OGH 2Ob30/02d

OGH2Ob30/02d13.2.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Izzet Ö*****, vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagten Parteien 1. Walter D*****, 2. H***** GmbH, ***** und 3. W*****-AG, ***** alle vertreten durch Dr. Horst Lumper, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Feststellung (Streitwert S 75.000,--), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgericht vom 26. Juni 2001, GZ 2 R 194/01x-83, womit infolge Berufung der zweit- und drittbeklagten Parteien das Teilurteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom 30. März 2001, GZ 3 C 870/98p-64, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger wurde am 10. Dezember 1997 bei einem Unfall schwer verletzt.

Mit seiner am 12. 6. 1998 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte er zunächst die Zahlung von S 50.000 an Schmerzengeld. Der Erstbeklagte als Lenker eines von der zweitbeklagten Partei gehaltenen und bei der drittbeklagten Partei haftpflichtversicherten LKWs habe in einem Baustellenbereich eine überhöhte Geschwindigkeit eingehalten und sei unaufmerksam gefahren, weshalb er einen (in die Fahrlinie des LKWs ragenden) Kranausleger gestreift habe, welcher gegen den Kläger geschleudert worden sei. Die eingetretenen Verletzungen rechtfertigten ein Schmerzengeld in der geltend gemachten Höhe.

Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens; der LKW habe den Kranausleger nicht berührt.

Nach Unterbrechung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Beendigung eines gegen den Erstbeklagten eingeleiteten Strafverfahrens wurde das Verfahren vom Kläger nur mehr gegen die zweit- und die drittbeklagte Partei fortgesetzt, weil das Verfahren gegen den Erstbeklagten eingestellt worden sei. Die zweit- und die drittbeklagte Partei hafteten nach dem EKHG; der Kläger stützte sein Begehren aber auf alle in Frage kommenden Rechtsgründe (ON 8).

In der Verhandlung vom 12. 1. 2000 (ON 24) wurde das Klagebegehren auf S 75.000 ausgedehnt.

Mit Zwischenurteil vom 31. 3. 2000 (ON 30) sprach das Erstgericht aus, dass der Klageanspruch (auf Zahlung von S 75.000) gegen die zweit- und die drittbeklagte Partei zur ungeteilten Hand zur Gänze zu Recht bestehe.

Es kam in seiner rechtlichen Beurteilung zum Ergebnis, dass die vom Erstbeklagten eingehaltene Geschwindigkeit nicht unfallkausal gewesen sei, weil es bei einer gebotenen Geschwindigkeit von 30 km/h ebenfalls zu einer Streifung des LKWs an den (in seine Fahrlinie ragenden) Kranausleger gekommen wäre und dieser ebenfalls im Uhrzeigersinn verdreht worden wäre und den Kläger niedergestoßen hätte. Auch bei der eingehaltenen Geschwindigkeit von 50 km/h hätte der Kranführer ausreichend Zeit gehabt (21 Sekunden), beurteilen zu können, ob er den Kranausleger in den Fahrbahnbereich ausschwenken könne oder nicht. Die zweitbeklagte Partei habe den Entlastungsbeweis im Sinne des § 9 EKHG nicht erbracht, weil wesentliche Einzelheiten über den Unfallshergang nicht aufklärbar gewesen seien, insbesondere der genaue Bewegungsablauf des Kranauslegers vor dem Anstoß am LKW und die Erkennbarkeit der davon ausgehenden Gefahr für den Erstbeklagten als Lenker des LKWs. Die zweitbeklagte Partei hafte nach den §§ 1, 5 Abs 1 EKHG als Halter dem Grunde nach für die Schmerzengeldansprüche des Klägers. Es sei nicht bewiesen worden, dass der Unfall ein unabwendbares Ereignis auf Grund des Verhaltens eines Dritten (des Kranführers) ausschließlich gewesen sei. Eine dagegen von der zweit- und der drittbeklagten Partei erhobene Berufung blieb erfolglos. Das Berufungsgericht teilte die Rechtsmeinung des Erstgerichtes, dass nicht aufklärbare Umstände über wesentliche Einzelheiten des Unfalles zu Lasten der zweit- und der drittbeklagten Partei gingen und erörterte weiters, dass auch die Nichteinhaltung der gebotenen Geschwindigkeit von 30 km/h bedeute, dass nicht jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtet worden sei.

Die in der Berufungsbeantwortung des Klägers (ON 32) begehrte rechtliche Beurteilung, den Erstbeklagten treffe als Lenker des LKWs auch ein Verschulden, traf es nicht.

Mit Schriftsatz vom 25. Juli 2000 (ON 35) erhob der Kläger auch das Begehren auf Feststellung, dass ihm die zweit- und die drittbeklagte Partei für alle in Zukunft entstehenden Schäden zur ungeteilten Hand haften, die drittbeklagte Partei nur nach Maßgabe des Versicherungsvertrages.

Mit Schriftsatz vom 20. 11. 2000 (ON 41) dehnte der Kläger das Klagebegehren um weiteren Verdienstentgang (vom 11. 1. 1998 bis einschließlich November 2000 S 470.425,28 sA sowie monatliche Rente ab 1. 12. 2000 von S 26.475) aus.

In der mündlichen Streitverhandlung vom 28. 3. 2001 (ON 58) dehnte der Kläger sein Schmerzengeldbegehren auf S 450.000 aus. Mit Teilurteil vom 30. 3. 2001 (ON 64) entschied das Erstgericht zu Punkt 1. des Spruchs über das Schmerzengeldbegehren und zu Punkt 2. des Spruchs über das nur mehr den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildende Feststellungsbegehren dahin, dass die zweit- und die drittbeklagte Partei zur ungeteilten Hand für alle aus dem Unfall, den der Kläger am 10. 12. 1997 erlitten habe, in Zukunft entstehenden Schäden hafteten, die drittbeklagte Partei nur nach Maßgabe des hinsichtlich des Fahrzeuges Kennzeichen F***** abgeschlossenen Versicherungsvertrages.

Das Erstgericht hielt in diesem Urteil fest, dass mit rechtskräftigem Zwischenurteil vom 31. 3. 2000 (ON 30) festgestellt wurde, dass der "Klageanspruch" (der Schmerzengeldanspruch in der damals geltend gemachten Höhe von S 75.000) gegen die zweit- und die drittbeklagte Partei zur ungeteilten Hand zur Gänze zu Recht bestehe, traf nur noch weitere Feststellungen über die vom Kläger erlittenen Verletzungen und erörterte rechtlich, dass die Haftung der der zweit- und der drittbeklagten Partei auf Grund des vorangegangenen Zwischenurteils feststehe und sie daher verpflichtet seien, ein angemessenes Schmerzengeld zu bezahlen. Da Dauerfolgen bestünden und weitere Folgen nicht vorhersehbar seien, sei auch das Feststellungsbegehren begründet.

Die zweit- und die drittbeklagte Partei erhoben nur gegen Punkt 2. des Teilurteils (Feststellungsbegehren) eine auf den Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens gestützte Berufung mit dem Antrag, das Urteil dahingehend abzuändern, dass festgestellt werde, dass sie zur ungeteilten Hand für alle aus dem Unfall, den der Kläger am 10. 12. 1997 erlitten habe, in Zukunft entstehenden Schäden hafteten, und zwar die zweitbeklagte Partei mit einem Betrag von S 4 Mio gemäß § 15 Abs 1 Z 1 EKHG und die drittbeklagte Partei nach Maßgabe des hinsichtlich des Fahrzeuges abgeschlossenen Vertrages. Ausgeführt wurde, dass zu Gunsten der zweitbeklagten Partei eine Haftungsbeschränkung nach § 15 Abs 1 Z 1 EKHG zu erfolgen habe, wonach die gesetzlich festgesetzte Haftung für die Tötung und Verletzung von Menschen der Höhe nach mit einem Kapitalbetrag von S 4 Mio begrenzt sei.

Das Berufungsgericht gab dieser Berufung dahin Folge, dass es die Haftung der zweitbeklagten Partei (generell) auf die Höchstbeträge des EKHG und der drittbeklagten Partei nach Maßgabe des abgeschlossenen Versicherungsvertrages für das versicherte Fahrzeug beschränkte. Es sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, änderte diesen Ausspruch über Antrag nach § 508 ZPO dahin ab, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei. Rechtlich erörterte es, dass Gegenstand des vorangegangenen Zwischenurteils (ON 30) nur ein Leistungsbegehren, nicht aber auch ein Feststellungsbegehren gewesen sei, weshalb die Frage der Haftungsbeschränkung nicht zu beurteilen gewesen sei. Ein Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs entfalte innerhalb des Rechtsstreites insoweit Bindungswirkung, als die Frage des Anspruchsgrundes nicht neuerlich aufgerollt werden dürfe. Die bindende Wirkung des Zwischenurteils erstrecke sich auch auf Klageerweiterungen, die erst im Verfahren über die Anspruchshöhe vorgenommen, aber aus demselben Rechtsgrund abgeleitet würden. Die Präklusionswirkung des Zwischenurteils erstrecke sich aber nur auf solche den Anspruchsgrund betreffende Tatsachen und Einwendungen, die vor dem Schluss der Verhandlung über den Grund des Anspruchs eingetreten gewesen seien und in diesem Verfahrensabschnitt geltend gemacht hätten werden können. Es sei bereits ausgesprochen worden, dass dann, wenn der Verjährungseinwand nur Anspruchsteile betreffe, die nach Fällung des Zwischenurteils (durch Klageausdehnung) geltend gemacht worden seien, dies nicht den Grund des Anspruchs, sondern dessen Höhe betreffe (JBl 1996, 666), ebenso, dass trotz Vorliegens eines den Anspruch bejahenden Zwischenurteils eine Klage auf Feststellung der weiteren Haftung des Schädigers für später eintretende Schäden zulässig sei (ZVR 1961/315). Da im vorliegenden Fall nur eine Haftung nach den Bestimmungen des EKHG in Betracht komme und die Beschränkung der Haftung auf die Höchstbeträge dieses Gesetzes bei einem Feststellungsbegehren von Amts wegen zu beachten sei, sei "die Haftung der beklagten Partei, insbesondere der zweitbeklagten Partei (wie begehrt) auf die Haftungshöchstbeträge des EKHG" zu beschränken.

Zur Begründung der Zulässigkeit der ordentlichen Revision führte es aus, dass die Frage, ob das Berufungsgericht gegen die Bestimmung des § 405 ZPO verstoßen habe, weil es entgegen dem Berufungsantrag, in welchem lediglich eine Haftungsbeschränkung gemäß § 15 Abs 1 Z 1 EKHG im Betrag von S 4 Mio begehrt worden war, die Haftungsbeschränkung der zweitbeklagten Partei aber auf die Höchstbeträge des EKHG ausgesprochen wurde, von erheblicher Bedeutung sei. Einem Fehler des Berufungsgerichtes komme erhebliche Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu.

Der Kläger macht in seiner Revision geltend, durch das Zwischenurteil sei bereits rechtskräftig über den Grund des Anspruches abgesprochen worden, weshalb die Haftungsbeschränkung nach dem EKHG, welche ebenfalls den Grund des Anspruches betreffe, nicht mehr aufgegriffen werden könne. Das Berufungsgericht habe überdies gegen § 405 ZPO verstoßen, weil die zweitbeklagte Partei in ihrem Rechtsmittel gegen das Feststellungsurteil lediglich eine Haftungsbeschränkung nach dem EKHG von S 4 Mio geltend gemacht habe. Die Rechtsprechung zur einredeweise Geltendmachung einer Haftungsbeschränkung auf die Höchstbeträge des EKHG sei uneinheitlich; die drittbeklagte Partei habe akzeptiert, dass sie nach Maßgabe des Versicherungsvertrages und nicht nur bis zu den Haftungshöchstbeträgen des § 15 EKHG hafte; schließlich habe sich das Berufungsgericht nicht mit der Frage beschäftigt, ob den Lenker ein Veschulden treffe.

Die zweit- und die drittbeklagte Partei beantragen, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne des Aufhebungsantrages berechtigt. Mit Zwischenurteil vom 31. 3. 2000 (ON 30) wurde ausgesprochen, dass "Klagsanspruch" gegen die zweit- und drittbeklagte Partei zur ungeteilten Hand zur Gänze zu Recht besteht. Gegenstand des Verfahrens war in diesem Stadium lediglich ein Schmerzengeldbegehren von S 75.000. Dieser Betrag fand in den Haftungshöchstbeträgen nach dem EKHG Deckung. Die Ausdehnung der Klage auf Zahlung von Schmerzengeld von S 450.000 auf Verdienstentgang (Kapitalbetrag und Rente) sowie auf Feststellung der Haftung der zweit- und der drittbeklagten Partei für den Ersatz aller künftigen Schäden aus dem Verkehrsunfall erfolgte aber erst nach der Rechtskraft des Zwischenurteils über das Leistungsbegehren von S 75.000. Da ein Feststellungsanspruch vom Zwischenurteil über den Grund dieses Geldanspruchs nicht erfasst war, konnten die zweit- und die drittbeklagte Partei nach der Ausdehnung des Klagebegehrens insbesondere um das Feststellungsbegehren auf die Beschränkung der Haftung nach dem EKHG hinweisen, wie dies in der Berufung gegen das Teilurteil über das Feststellungsbegehren geschehen ist (wobei die drittbeklagte Partei, gemessen am Berufungsantrag, durch den Spruch nicht beschwert war). Nach der ständigen Rechtsprechung (Nachweise in Rechberger ZPO2 Rz 8 zu § 393) kommt einem Zwischenurteil gemäß § 393 Abs 1 ZPO (Grundurteil) keine bindende Wirkung für die mit einer neuen Klage erhobenen Ansprüche aus dem gleichen Rechtsgrund zu, weil es nicht über eine Vorfrage entscheidet. Dies bedeutet, dass sich die Feststellungswirkung des Grundurteils nicht auf einen anderen Anspruch erstrecken kann. Daher steht das den Grund des Anspruchs bejahende Zwischenurteil dem Erheben eines auf denselben Rechtsgrund gestützten zulässigen Begehrens auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden nicht entgegen (Nachweise bei Rechberger aaO). Im Verfahren über das Leistungsbegehren von S 75.000 war eine allfällige Beschränkung auf die Haftungshöchstgrenzen nach dem EKHG ohne Bedeutung, weshalb auch im Berufungsverfahren über dieses Zwischenurteil nicht näher erörtert werden musste, ob die beklagten Parteien bloß nach dem EKHG oder unbeschränkt haften, weshalb die vom Kläger relevierte Frage des Verschuldens des Erstbeklagten auch außer Betracht bleiben konnte.

Die erst nach Rechtskraft des Zwischenurteils über den Leistungsanspruch erfolgte Ausdehnung der Klage um das Feststellungsbegehren hatte aber zur Folge, dass im Falle einer Haftung bloß nach dem EKHG die Beschränkung dieser Haftung auf die Höchstbeträge des EKHG (zum Unfallszeitpunkt) von Amts wegen zu beachten ist (RIS-Justiz RS0039011; zuletzt 2 Ob 78/01m; Danzl, EKHG6 § 15 E 10).

Da sich die Bindungswirkung des Zwischenurteils nur auf das (damals) erhobene Leistungsbegehren, nicht aber auch auf das Feststellungsbegehren bezieht und einem Grundurteil nicht die Wirkung eines Feststellungsurteils zukommt (vgl JBl 1998, 454 mwN), sind nunmehr vom Erstgericht neuerlich Feststellungen über den Unfallshergang zu treffen, die eine rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes dahingehend ermöglichen, ob den Lenker (und Erstbeklagten) ein Verschulden am Zustandekommen des Unfalls trifft oder ob mangels Nachweises eines derartigen Verschuldens und mangels Erbringung des Entlastungsbeweises im Sinn des § 9 Abs 2 EKHG die zweit- und drittbeklagte Partei lediglich für die Gefährdungshaftung nach dem EKHG einzustehen haben. Den Parteien wird damit erstmals die Möglichkeit eröffnet, Feststelungen, die das Verschulden (des Erstbeklagten) betreffen, zu bekämpfen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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