OGH 10ObS387/01m

OGH10ObS387/01m15.1.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Dr. Christoph Kainz (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Max Anton D*****, ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch DDr. Hans Esterbauer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Feststellung der Erwerbsunfähigkeit, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. August 2001, GZ 11 Rs 286/01k-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 5. April 2001, GZ 11 Cgs 151/99h-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Unterlassung der Einholung eines chirurgischen sowie eines arbeitspsychologischen Gutachtens war bereits Gegenstand der Mängelrüge der Berufung. Das Berufungsgericht hat nicht nur die Ansicht vertreten, dass es sich dabei im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers um unzulässige Erkundungsbeweise gehandelt habe, sondern es hat sich mit den Ausführungen in der Berufung auch inhaltlich auseinandergesetzt und ist zum Ergebnis gelangt, dass ein Verfahrensmangel nicht vorliege. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senates, dass auch in Sozialrechtssachen angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurde, im Revisionsverfahren nicht neuerlich geltend gemacht werden können (SSV-NF 7/74 mwN ua). Dem Obersten Gerichtshof ist daher das Eingehen auf die diesbezüglichen Ausführungen der Mängelrüge der Revision verwehrt.

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache, wonach bei dem am 3. 11. 1945 geborenen Kläger eine Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 133 Abs 2 GSVG nicht vorliegt, weil er unter zumutbaren gesundheitlichen Bedingungen noch eine artverwandte selbständige Erwerbstätigkeit ausüben kann, ist zutreffend. Den Ausführungen des Revisionswerbers ist Folgendes entgegenzuhalten:

Nach der hier anzuwendenden Gesetzesbestimmung des § 133 Abs 2 GSVG idF der 19. GSVG-Nov, BGBl 1993/336, wird das Verweisungsfeld durch die selbständigen Erwerbstätigkeiten gebildet, die eine ähnliche Ausbildung sowie gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie die vom Versicherten zuletzt ausgeübten erfordern. Die Verweisungstätigkeit muss keineswegs der bisher ausgeübten Tätigkeit in allen Punkten entsprechen. Das Gesetz stellt nicht auf die konkret ausgeübte selbständige Tätigkeit und die bisherige Betriebsstruktur ab, sondern nur auf die Kenntnisse und Fähigkeiten, die für die durch 60 Kalendermonate ausgeübte selbständige Tätigkeit erforderlich waren. Dem Versicherten soll bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 133 Abs 2 GSVG nicht zugemutet werden, völlig neue Kenntnisse zu erwerben oder nunmehr einer unselbständigen Tätigkeit nachzugehen (SSV-NF 12/124, 11/25, 9/22, 9/56 ua).

Nach den Feststellungen war der Kläger, der über einen Gewerbeschein für Handel mit Waren aller Art verfügt, seit 1966 als selbständiger Einzelhandelskaufmann tätig, wobei er Eisenwaren, Garten- und Küchenartikel etc verkaufte. Im Verkaufslokal des Klägers war zunächst auch noch ein Angestellter beschäftigt. Aufgrund der schlechten Ertragslage des Betriebes musste das Dienstverhältnis mit diesem Mitarbeiter beendet werden und es war daher seit August 1996 nur noch der Kläger im Geschäftslokal tätig. Der Kläger kann nach dem festgestellten medizinischen Leistungskalkül noch leichte und halbzeitig mittelschwere Arbeiten (Heben und Tragen von Lasten bis 10 kg, fallweise auch bis 15 kg) im Gehen, Stehen und Sitzen verrichten. Aufgrund eines Darmleidens tritt beim Kläger ca fünfmal im Jahr während eines Zeitraumes von ca zwei bis drei Wochen ein vermehrter Stuhldrang auf, sodass er am Tag etwa drei- bis viermal die Toilette aufsuchen muss.

Die Ausführungen des Revisionswerbers, aufgrund dieser Einschränkungen im medizinischen Leistungskalkül und im Hinblick darauf, dass die Dauer eines Stuhlganges infolge der vorliegenden Divertikulitis tatsächlich etwa 20 bis 30 Minuten betrage, sei ihm der alleinige Betrieb seines Geschäftes nicht mehr möglich, lassen außer Acht, dass es bei der Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit nicht auf die Möglichkeit einer Umorganisation und die wirtschaftliche Situation des von ihm geführten konkreten Betriebes ankommt, sondern auf den durchschnittlichen Betrieb eines solchen Handelsgewerbes (SSV-NF 13/26, 13/114 ua). Dass in vergleichbaren Handelsbetrieben üblicherweise nicht bloß eine Arbeitskraft beschäftigt ist, kann als notorisch unterstellt werden. Im Übrigen war auch im Betrieb des Klägers jahrelang ein Mitarbeiter beschäftigt. Bei Beschäftigung eines hauptberuflich angestellten Mitarbeiters könnte der Kläger das ihm verbliebene Leistungskalkül einhalten und er müsste sich auch keine neuen Kenntnisse aneignen. Soweit der Revisionswerber einwendet, dass die Einstellung eines solchen Mitarbeiters betriebswirtschaftlich nicht zu vertreten wäre, ist ihm wiederum entgegenzuhalten, dass es dabei nicht auf die Verhältnisse seines konkreten Betriebes an seinem bisherigen Standort ankommt, sondern vielmehr darauf, ob die Verweisungstätigkeit bei Führung eines solchen Handelsbetriebes mit einem hauptberuflich angestellten Mitarbeiter eine wirtschaftlich vertretbare Betriebsführung im Bundesgebiet unter Berücksichtigung des Marktes ermöglicht (SSV-NF 12/3, 12/124, 11/25 ua). Diese Annahme kann nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden, zumal es bei der Beurteilung des Verweisungsfeldes nach § 133 Abs 2 GSVG auf die abstrakte Möglichkeit der Ausübung eines Gewerbes ankommt und vom Versicherten daher auch verlangt werden muss, sein Gewerbe dort auszuüben, wo ein entsprechender Bedarf besteht (SSV-NF 11/25 ua). Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers kommt es daher auch nicht darauf an, ob der selbständig Erwerbstätige weiterhin geneigt ist, das wirtschaftliche Wagnis eines Betriebes auf sich zu nehmen und ob er in der Lage oder gewillt ist, diese selbständige Erwerbstätigkeit zu finanzieren (SSV-NF 12/124 ua).

Da schon aufgrund dieser Erwägungen eine Erwerbsunfähigkeit des Klägers im Sinne des § 133 Abs 2 GSVG nicht vorliegt, muss auf die weiteren rechtlichen Ausführungen des Revisionswerbers nicht mehr eingegangen werden.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht dargetan und sind nach der Aktenlage auch nicht ersichtlich.

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