Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Am 20. 4. 1997 ereignete sich auf der A 21 ein Verkehrsunfall, an welchem der PKW des Erstklägers beteiligt war. Dieser begehrt S
69.850 als Sachschadenersatz; die Zweitklägerin S 60.000 an Schmerzengeld. Das Fahrzeug des Erstklägers sei wegen grob fahrlässiger Unterlassung der Schneeräumung ins Schleudern geraten, an die Mittelleitschiene gestoßen und mit anderen Fahrzeugen kollidiert. Bei diesem Unfall sei die Zweitklägerin verletzt worden.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie sei nicht passiv legitimiert, weil nach § 2 Abs 1 ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997 der Bundesminister für Finanzen der Autobahnen- und Schnellstraßen Finanzierungs-AG (ASFINAG) das Recht der Fruchtnießung unter anderem an den bestehenden und künftig zu errichtenden Bundesstraßen A (Bundesautobahnen) durch einen mit der ASFINAG abzuschließenden Vertrag mit Wirksamkeit vom 1. 1. 1997 übertragen habe. Seit diesem Zeitpunkt trage die beklagte Partei weder die Kosten für die Errichtung und Erhaltung der betroffenen Straßen noch könne sie über diese verfügen. Diese Aufgaben würden durch die ASFINAG im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung besorgt, weshalb sie als Wegehalter im Sinn des § 1319a ABGB anzusehen sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es stellte fest, dass die beklagte Partei am 23. 6. 1997 bzw 25. 7. 1997 mit der Autobahnen und Schnellstraßen Finanzierungs-Aktiengesellschaft einen Fruchtgenussvertrag über die im Bundesstraßengesetz 1971 definierten Straßenzüge abgeschlossen habe und erörterte - zusammengefasst - rechtlich, dass das Klagebegehren auf die Wegehalterhaftung nach § 1319a ABGB gestützt worden sei. Wegehalter sei derjenige, der die Kosten der Errichtung und Erhaltung des Weges trage und die Verfügungsmacht darüber habe. Nach Art I § 2 des Infrastruktur-Finanzierungsgesetzes 1997 habe der Bundesminister für Finanzen der ASFINAG der Recht der Fruchtnießung unter anderem auch an der A 21 mit Wirksamkeit zum 1. 1. 1997 einzuräumen. Da das Infrastruktur-Finanzierungsgesetz nach Art I § 14 am 1. 1. 1997 in Kraft getreten sei, folge, dass die ASFINAG bereits ab diesem Zeitpunkt als Fruchtnießer und somit als Wegehalter anzusehen sei, weshalb nur diese, nicht aber die beklagte Partei, passiv legitimiert sei.
Das von den Klägern angerufene Berufungsgericht hob dieses Urteil zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung auf und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Nach § 1319a ABGB hafte für den Ersatz des Schadens, der durch den mangelhaften Zustand eines Weges entstanden sei, derjenige, der für den ordnungsgemäßen Zustand des Weges als Halter verantwortlich sei, sofern er oder einer seiner Leute den Mangel vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldet habe. Halter eines Weges sei der, der die Kosten für die Errichtung und Erhaltung des Weges trage und die Verfügungsmacht habe, die entsprechenden Maßnahmen zu setzen. Das Eigentum am Weg sei kein Essentiale der Haltereigenschaft. Die beklagte Partei sei Eigentümerin der gegenständlichen Autobahn. Die Herstellung und Instandhaltung der Bundesstraßen falle in den Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes; Bau und die Erhaltung von Bundesstraßen erfolge grundsätzlich aus Bundesmitteln. Das Infrastruktur-Finanzierungsgesetz 1997 (ASFINAG-Ermächtigungsgesetz) sehe in seinem Art I § 2 vor, dass der Bundesminister für Finanzen der ASFINAG das Recht der Fruchtnießung unter anderem an den bestehenden Bundesstraßen A (Bundesautobahnen), soweit für deren Benützung eine Maut und/oder Benützungsgebühr einzuheben sei, durch einen mit der ASFINAG abzuschließenden Vertrag mit Wirksamkeit zum 1. 1. 1997 zu übertragen habe. Zu den Bundesautobahnen gehöre auch die hier klagsgegenständliche Autobahn. Nach Art I § 4 leg cit gingen ab Inkrafttreten des Fruchtgenussvertrages alle Rechte und Pflichten des Bundes betreffend die Österreichische Autobahnen- und Schnellstraßen AG und Alpenstraßen AG auf die ASFINAG über. Nach § 9 leg cit habe der Fruchtgenussvertrag vorzusehen, dass die ASFINAG auch die Verpflichtung des Bundes nach den §§ 7 und 7a des Bundesstraßengesetzes 1971, die unter § 2 bezeichneten Straßen zu planen, zu bauen und zu erhalten, übernehme und den Bund diesbezüglich schad- und klaglos halte. Dieses Gesetz (BGBl Nr 113/97, ausgegeben am 11. 9. 1997) sei nach Art I § 14 rückwirkend mit 1. 1. 1997 in Kraft getreten. Zum Unfallszeitpunkt (20. 4. 1997) sei die beklagte Partei Eigentümerin der klagegegenständlichen Autobahn gewesen und habe die Kosten der Errichtung und Erhaltung zu tragen gehabt. Dass zu jenem Zeitpunkt die Erhaltungskosten von einem Dritten getragen worden wären, sei nicht vorgebracht worden. Die beklagte Partei habe auch die Verfügungsmacht gehabt, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Dies dokumentiere sich im Abschluss des Fruchtgenussvertrages vom 23. 6. bzw 25.7. 1997, in welchem unter anderem die Erhaltungspflicht der ASFINAG übertragen worden sei. Die beklagte Partei habe nach dem Zeitpunkt des Unfalls einen Fruchtgenussvertrag geschlossen, in welchem unter anderem vereinbart worden sei, dass die Erhaltungspflichten rückwirkend ab 1. 1. 1997 der ASFINAG übertragen würden. Diese sei zum Unfallszeitpunkt weder verpflichtet noch befugt gewesen, Erhaltungsmaßnahmen an der Autobahn vorzunehmen. Die vereinbarte Rückwirkung könne hinsichtlich der mit Wirkung vom 1. 1. 1997 übergehenden Erhaltungspflicht nur bedeuten, dass die ASFINAG der beklagten Partei die Kosten der von dieser 1997 bereits getätigten Erhaltungsmaßnahmen ersetze und möglicherweise dieser auf Grund der Missachtung von Erhaltungspflichten aus dem Jahr 1997 künftig auferlegte Schadenersatzzahlungen refundiere, die beklagte Partei also "schad- und klaglos" halte. Die beklagte Partei könne sich auch nicht darauf berufen, ihre Wegehalterpflichten der ASFINAG mit Vereinbarung vom Juli 1997 übertragen zu haben, weil evident sei, dass diese nicht sozusagen rückwirkend faktische Wegbetreuungspflichten übernehmen könne.
Da noch weitere Feststellungen zum Unfallshergang erforderlich seien, sei das angefochtene Urteil aufzuheben.
Der Rekurs sei zulässig, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die Wegehalterpflichten im Sinn des § 1319a ABGB durch eine vertragliche Vereinbarung, deren Rückwirkung gesetzlich einfach angeordnet worden sei, übertragen werden könnten. Diese Frage sei in der Rechtsprechung der zweiten Instanzen unterschiedlich gelöst worden.
Der Rekurs der beklagten Partei ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die beklagte Partei gesteht in ihrem Rechtsmittel zu, dass sie zum Unfallszeitpunkt (20. 4. 1997) noch als Straßenerhalter im Sinn des § 1319a ABGB anzusehen gewesen sei. Diese Rechtszuständigkeit habe sich durch die erfolgte Kundmachung des ASFINAG-Ermächtigungsgesetzes iVm dem geschlossenen Fruchtgenussvertrag geändert. Nach dem Willen des Gesetzgebers hätten unter anderem auch Ansprüche nach § 1319a ABGB von der ASFINAG ab 1. 1. 1997 getragen werden sollen. Jedenfalls zum Zeitpunkt der Klageerhebung hätte klar sein müssen, wen der Gesetzgeber als Straßenhalter von Autobahnen bestimmen wollte, weshalb dies den Klägern bei Klageeinbringung (13. 4. 2000) bewusst gewesen sein musste. Die beklagte Partei sei (jedenfalls zum Zeitpunkt der Klageerhebung) nicht passiv legitimiert.
Die vom Berufungsgericht vorgenommene rechtliche Beurteilung wird vom Obersten Gerichtshof geteilt. Es genügt zunächst, auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Ob zum Zeitpunkt der Klageeinbringung die beklagte Partei nicht mehr als Straßenerhalter anzusehen war, muss hier nicht geprüft werden. Maßgebend ist nämlich, dass die beklagte Partei zum Unfallszeitpunkt - wie auch von ihr zugestanden - als Straßenerhalter der A 21 anzusehen war, weil sie Eigentümerin war, die Kosten der Errichtung nach den §§ 7 - 7a BStG 1971 getragen hatte und auch unbestritten erhalten hatte. Sie musste auch Verfügungsmacht über die A 21 gehabt haben, weil sie sonst nicht den Fruchtgenussvertrag vom 23. 6. bzw 25. 7. 1997 mit der ASFINAG schließen hätte können, in welchem unter anderem auch die Erhaltungspflicht vereinbart wurde.
Dass das am 11. 9. 1997 kundgemachte Infrastruktur-Finanzierungsgesetz (BGBl I 113/1997) den Abschluss eines rückwirkenden Fruchtgenussvertrages mit Wirksamkeit per 1. 1. 1997 vorsah, bedeutet aber nicht, dass damit auch die Wegehaltereigenschaft der beklagten Partei - rückwirkend - der ASFINAG übertragen wurde, weil diese zum Unfallszeitpunkt (20. 4. 1997) weder befugt noch verpflichtet war, Erhaltungsmaßnahmen an der A 21 vorzunehmen. Die Bestimmung Punkt III (6) Fruchtgenussvertrag, wonach die Verpflichtungen des Bundes, die im Bundesstraßengesetz 1971 bezeichneten Strecken zu bauen und zu erhalten, mit Wirksamkeit vom 1. 1. 1997 auf die ASFINAG überging und die ASFINAG den Bund bezüglich der angeführten Verpflichtungen vollkommen schad- und klaglos zu halten hat, kann daher - wie bereits vom Berufungsgericht vorgenommen - nur dahingehend ausgelegt werden, dass die ASFINAG der beklagten Partei die Kosten der von dieser 1997 bereits getätigten Erhaltungsmaßnahmen ersetzt bzw sie insoweit schad- und klaglos hält, als sie aus einer bestehenden Wegehalterhaftung in Anspruch genommen wurde. Dass dadurch die Wegehalterhaftung rückwirkend in dem Sinne der ASFINAG übertragen worden wäre, dass diese für den Zeitraum 1. 1. 1997 bis 11. 9. 1997 direkt als Wegehalter in Anspruch genommen werden könnte, kann weder dem Infrastruktur-Finanzierungsgesetz noch dem Fruchtgenussvertrag entnommen werden.
Damit ist die beklagte Partei für die aus dem Unfall vom 20. 4. 1997 abgeleiteten Ansprüche als Wegehalter passiv legitimiert.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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