OGH 5Ob285/01z

OGH5Ob285/01z11.12.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin B*****, vertreten durch Dr. Herbert Schrittesser, Rechtsanwalt in Mödling, wegen Anmerkung einer Verfügungsbeschränkung, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. September 2001, AZ 46 R 569/01v, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 21. Juni 2001, TZ 6269/2001, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragstellerin (ein deutsches Bankhaus) begehrte ob der zur Gänze im Eigentum der O*****gesellschaft mbH (im Folgenden kurz O-KAG) stehenden Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** folgende Anmerkung zu bewilligen:

"Verfügungsbeschränkung zu Gunsten der Depotbank des G*****-Fonds O***** (§ 31 Abs 2 Satz 1 deutsches Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften)."

Sie brachte dazu vor, die Liegenschaftseigentümerin sei eine Kapitalanlagegesellschaft, die nach deutschem Recht errichtet worden sei. Diese unterliege deshalb insbesondere den Bestimmunen des dKAGG in der Neufassung vom 9. 9. 1998. Die Liegenschaft werde von der O-KAG einem Fonds gewidmet, der von ihr aufgelegt worden sei. Diese Liegenschaft zähle somit zum Grundstücks-Sondervermögen im Sinne der §§ 26 ff dKAGG. Im Sinne des § 31 Abs 1 dKAGG habe die O-KAG mit der laufenden Überwachung des Liegenschaftsbestandes, der Verwahrung der Geldbeträge und Wertpapiere, die zum Sondervermögen gehörten, und mit der Ausgabe und Rücknahme von Anteilsscheinen ein anderes Kreditinstitut (Depotbank) zu beauftragen. Diese Funktion als Depotbank übe im gegenständlichen Fall über Auftrag der O-KAG die Antragstellerin aus. Nach § 31 Abs 4 dKAGG habe die O-KAG ferner dafür Sorge zu tragen, dass die Verfügungsbeschränkung im Sinne des § 31 Abs 2 Satz 1 dKAGG in das Grundbuch eingetragen werde. Lägen die Grundstücke im Ausland und sei die Eintragung der Verfügungsbeschränkung im (ausländischen) Grundbuch oder einem vergleichbaren Register nicht möglich, sei die Wirksamkeit der Verfügungsbeschränkung in anderer geeigneter Form sicherzustellen. § 364c ABGB scheide aus, weil die Antragstellerin nicht zum dort genannten Personenkreis zähle. Deshalb komme nur eine grundbücherliche Anmerkung nach § 20 GBG in Frage in analoger Anwendung des dem österreichischen Recht bekannten "Kautionsbandes". Eine solche Anmerkung sei auch deshalb zulässig, weil jede andere Rechtsauffassung gegen den Grundsatz des "Freien Kapitalverkehrs" innerhalb der Europäischen Union verstoßen würde. Eine Verweigerung der Anmerkung wäre unverhältnismäßig, weil das österreichische Recht in vergleichbaren Konstellationen ähnliche Anmerkungen vorsehe. Das Erstgericht wies den Antrag ab, weil nach österreichischem Grundbuchsrecht keine Beurteilung nach dem Grad der "Unverhältnismäßigkeit" in Bezug auf das deutsche Recht gestattet sei. Grundbücherliche Eintragungen seien nur dann zulässig, wenn sich aus einer Eintragung ergäbe, dass ihr Inhalt nach dem österreichischen Gesetz Gegenstand einer grundbücherlichen Eintragung sein könne. Im gegenständlichen Fall werde jedoch eine Eintragung nach dem deutschen Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften begehrt. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es führte folgendes aus:

Auszugehen sei davon, dass die Antragstellerin vorgebracht habe, sie übe im gegenständlichen Fall die Funktion als Depotbank über Auftrag der O-KAG aus. Als einzige Urkunde sei mit dem Antrag eine "Widmungsbestätigung und Einverleibungsbewilligung" vom 21. 5. 2001 vorgelegt worden. In dieser habe die Liegenschaftseigentümerin ihre ausdrückliche Einwilligung erteilt, dass auf Grund dieser Urkunde ohne ihr weiteres Wissen und Einvernehmen im Eigentumsblatt der gegenständlichen Liegenschaft die Verfügungsbeschränkung zu Gunsten der Depotbank eingetragen werde.

Nicht nachgewiesen habe die Antragstellerin jedoch, dass sie eine nach dem Gesetz geeignete Depotbank sei. Gemäß § 31 Abs 5 dKAGG könne die Bestellung der Depotbank gegenüber dem Grundbuchamt durch eine Bescheinigung der Bankaufsichtsbehörde nachgewiesen werden, aus der sich ergebe, dass die Bankaufsichtsbehörde die Auswahl dieses Kreditinstitutes als Depotbank genehmigt habe und von ihrem Recht nicht Gebrauch gemacht habe, der Kapitalanlagegesellschaft einen Wechsel der Depotbank aufzuerlegen. Eine solche Bescheinigung der Bankaufsichtsbehörde sei dem Grundbuchsgericht nicht vorgelegt worden; sie wäre jedoch notwendig gewesen, um die Eignung der Antragstellerin als Depotbank nach deutschem Recht nachzuweisen. Da gemäß § 95 GBG die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens ausscheide, komme dem Antrag schon aus diesem Grund keine Berechtigung zu.

Darüber hinaus sei folgendes auszuführen: Gemäß § 20 lit b GBG könnten grundbücherliche Anmerkungen erfolgen zur Begründung bestimmter, nach den Vorschriften dieses oder eines anderen Gesetzes damit verbundener Rechtswirkungen. Sodann nenne das Gesetz Beispiele, wie zB die Anmerkung der Rangordnung. Herrschend sei die Ansicht, dass die Aufzählung des § 20 lit b GBG nicht erschöpfend sei. Richtig sei auch, dass auch ausländische Urkunden für Anmerkungen geeignet sein können. Das Rekursgericht stehe jedoch auf dem Standpunkt, dass "andere Gesetze" im Sinne des § 20 lit b GBG nur österreichische Gesetze seien.

Die Rekurswerberin berufe sich auf das Gemeinschaftsrecht, insbesondere auf das Recht des freien Kapitalverkehrs. Dazu sei folgendes auszuführen: Gemäß Art 56 (ex-Art 73 b) des Vertrages der Europäischen Union (in der Fassung des Vertrages von Amsterdam) seien im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten. Ebenso alle Beschränkungen des Zahlungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie den Mitgliedstaaten und dritten Ländern. Es könne kein Zweifel daran bestehen, dass für Österreich ab dem 1. 1. 1995 das unmittelbar wirkende Gemeinschaftsrecht Vorrang gegenüber nationalem Recht habe. Das bedeute, dass Gemeinschaftsrecht Vorrang vor entgegenstehenden Gesetzen der Mitgliedstaaten habe. Trotzdem sei nicht davon auszugehen, dass im Wege des Art 56 EGV deutsche Gesetze in Österreich unmittelbar Anwendung finden könnten. Von der nicht unmittelbaren Anwendbarkeit des dKAGG in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sei offenbar auch der deutsche Gesetzgeber ausgegangen, wenn er in § 31 Abs 4 leg cit normiert habe, dass die Wirksamkeit der Verfügungsbeschränkung in anderer geeigneter Form sicherzustellen sei, wenn bei ausländischen Grundstücken die Eintragung der Verfügungsbeschränkung in ein Grundbuch oder ein vergleichbares Register nicht möglich sei. Dass mit "ausländischen Grundstücken" nur solche in anderen Ländern der Europäischen Union und Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum gemeint seien, gehe aus § 27 Abs 1 dKAGG hervor. Da die österreichischen Rechtsinstitute der Liegenschaftseigentümerin uneingeschränkt zur Verfügung stünden, könne von einer Beschränkung des Kapitalverkehrs im Sinne des Art 56 EGV keine Rede sein. Die O-KAG habe auch - wie aus der Grundbuchsabschrift hervorgehe - einen Beschluss über die Rangordnung für die Veräußerung zu TZ 9065/2001 erwirkt.

Die Rekurswerberin habe angeregt, das Rekursgericht möge zur Auslegung von Art 56 EGV ein Vorabentscheidungsverfahren einleiten. Die Möglichkeit zu einer solchen "Anregung" stehe den Parteien - im Gegensatz zum Antrag - zu. Das Rekursgericht sehe jedoch alleine schon auf Grund der Tatsache, dass dem Rekurs mangels Vorliegen einer Bescheinigung der Bankaufsichtsbehörde im Sinne des § 31 Abs 5 dKAGG nicht Folge zu geben gewesen sei, keine Veranlassung, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften eine Frage zu Art 56 EGV in Zusammenhang mit dem deutschen Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften vorzulegen.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen gewesen, weil zur Frage der Anmerkung der Verfügungsbeschränkung im Sinne des § 31 Abs 2 Satz 1 dKAGG keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bestehe.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass dem Grundbuchsgesuch der O-KAG (Liegenschaftseigentümerin) stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Das Rechtsmittel enthält auch die Anregung, der Oberste Gerichtshof möge dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im gegebenen Zusammenhang eine Auslegungsfrage zu Art 56 EGV zur Vorabentscheidung vorlegen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass der Antrag auf Eintragung einer Anmerkung im Grundbuch - entgegen der aktenwidrigen Darstellung in den Rechtsmittelgründen und im Rechtsmittelantrag - nicht von der Liegenschaftseigentümerin (Kapitalanlagegesellschaft), sondern von der Rechtsmittelwerberin (Depotbank) gestellt wurde. Schon aus diesem Grund ist - wie die folgenden Ausführungen zeigen werden - für die Rechtsmittelwerberin selbst dann nichts zu gewinnen, wenn man ihre Ansicht teilen wollte, § 31 des deutschen Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (dKAGG) sei - aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen - als "anderes Gesetz" im Sinne des § 20 lit b GBG zu verstehen.

Die ersten fünf Absätze des § 31 dKAGG lauten:

(1) Mit der laufenden Überwachung des Bestands an Grundstücken, der Verwahrung der zum Sondervermögen gehörenden Geldbeträge und Wertpapiere und mit der Ausgabe und Rücknahme von Anteilscheinen hat die Kapitalanlagegesellschaft ein anderes Kreditinstitut (Depotbank) zu beauftragen.

(2) Die Kapitalanlagegesellschaft darf nur mit Zustimmung der Depotbank über zum Grundstücks-Sondervermögen gehörende Gegenstände nach § 27 Abs 1 und 2 verfügen. Eine Verfügung ohne die Zustimmung der Depotbank ist gegenüber den Anteilinhabern unwirksam. Die Vorschriften zu Gunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, finden entsprechende Anwendung.

(3) Die Depotbank muss einer Verfügung zustimmen, die mit den Vorschriften dieses Gesetzes und den Vertragsbedingungen vereinbar ist. Stimmt sie zu, obwohl dies nicht der Fall ist, berührt dies die Wirksamkeit der Verfügung nicht.

(4) Die Kapitalanlagegesellschaft hat dafür zu sorgen, dass die Verfügungsbeschränkung nach Abs 2 Satz 1 in das Grundbuch eingetragen wird. Die Depotbank hat die Einhaltung dieser Vorschriften zu überwachen. Ist bei ausländischen Grundstücken die Eintragung der Verfügungsbeschränkung in ein Grundbuch oder ein vergleichbares Register nicht möglich, so ist die Wirksamkeit der Verfügungsbeschränkung in anderer geeigneter Form sicherzustellen.

(5) Die Bestellung der Depotbank kann gegenüber dem Grundbuchamt durch eine Bescheinigung der Bankaufsichtsbehörde nachgewiesen werden, aus der sich ergibt, dass die Bankaufsichtsbehörde die Auswahl dieses Kreditinstitutes als Depotbank genehmigt hat und von ihrem Recht nicht Gebrauch gemacht hat, der Kapitalanlagegesellschaft einen Wechsel der Depotbank aufzuerlegen.

Aus § 31 Abs 4 Satz 1 dKAGG ergibt sich also, dass die Kapitalanlagegesellschaft selbst für die Eintragung der Verfügungsbeschränkung nach Abs 2 Satz 1 in das Grundbuch zu sorgen hat. Der Depotbank kommt lediglich eine Überwachungsfunktion zu. Dieses Modell entspricht auch der Regelung in den - von der Rechtsmittelwerberin als im österreichischen Recht vergleichbar zitierten - Art 2 und 5 Hypothekenbank EV (abgedruckt in MGA

Grundbuchsrecht4 § 94 GBG Anm 10n S 289; vgl hiezu 5 Ob 1/78 = EvBl

1978/124; 5 Ob 101, 102/92 = SZ 65/110; 5 Ob 14/99s = NZ 2001/492

[GBSlg]; LG Innsbruck RPflSlgG 1983). Der Antrag auf Eintragung des Kautionsbandes ist danach von der Hypothekenbank zu stellen, der Treuhänder hat dies (nur) zu überwachen und ist von der Eintragung des Kautionsbandes (nur) zu benachrichtigen. Auch die von der Rechtsmittelwerberin ebenfalls zitierten §§ 17 und 21 Versicherungsaufsichtsgesetz (abgedruckt aaO Anm 10m S 288; nunmehr:

§§ 20 ff VAG idgF; vgl LGZ Wien RPflSlgG 1899) sahen kein Antragsrecht der Versicherungsaufsichtsbehörde (für die Anmerkung der Kautionswidmung) oder des Treuhänders (für die Anmerkung der Deckungsstockwidmung) vor.

Der erkennende Senat vertritt somit auch für die Antragstellung gemäß § 31 Abs 4 Satz 1 iVm Abs 2 Satz 1 dKAGG - die Zulässigkeit einer entsprechenden Anmerkung im österreichischen Grundbuch unterstellt - die Auffassung, dass die Kapitalanlagegesellschaft (Liegenschaftseigentümerin) und nicht die Depotbank (Rechtsmittelwerberin) legitimiert wäre. Im Hinblick auf die besondere Konstellation im Verhältnis zwischen dem dinglich berechtigten Anlageinstitut und einer bloßen Überwachungseinrichtung kann hier der allgemeine Grundsatz, dass in Grundbuchssachen sowohl der durch die beantragte Eintragung Berechtigte als auch der hiedurch Verpflichtete (zB Käufer und Verkäufer oder Hypothekargläubiger und Liegenschaftseigentümer) zum Einschreiten befugt sind (vgl RIS-Justiz RS0006730, RS0060971; Feil, Grundbuchsgesetz3 § 77 Rz 1 mwN) nicht zum Tragen kommen.

Da die Antragstellerin selbst bei Heranziehung des § 31 dKAGG nicht antragslegitimiert wäre, kann es auf sich beruhen, ob die begehrte Anmerkung im österreichischen Grundbuch überhaupt zulässig ist. Auch die angeregte Befassung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ist damit entbehrlich. Ein Anwendungsfall des § 95 Abs 3 GBG liegt nicht vor, weil eine Wiederholung des Grundbuchsantrages durch die Antragstellerin nicht in Betracht kommt (vgl RIS-Justiz RS0060544). Aus verfahrensökonomischen Gründen wird lediglich bemerkt, dass für die Eintragung einer derartigen Verfügungsbeschränkung die Mitwirkung der Überwachungseinrichtung (hier: Depotbank) entbehrlich wäre (vgl SZ 65/110; LG Innsbruck RPflSlgG 1983).

Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen.

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