OGH 9Ob284/01g

OGH9Ob284/01g23.1.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bank *****, vertreten durch Dr. Norbert Scherbaum und andere, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Josef F*****, vertreten durch Dr. Georg Christian Gass und Dr. Alexander M. Sutter, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 371.439,59 (EUR 26.993,57) sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 28. September 2001, GZ 5 R 50/01i-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 9. März 2001, GZ 18 Cg 124/00f-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur allfälligen Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Beklagte war und ist geschäftsführender Gesellschafter der M***** Bau GmbH, über deren Vermögen am 5. 11. 1998 zu 25 S 415/98m des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz das Konkursverfahren eröffnet worden ist. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 20. 8. 1999 wurde der Konkurs nach rechtskräftiger Bestätigung des am 25. 5. 1999 angenommenen Zwangsausgleichs gemäß § 157 Abs 1 KO aufgehoben. Die Konkursgläubiger, darunter die klagende Partei, erhielten eine Quote von 25 %. Der Beklagte unterfertigte am 21. 5. 1999 namens der M***** Bau GmbH und im eigenen Namen eine Vereinbarung (Vergleich) folgenden Inhalts:

"1. Aus dem Absonderungsrecht hinsichtlich des Grundverkaufs fließt ein Betrag von S 250.000;

2. im Konkursverfahren wird die Barquote auf 25 % verbessert und unter Anrechnung der unter Punkt 1. genannten Zahlung auf die verbleibende Forderung der klagenden Partei eine Quote von 25 % ausgeschüttet;

3. der unter Berücksichtigung von 1. und 2. verbleibende Differenzbetrag auf die anerkannte Forderung von S 1,250.000 wird von Ihnen (gemeint: vom Beklagten) oder aber der M***** Bau GmbH in sechs monatlichen, gleichen Raten à S 62.500, insgesamt somit S 375.000 berichtigt werden;

4. Sie (= Beklagte) verpflichten sich persönlich für die Berichtigung der Restforderung gemäß Punkt 3. (unter Berücksichtigung der Quotenausschüttung und der Zahlung aus dem Absonderungsrecht ermittelt) Sorge zu tragen;

5. diese Vereinbarung gilt unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Gläubiger der M***** Bau GmbH den Zwangsausgleichsvorschlag mit den erforderlichen Mehrheiten zustimmen und dass eine gerichtliche Bestätigung des Abschlusses des Zwangsausgleichs erfolgt und nach Konkursaufhebung infolge Abschlusses des Zwangsausgleichs die 25 %ige Quote auch an die Gläubiger ausgeschüttet wird."

Weiters heißt es in dem an den Beklagten gerichteten und von diesem zur Bestätigung gefertigten Schreiben weiters: "Ich (gemeint: Vertreter der Klägerin) darf Sie nun höflichst ersuchen, zum Zeichen Ihrer Zustimmung und zur Übernahme ihrer persönlichen Haftung die beigeschlossene Zweitschrift dieses Schreibens zu unterfertigen und wiederum an unsere Kanzlei zu retournieren. Aus Evidenzgründen erlauben wir für das Einlangen der unterfertigten Zweitschrift per Telefax den 25. 5. 1999, 10.00 Uhr, in Vormerk zu nehmen, da an diesem Tag, um 11.00 Uhr die Zwangsausgleichstagsatzung stattfindet."

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten aus dem Betrag von S 375.000 laut Punkt 3. des Vergleiches einen offenen Rest von S 371.439,59 sA. Dem Beklagten als Geschäftsführer sei schon nach der Konkurseröffnung seitens der Klägerin bedeutet worden, dass man gedenke, seine Geschäftsführerhaftung in Anspruch zu nehmen. Insbesondere habe er einerseits zur Besicherung dienende Liegenschaften gegenüber der Klägerin mit einem höheren als dem tatsächlichen Wert veranschlagt und auch seine Informationspflicht insoweit verletzt, als er Forderungen der Sozialversicherung und vor allem des Finanzamtes in beträchtlicher Höhe bei Kreditaufnahme bzw Kreditausweitung bei der Klägerin verschwiegen habe. Überdies habe der Kläger vereinnahmte Kundengelder in beträchtlicher Höhe nicht an die Gesellschaft abgeführt, sodass es zu einer Vermögensschmälerung derselben gekommen sei. Mit Punkt 3. der genannten Vereinbarung seien allfällige Ansprüche seiner Haftung als Geschäftsführer bereinigt und verglichen worden. Somit sei der Einwand, es handle sich um einen unzulässigen Vorteil im Sinne des § 150 Abs 5 KO, verfehlt. Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er sei von der Klägerin mit der genannten Vereinbarung unter Druck gesetzt worden. Er habe die Vereinbarung nur unterschrieben, um den geplanten Zwangsausgleich zustandezubringen. Mit der Vereinbarung habe keine Geschäftsführerhaftung bereinigt werden sollen, vielmehr handle es sich bei der vorliegenden Forderung um die Geltendmachung eines gemäß § 150 Abs 5 KO verpönten und somit nichtigen Anspruchs. Die Klägerin führte ergänzend aus, dass zunächst sogar geplant gewesen sei, die Geschäftsführerhaftung des Beklagten ausdrücklich in den Vergleich aufzunehmen, dass aber über Ersuchen des Beklagten davon Abstand genommen worden sei, weil dieser sich daraus steuerrechtliche Vorteile versprochen habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Zusätzlich zum unstrittigen Sachverhalt stellte es fest: Bei der Staatsanwaltschaft Graz war seit 28. Jänner 1999 eine Anzeige anhängig, in welcher es um den Verdacht der fahrlässigen Krida und einer anderen strafbaren Handlung des Beklagten ging. Bereits im Vorfeld des Insolvenzverfahrens hatte es ein finanzbehördliches Strafverfahren gegeben, durch welches es zu einer hohen Nachforderung gegenüber der M***** Bau GmbH gekommen war. Der Beklagte sah sich als Geschäftsführer mit der Gefahr konfrontiert, dass seitens der Klägerin gegen ihn persönlich aus dem Titel der Geschäftsführerhaftung vorgegangen werde. Wenngleich nicht festgestellt werden könne, worin ein an den Beklagten gerichteter Anspruch objektiv rechtlich begründet gewesen wäre, hielt es der Beklagte für nicht aussichtslos und zumindest für ernstlich möglich, dass ein Haftungsanspruch Erfolg haben könne. Aus diesem Grunde, aber auch, um die Zustimmung zum Zwangsausgleich zu erhalten, unterfertigte er am 21. 5. 1999 die vorgenannte Vereinbarung. Die Vereinbarung enthält keinen Hinweis auf einen der Zahlung zugrunde liegenden Rechtsgrund, da der ursprünglich angeführte, namentlich als "Geschäftsführerhaftung" bezeichnete Grund über Intervention des damaligen Vertreters des Beklagten aus der Überlegung heraus vermieden wurde, um diesen Betrag im Zuge der Fortführung der M***** Bau GmbH nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens steuerlich auf die Gesellschaft überwälzen zu können. Ob die Geltendmachung einer Geschäftsführerhaftung Erfolg gehabt hätte, könne nicht festgestellt werden. Das vorerwähnte Strafverfahren wurde am 9. 9. 1999 eingestellt.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass die gegenständliche Vereinbarung nicht gegen § 150 Abs 5 KO verstoße, weil der versprochenen Leistung eine andere Absicht als die Verschaffung eines besonderen Vorteils zugrunde gelegen sei. Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Beklagten erhobenen Berufung Folge und änderte die angefochtene Entscheidung im Sinn einer Abweisung des Klagebegehrens ab.

Es vertrat die Rechtsauffassung, dass die bloß bei einem Teil, nämlich beim Beklagten vorhandene Absicht, aus einer Geschäftsführerhaftung herauszukommen, für das Zustandekommen einer eigenen Vereinbarung unzureichend gewesen sei. Auch hätte objektiv nicht festgestellt werden können, dass eine Inanspruchnahme seiner Haftung von Erfolg gewesen wäre. Damit verbleibe nur ein gemäß § 150 Abs 5 KO verpönter "besonderer Vorteil", wobei die Nichtigkeit der Vereinbarung vom Amts wegen wahrzunehmen sei und auch dem Beklagten selbst zugute komme.

Mangels Vorliegen einer Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO sei die ordentliche Revision nicht zuzulassen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragte, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht einen rechtlichen Feststellungsmangel (§ 496 Abs 1 Z 3 ZPO) nicht beachtet und überdies die zu § 1380 ABGB ergangene Rechtsprechung nicht berücksichtigt hat; sie ist im Rahmen des Aufhebungsantrages auch berechtigt.

§ 150 Abs 5 KO normiert zum Zweck der Wahrung der Gläubigergleichbehandlung eine über den Zeitpunkt der Aufhebung des Konkursverfahrens hinaus wirkende absolute Ungültigkeit. Auch die Bestätigung des Zwangsausgleichs räumt sowohl nach § 47 AO als auch nach der gleichlautenden Vorschrift des § 150 KO ( - es ist daher auch die zu beiden Bestimmungen ergangene Rechtsprechung wechselseitig anwendbar: WBl 1988, 161) die Ungültigkeit der Sonderbegünstigung und deren Folgen nicht aus; die Ungültigkeit bleibt sowohl nach § 47 AO als auch nach § 150 Abs 5 KO unheilbar (SZ 48/84; WBl 1988, 161). Diese Ungültigkeit wäre, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, sogar von Amts wegen zu berücksichtigen, da es sich nicht um ein dem Schuldner gewährtes Anfechtungsrecht, sondern um eine im öffentlichen Interesse aufgestellte zwingende Rechtsvorschrift handelt (WBl 1988, 161 mwN). Als Einräumung besonderer Vorteile (Begünstigung) im vorgenannten Sinn ist jede objektive, mittelbare oder unmittelbare, rechtliche oder wirtschaftliche Besserstellung eines oder mehrerer vom Zwangsausgleich betroffener Gläubiger anzusehen. Eine nach § 150 KO und § 47 AO unzulässige Sonderbegünstigung liegt allerdings nur vor, wenn die betreffende Vereinbarung im Hinblick auf einen bevorstehenden gerichtlichen Ausgleich oder aus Anlass eines solchen getroffen wurde, mit ihm also in einem, wenn auch nur losen Zusammenhang steht (WBl 1988, 161). Eine solche Nichtigkeit kann auch vom Dritten, welcher einen solchen Vorteil zugesagt hat, geltend gemacht werden (ÖBA 1956, 323). Soweit gibt auch das Berufungsgericht die bisherige Rechtsprechung zutreffend wieder.

Nun stellt aber nicht jede, sei es auch im Zusammenhang mit einem geplanten (Zwangs-)Ausgleich geschlossene Vereinbarung eine nichtige Sonderbegünstigung dar. Vielmehr wäre es durchaus denkbar, dass ein Dritter Verpflichtungen eingeht, die einen eigenen, nicht verpönten Rechtsgrund aufweisen (vgl ÖBA 1995/509; SZ 48/84). Einen solchen - grundsätzlich tauglichen - Rechtsgrund macht die Klägerin geltend, indem sie behauptet, dass der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin ein Interesse gehabt habe, die ihm durch die Klägerin bei einem Ausfall angedrohte Geschäftsführerhaftung von sich abzuwenden und dass daher mit Punkt 3. der genannten Vereinbarung ein Vergleich über solche möglichen Ansprüche geschlossen worden sei. Zum Beweise dieses Vorbringens berief sich die Klägerin nicht nur auf die Aussage des Klagevertreters (AS 37 f), sondern auch auf die Urkunden Beilage B bis D. Zu diesem Themenkomplex haben die Vorinstanzen jedoch keine Feststellungen getroffen, insbesondere erfolgte auch keine Auseinandersetzung mit diesen Beweismitteln. Es ist daher davon auszugehen, dass diesbezügliche Feststellungen nicht aufgrund entsprechender Beweiswürdigung unterblieben sind, sondern schlicht "vergessen" wurden. Es fehlt insbesondere an Feststellungen, ob der Vereinbarung konkrete Gespräche bzw ein Schriftverkehr mit dem Beklagten vorangegangen sind, in welchem auf dessen Haftung hingewiesen worden ist; weiters dazu, ob der Wunsch des Beklagten, den Passus "Geschäftsführerhaftung" aus der Vereinbarung herauszunehmen, um allenfalls steuerliche Vorteile lukrieren zu können, auch gegenüber der Klägerin zum Ausdruck kam. Dem Berufungsgericht ist zwar darin zuzustimmen, dass eine einseitige, nicht zum Ausdruck gekommene Parteiabsicht nur eines Teiles im Sinne der herrschenden Vertrauenstheorie (objektiver Erklärungswert) unbeachtlich ist, doch lässt sich aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht beurteilen, ob das Verhalten des Beklagten nicht doch eine Reaktion auf ein entsprechend deutliches Anbot der Klägerin gewesen ist. In einem solchen Falle wäre es ohne Bedeutung, dass der Beklagte überdies für die Ausgleichsschuldnerin eine - ungültige - Vereinbarung eingegangen wäre, weil im vorliegenden Verfahren nur die persönliche Haftung des Beklagten geltend gemacht wird. Im fortgesetzten Verfahren wird auch zu beachten sein, dass der Umstand, ob ein Recht zwischen den Parteien streitig ist, nicht davon abhängt, ob es bei objektiver Beurteilung der Sachlage besteht, sondern nur davon, ob die Parteien über seinen Bestand einig sind oder nicht. Der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis steht es gleich, wenn die Verwirklichung eines Anspruchs unsicher ist (RIS-Justiz RS0032645). Damit wäre es aber durchaus denkbar, dass - unabhängig von der objektiven Durchsetzbarkeit - beide Streitteile von einer möglichen Geschäftsführerhaftung des Beklagten ausgingen und diese durch Punkt 3. der Vereinbarung beschränken wollten.

Im fortgesetzten Verfahren werden daher Feststellungen zu treffen sein, welche eine abschließende Beurteilung dahin zulassen, ob von den Parteien ausdrücklich oder schlüssig erklärt wurde, ob mit Punkt 3. der Vereinbarung (= Vergleiches) auch ein anderer Vertragszweck als nur der einer Vorteilsverschaffung im Sinn des § 150 Abs 5 KO erreicht werden sollte.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 50 Abs 1 ZPO.

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