erstgericht die klagende Partei - unter Berücksichtigung einer Gegenforderung - zur Zahlung von 4,770.131,30 S sA an den in Slowenien wohnhaften Beklagten.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Nach dem zufolge § 1 Abs 1 IPRG anzuwendenden deutschen Recht sei der Vertrag als Darlehen zu qualifizieren. Nach den Umständen des konkreten Falles seien Darlehensnehmer sowohl die klagende Partei als auch die zweite Gesellschaft gewesen. Beide hätten als Mitschuldner rückzahlungspflichtig sein sollen. Österreichisches Devisenrecht stehe der Gültigkeit des Kreditvertrags nicht entgegen, weil die erforderliche Genehmigung der Österreichischen Nationalbank vorliege. Das Devisenrecht der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) sei ohne Relevanz, weil ausländische Devisengesetze grundsätzlich nur territoriale Wirkung hätten. Der ausländische Devisengesetzgeber könne die Aufnahme und Gewährung von Krediten in anderen Staaten nicht unmöglich machen, wenn sich die betreffenden Zahlungsvorgänge (Kreditzahlung und -rückzahlung) vereinbarungsgemäß bloß in anderen Staaten abspielen sollten. (Eine Teilzahlung war bar in Klagenfurt an einen Vertreter der Kreditnehmer, die weitere durch Überweisung auf ein deutsches Bankkonto der zweiten Gesellschaft erfolgt.) Soweit die klagende Partei die Unklagbarkeit der Forderung auf Art VIII Abschnitt 2 lit b des Übereinkommens über den Internationalen Währungsfonds (IWF-Übk) stütze, sei zu berücksichtigen, dass nach der Rechtslage im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz zu beurteilen sei, ob eine Forderung nach dieser Bestimmung klagbar sei. Lasse der Vertrag die (betreffende) ausländische Währung (hier wohl nur die slowenische) unberührt, so greife das IWF-Übk nicht ein. Nach dem sinngemäß anzuwendenden § 905 Abs 1 ABGB sei Erfüllungsort der Ort des Sitzes der klagenden Partei zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz, somit in Österreich. Dazu komme, dass der Kläger ohnehin die Zahlung zu Handen seines Rechtsanwalts, der hier seinen Kanzleisitz habe, begehre. Dafür, dass die slowenische Währung durch das (teilweise) stattgebende Urteil berührt werde, bestehe somit kein Anhaltspunkt.

Der Oberste Gerichtshof wies die dagegen von der klagenden Partei erhobene Revision, deren Zulässigkeit darauf gestützt wurde, dass (gesicherte) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu fehle, ob nicht doch das Devisenrecht der ehemaligen SFRJ bedeutsam sei oder Art VIII Abschnitt 2 lit b IWF-Übk eingreife, zurück. Der Senat vertrat in seinen ausführlichen Darlegungen zusammengefasst die Auffassung, dass nach dem Grundsatz der stärksten Beziehung (§ 1 Abs 1 IPRG) an deutsches Sachrecht anzuknüpfen sei. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO liege bei Anwendung fremden Rechts nur dann vor, wenn gegen die Rechtsanwendungsgrundsätze des § 3 IPRG verstoßen und bei der Entscheidung des Rechtsstreits durch die inländischen Gerichte eine im Geltungsbereich des maßgeblichen fremden Rechts in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht hintangesetzt worden sei. Die Vorinstanzen seien aber zutreffend - im Wege der Vertragsauslegung - von einer gesamtschuldnerischen Haftung der klagenden Partei und der zweiten Gesellschaft ausgegangen. Ein iSd § 502 Abs 1 ZPO tauglicher Revisionsgrund liege nicht vor. Da der Oberste Gerichtshof zur Rechtsfortbildung in der Bundesrepublik Deutschland nicht berufen sei, hätten sich auch zur allfälligen Anwendung des § 134 BGB keine erheblichen Rechtsfragen gestellt. Allerdings könnte sich nach deutschem wie nach österreichischem Recht die Beachtlichkeit ausländischer Verbotsgesetze aus völkerrechtlichen Verträgen ergeben, die in Bundesrecht transformiert sind. So hätten sich im IWF-Übk die Mitgliedsstaaten vertraglich verpflichtet, ihre devisenrechtlichen Vorschriften gegenseitig zu beachten. Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Devisenbestimmungen eines Landes, das dem IWF-Übk beigetreten ist, bestimmten sich nach dessen Art VIII Abschnitt 2 lit b. Danach könne aus "Devisenkontrakten, welche die Währung eines Mitglieds berühren und den von diesem Mitglied in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen aufrecht erhaltenen oder eingeführten Devisenkontrollbestimmungen zuwiderlaufen", in den Hoheitsgebieten der Mitglieder nicht geklagt werden. Das bedeute, dass Ansprüchen aus dem Kontrakt in allen Mitgliedsstaaten der Rechtsschutz zu versagen, nicht aber, dass er als nichtig zu behandeln sei. Für die Frage, ob eine Forderung nach Art VIII Abschnitt 2 lit b IWF-Übk klagbar sei, sei nicht die Rechtslage zur Zeit des Vertragsabschlusses, sondern jene zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz maßgeblich. Ob zu diesem Zeitpunkt (8. 7. 1999) die SFRJ in Gestalt der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) noch Bestand gehabt hätte, könne auf sich beruhen, weil nur eine Anknüpfung an das Recht der Republik Slowenien, in der der Kläger seinen Wohnsitz hat, denkbar sei. Slowenien sei aber bis zum 8. 7. 1999 dem IWF-Übk nicht beigetreten. Eine nähere Untersuchung der Frage, ob ein auf einem Teilgebiet eines früheren Staates entstandener Nachfolgestaat, insbesondere im Fall der gewaltsamen Losreißung und Unabhängigkeitserlangung, an die von dem früheren Staatsverband geschlossenen völkerrechtlichen Verträge - die ehemalige SFRJ war dem IWF-Übk beigetreten - gebunden und berechtigt sei, durch eine einseitige Erklärung in einen bereits in Kraft stehenden multilateralen Vertrag, der auch sein Gebiet umfasst, als Vertragsteil einzutreten, sei entbehrlich. Ein Verstoß gegen slowenische Devisenkontrollbestimmungen sei nicht einmal behauptet worden.

Die klagende Partei begehrt nun die Wiederaufnahme des Verfahrens, die Beseitigung der Entscheidungen im Vorprozess sowie die Klageabweisung. Es liege der Wiederaufnahmegrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO vor. Der Oberste Gerichtshof sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass Slowenien dem IFW-Übk zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in erster Instanz nicht angehört habe: Die Österreichische Nationalbank habe der klagenden Partei am 10. 9. 2001 mitgeteilt, dass Slowenien seit 14. 12. 1992 Mitglied des IWF-Übk sei. Die gegenteilige Auffassung des Obersten Gerichtshofs beruhe auf einer Unvollständigkeit des "Österreichischen RIS" (Rechtsinformationssystem des Bundes). Auf Grund dieser Unvollständigkeit sowie der unterlassenen Einholung anderer Rechtsauskünfte sei die wesentliche Tatsache der Mitgliedschaft Sloweniens beim IWF nicht berücksichtigt worden. Wäre diese Tatsache bekannt gewesen, so hätten die Gerichte eine andere Entscheidung fällen müssen, "zumal ja zwingend nach den Bestimmungen des IWF-Übereinkommens Nichtklagbarkeit des Anspruchs" des nunmehrigen Beklagten anzunehmen gewesen wäre. Auch zum Zeitpunkt des Verfahrensschlusses in erster Instanz seien Devisengeschäfte oder Geschäfte mit Auslandsbeziehung den slowenischen Staatsbürgern verboten gewesen. Die klagende Partei habe im Verfahren sehr wohl vorgebracht, dass es slowenischen Staatsbürgern nicht möglich gewesen sei, finanzielle Transaktionen mit Auslandsbeziehung durchzuführen, und dass es erforderlich gewesen wäre, devisenrechtliche Genehmigungen einzuholen.

Rechtliche Beurteilung

Der von der klagenden Partei geltend gemachte Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO lässt die Wiederaufnahme eines abgeschlossenen Verfahrens zu, wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Ob dieser Wiederaufnahmsgrund auf die von der klagenden Partei aufgezeigte Verfahrenssituation - zumindest sinngemäß - angewendet werden könnte, kann dahingestellt bleiben, weil die übrigen Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme nicht vorliegen.

Schon in seiner Entscheidung vom 27. 3. 2001 (1 Ob 155/00a) hat der Oberste Gerichtshof das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage mit der Begründung verneint, dass eine nähere Untersuchung der Anwendbarkeit des IWF-Übk auf Slowenien schon deshalb entbehrlich sei, weil die klagende Partei einen Verstoß gegen slowenische Devisenkontrollbestimmungen nicht einmal behauptet habe. (Sie hat sich stets nur - ganz allgemein - auf eine Nichtigkeit des Kreditvertrags gemäß den seinerzeitigen jugoslawischen Devisenvorschriften berufen.) Selbst wenn also davon ausgegangen worden wäre, dass Slowenien Vertragsstaat des IWF-Übereinkommens war, wäre ein Erfolg der Einwendungen der nunmehr klagenden Partei am mangelnden Vorbringen zu einem Verstoß gegen slowenische Devisenkontrollbestimmungen gescheitert. Die klagende Partei hat nicht einmal ansatzweise ausgeführt, welchen Inhalt einer Klagestattgebung allenfalls entgegenstehende devisenrechtliche Normen des slowenischen Rechts haben sollten; sie tut dies auch in ihrer Wiederaufnahmsklage nicht. Die klagende Partei legt schließlich in keiner Weise dar, inwieweit slowenische Devisenbestimmungen der Zahlung eines Geldbetrags in inländischer Währung an einen im Inland ansässigen Bevollmächtigten des Beklagten entgegenstehen könnten; in einer dem Klagebegehren entsprechenden Zahlung an den Prozessbevollmächtigten liegt (noch) keine grenzüberschreitende Transaktion.

Insgesamt kann somit keine Rede davon sein, dass die Kenntnis der Mitgliedschaft Sloweniens beim IWF-Übereinkommen iSd § 530 Abs 1 Z 7 ZPO im früheren Verfahren eine für sie günstigere Entscheidung herbeigeführt hätte.

Die Klage war daher gemäß § 538 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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