European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2001:0110OS00140.01.1214.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, teils demgemäß, teils gemäß § 290 Abs 1 StPO
1. hinsichtlich der Angeklagten Franz S* und Josef S* in der ihnen angelasteten Qualifikation des § 84 Abs 3 StGB,
2. zum Urteilsfaktum II 2 c bei den Angeklagten Marco Manuel S*, Franz S* und Josef S* betreffend die Qualifikation des § 84 Abs 2 Z 2 StGB und hinsichtlich des Angeklagten * zur Gänze und damit bei diesem Angeklagten auch in der Annahme der Qualifikation des § 84 Abs 3 StGB,
somit bei den angeführten Angeklagten auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * zurückgewiesen.
Mit seiner Berufung wird * auf diese Entscheidung verwiesen.
Diesem Angeklagten fallen auch die durch den erfolglos gebliebenen Teil seines Rechtsmittels verursachten Kosten des Verfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden unter anderem
Marco Manuel S* der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1, Abs 2 Z 2 und Abs 3 StGB (II 1 und 2) sowie des versuchten Hausfriedensbruches nach §§ 15, 109 Abs 3 Z 3 StGB
(III),
Franz S* des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 2 und Abs 3 StGB (II 2),
Josef S* der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 2 und Abs 3 StGB (II 2) sowie des versuchten Hausfriedensbruches nach §§ 15, 109 Abs 3 Z 3 StGB (III) und * des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB (I 1) sowie der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 2 und Abs 3 StGB (II 2 und 4) und des versuchten Hausfriedensbruches nach §§ 15, 109 Abs 3 Z 3 StGB (III) schuldig erkannt.
Darnach haben (soweit für das Nichtigkeitsverfahren relevant) zu II. nachstehende Personen am Körper verletzt, wobei Marco S*, *, Josef S* und Franz S* mindestens drei selbständige Taten ohne begreiflichen Anlass und unter Anwendung erheblicher Gewalt begangen haben, und zwar
1) Marco S* am 16. Dezember 2000 teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einer unbekannt gebliebenen Person den David H* dadurch, dass er ihn zu Boden riss und ihm Fußtritte gegen das Gesicht sowie die Beine versetzte, wodurch dieser Kontusionen und Excorationen im Gesicht sowie eine Fraktur des linken Sprunggelenkes, sohin eine an sich schwere Verletzung verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung erlitt,
2) Marco S*, Franz S*, Josef S* und * in verabredeter Verbindung am 23. Dezember 2000 durch Versetzen von Schlägen und Fußtritten
a) Dominik T*, der Abschürfungen an der Hand erlitt,
b) Christian K*, der eine Schädelprellung und Abschürfungen an der Nase erlitt,
c) Florian R*, der eine Schädelprellung und eine Abschürfung an der linken Halsseite erlitt,
3. .…
4. Sascha S* und * am 2. Dezember 2000 den Walter K* durch Versetzen von Faustschlägen gegen das Gesicht und den Oberkörper, wodurch dieser eine Prellung an der Hand und eine Rötung des linken Auges erlitt;
zu III) Marco S*, Sascha S*, Anton P*, Josef S* und * am 25. Dezember 2000 versucht, den Eintritt mehrerer Personen in das Lokal "A*-Bar" mit Gewalt, indem sie gegen die Eingangstür drückten und schlugen, zu erzwingen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen die ihn betreffenden Schuldsprüche zu II und III richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten *. Sie ist nur in einem Punkt im Recht.
In der Mängelrüge (Z 5) macht der Beschwerdeführer zunächst geltend, die Urteilsannahme, seine Freundschaft zu den Mitangeklagten beruhe auf einer gewissen politisch "rechten" Gesinnung, sei unbegründet. Dieser Einwand betrifft jedoch keinen für die Entscheidung wesentlichen Umstand, was aber für die Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes erforderlich wäre.
Die Angriffe zu den Urteilsfakten II 2 a und b wurden nach den Urteilsfeststellungen in verabredeter Verbindung gegen zwei Personen geführt, die dabei leicht verletzt wurden. Bei einem derartigen Handeln ist es aber nicht erforderlich, dass jeder der Verabredeten unmittelbar an den Angegriffenen Hand an legt oder sonst unmittelbar zu Verletzungen führende Aktivitäten setzt. Es kommt vielmehr nur darauf an, dass verabredungsgemäß mindestens drei Personen dem Opfer gegenüber am Tatort als Einheit auftreten (Burgstaller in WK Rz 50; Leukauf/Steininger Komm3 RN 21 jeweils zu § 84).
Die Mitwirkung des Beschwerdeführers in diesem Sinn hat das Erstgericht insbesondere auf die Aussage des Zeugen Christian K* gestützt (US 26 iVm S 467 f/I). Damit hat es die leugnende Verantwortung des Nichtigkeitswerbers ebenso abgelehnt wie die diesen unterstützenden Aussagen der Mitangeklagten (US 25). Dass aus den Beweismitteln auch andere allenfalls für den Angeklagten günstigere Schlüsse möglich wären, vermag den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht zu begründen (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 145, 147). Die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen versuchen vielmehr lediglich die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer Schuldberufung zu bekämpfen.
Weder aktenwidrig noch unbegründet ist schließlich die Feststellung, Daniel T* sei bei dem Angriff verletzt worden. Wie der Rechtsmittelwerber selbst zugesteht, hat dieser Zeuge angegeben, er sei an der Hand ein wenig abgeschürft gewesen. Eine Abschürfung stellt aber - wie das Erstgericht ohnedies konstatiert hat - eine (leichte) Körperverletzung dar (US 5 und 18).
Auch der Einwand zum Faktum II 4, wonach der Angeklagte * nicht auf Walter K* hingeschlagen habe, versagt. Wie er nämlich im Rechtsmittel selbst zugesteht, hat er diesen Zeugen festgehalten, während Sascha S* zugeschlagen hat. Damit ist er aber unmittelbarer (Mit-)Täter und haftet für den eingetretenen Erfolg, auch wenn er selbst nicht unmittelbar durch Schläge die Verletzungen herbeigeführt hat. Entgegen der Beschwerde ist auch die Begründung zum Urteilsfaktum III nicht unvollständig. Das Erstgericht hat sich nämlich mit den Aussagen der Zeugen Johann K*, Nicole H* und Alexandra D* ebenso auseinandergesetzt, wie mit jenen der Mitangeklagten (US 27). Dass es aus diesen andere, aber durchaus logische, mit den Erfahrungen des täglichen Lebens übereinstimmende Schlüsse gezogen hat als der Nichtigkeitswerber, stellt einen Akt der freien Beweiswürdigung dar.
Insoweit liegt ein formeller Begründungsmangel nicht vor. In der Tatsachenrüge (Z 5a) versucht der Beschwerdeführer nur neuerlich die Beweiswürdigung des Kollegialgerichtes nach Art einer Schuldberufung in Frage zu stellen, übersieht jedoch, dass der unter die formellen Nichtigkeitsgründe eingereihte Anfechtungstatbestand in seiner prozessualen Reichweite keineswegs einer solchen Berufung gleichkommt. Durch seine Ausführungen vermag er aber weder schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustande gekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen, noch auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung in entscheidungswesentlichen Fragen aufkommen lassen (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5a E 1 und 2). Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie lediglich unsubstantiiert behauptet, das Erstgericht habe keine Feststellungen getroffen, "wieviele Personen in verabredeter Verbindung die Tätlichkeiten gesetzt haben bzw von welchen drei selbständigen Taten ohne begreiflichen Anlass das Erstgericht bei seiner Subsumtion ausgegangen sei". Dabei übergeht sie aber sämtliche diesbezüglichen Konstatierungen sowohl im Urteilsspruch (US 5 bis 6) als auch in der Begründung (US 17 ff).
Die prozessordnungsgemäße Darstellung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat aber das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt und den Nachweis von dessen unrichtiger rechtlicher Beurteilung zur Voraussetzung.
In diesem Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten teils als unbegründet, teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt in nichtöffentlicher Sitzung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO). Im Übrigen kommt ihr aber Berechtigung zu. Es überzeugte sich der Oberste Gerichtshof aus ihrem Anlass auch davon, dass dem Urteil eine von Amts wegen wahrzunehmende materiellrechtliche Nichtigkeit anhaftet. Diese Gesetzesverletzung gereicht auch den anderen hievon betroffenen Angeklagten, die eine Nichtigkeitsbeschwerde nicht ergriffen haben, zum Nachteil.
Eine "verabredete Verbindung" setzt voraus, dass eine ernstliche Willenseinigung von mindestens drei Personen über die gemeinsame Ausführung einer Körperverletzung nach § 83 Abs 1 oder Abs 2 vorliegt. Im Gegensatz zur schlichten Mittäterschaft, bei der ein spontanes, vom gleichen Vorsatz getragenes Zusammenwirken bei der Tat selbst und damit auch ein erst während deren Verübung gefasster Entschluss genügt, bedarf die Verabredung des § 84 Abs 2 Z 2 StGB eine Willenseinigung vor Beginn der Tatausführung. Mit dem bloßen Eingreifen in eine ohne vorangegangene Willenseinigung bereits begonnene tätliche Auseinandersetzung wird daher, auch wenn der Vorsatz zur gemeinsamen Ausführung einer Körperverletzung nunmehr besteht, die in Rede stehende Qualifikation nicht verwirklicht. Zwar kann eine Verabredung durchaus auch schlüssig und erst unmittelbar vor der Tatverübung erfolgen, auch eine sukzessive zustandegekommene Willenseinigung dreier Personen genügt, doch muss die Verbindung jedenfalls vor der Tat ausdrücklich oder schlüssig "verabredet" sein (Burgstaller in WK Rz 49; Leukauf/Steininger Komm3 RN 20 jeweils zu § 84).
Zum Urteilsfaktum II 2 c hat das Schöffengericht im Urteilsspruch zwar ein Handeln der Angeklagten in verabredeter Verbindung angenommen, hiezu jedoch in den Gründen im Wesentlichen nur festgestellt: Auf der Höhe des "Schärdinger Tores" trafen die Angeklagten den Zeugen Florian R*. Der Angeklagte * verwickelte R*, den er vom Sehen her kannte, in ein Gespräch, bis die anderen Angeklagten nachgekommen waren. Diese fielen dann grundlos über Florian R* her und attackierten ihn, wobei sie auf ihn einschlugen und ein weiterer Angeklagter den Zeugen in den "Schwitzkasten" nahm. Es blieb ungeklärt, ob der Angeklagte * ebenfalls Tätlichkeiten gegenüber Florian R* gesetzt hatte. Er dokumentierte jedoch durch seine Anwesenheit die Bereitschaft, im Bedarfsfall einzugreifen, sodass sich die übrigen Angeklagten im Gefühl der Übermacht zu den Tätlichkeiten hinreißen ließen (US 18).
Wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt, hat das Erstgericht für eine vosätzliche Mitwirkung des Angeklagten * bei diesem Angriff keine ausreichende Begründung gegeben, jedoch insbesondere - was aus dem Grunde des § 281 Abs 1 Z 10 StPO gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen war - hinsichtlich aller beteiligten Angeklagten keine ausreichenden Feststellungen getroffen, welche die angenommene Qualifikation des § 84 Abs 2 Z 2 StGB im aufgezeigten Sinn tragen könnten. Diesbezüglich war das Urteil daher aufzuheben, weil sich hiezu eine neue Hauptverhandlung nicht vermeiden lässt. Die Qualifikation des § 84 Abs 3 StGB setzt voraus, dass der Täter drei selbständige Taten ohne begreiflichen Anlass und unter Anwendung erheblicher Gewalt begangen hat. Damit von selbständigen Taten gesprochen werden kann, muss es sich um verschiedene, zeitlich und aktionsmäßig getrennte, jeweils abgeschlossene Ereignisse handeln, wobei jedoch das Opfer immer dasselbe sein kann. Liegt hingegen ein einheitliches, wenngleich in mehreren Phasen ablaufendes Tatgeschehen vor, in dessen Verlauf mehrere Körperverletzungen zugefügt werden, so wird nur eine einzige Tat begangen, womit dem Erfordernis mehrerer selbständiger Taten nicht entsprochen ist (Leukauf/Steininger Komm3 § 84 RN 32).
Vorliegend haben die Angeklagten Marco S*, Franz S*, Josef S* und * am 23. Dezember 2000 Dominik T* und Christian K* angegriffen und verletzt. Trotz Untergliederung im Urteilsspruch hat das Erstgericht nicht eindeutig festgestellt, ob zwei gesonderte Angriffe (zunächst auf Daniel T* und dann auf den zu Hilfe eilenden Christian K* - vgl US 25, 26) geführt wurden, oder ob es sich um eine einheitliche Tat handelte, bei welcher zwei Personen verletzt wurden (vgl US 17, 18). Es liegt daher diesbezüglich ein Feststellungsmangel vor, der für die abschließende rechtliche Beurteilung entscheidend ist, weil den Angeklagten Franz S* und Josef S* die Qualifikation des § 84 Abs 3 StGB nur dann anzulasten ist, wenn es sich bei den Fakten II 2 a und b tatsächlich um getrennte Angriffe handelt.
Durch die Aufhebung des Urteilsfaktums II 2 c beim Angeklagten * war auch bei ihm die Qualifikation des § 84 Abs 3 StGB aufzuheben, weil nach der Kassation allenfalls nur zwei selbständige Taten verbleiben.
Im erneuerten Verfahren wird das Erstgericht zu klären haben, ob die Angeklagten Marco S*, Franz S*****, Josef S* und * am 23. Dezember 2000 auch bei ihrem zur Verletzung des Florian R* führenden Angriffes in verabredeter Verbindung gehandelt haben. Dann wird es zu konstatieren haben, welche Mitwirkung jedem einzelnen Täter anzulasten ist.
Zu den Urteilsfakten II 2 a und b wird es zu erkunden und eindeutig festzustellen haben, ob ein oder zwei Angriffe geführt wurden und den Angeklagten Franz S*, Josef S* und auch * somit die Qualifikation des § 84 Abs 3 StGB zur Last fällt oder nicht. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a StPO.
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