OGH 8ObS154/01g

OGH8ObS154/01g29.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter MR Mag. Dr. Martha Seböck und Mag. Christa Marischka als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Georg W*****, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Bundessozialamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Außenstelle St. Pölten, 3100 St. Pölten, Grenzstraße 11/3, nunmehr: IAF-Service GmbH, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen S 39.530,-- netto sA Insolvenz-Ausfallgeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. März 2001, GZ 10 Rs 69/01t-10, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgericht vom 17. Oktober 2000, GZ 15 Cgs 49/00y-6, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1. 3. 1998 bis 15. 12. 1998 und vom 8. 3. 1999 bis 30. 6. 1999 als Angestellter bei der späteren Gemeinschuldnerin, über die am 27. 10. 1999 der Konkurs eröffnet wurde, beschäftigt. Außer Streit steht, dass es sich bei den Arbeitsverhältnissen des Klägers zur späteren Gemeinschuldnerin um getrennte Arbeitsverhältnisse gehandelt hat (und nicht nur das Arbeitsverhältnis ausgesetzt worden war).

Der Kläger begehrt den Zuspruch von Insolvenz-Ausfallgeld für Gehalt vom 1. 11. 1998 bis 15. 12. 1998 sowie für anteilige Sonderzahlungen für den Zeitraum vom 1. 3. 1998 bis 15. 12. 1998 zuzüglich der gesetzlichen Zinsen in der Gesamthöhe von S 39.530,-- netto sA. Er bringt zusammengefasst vor, dass auch die Ansprüche aus dem ersten Dienstverhältnis gemäß § 3a Abs 1 erster Satz IESG gesichert wären, da sie innerhalb der 6-Monatsfrist vor Beendigung dieses (ersten) Arbeitsverhältnis liegen würden.

Die beklagte Partei beantragte kostenpflichtige Klagsabweisung und wandte ein, dass § 3a Abs 1 IESG nach der Intention des Gesetzgebers so zu verstehen sei, dass damit nur das letzte Arbeitsverhältnis vor der Insolvenz gemeint sei, anderenfalls sich hinsichtlich jener Dienstnehmer, welche durchgehend beschäftigt gewesen wären, eine Schlechterstellung ergeben würde. Darüber hinaus habe der Kläger trotz der offenen Gehälter und Sonderzahlungen wieder für die spätere Gemeinschuldnerin zu arbeiten begonnen, sodass dieses Verhalten einem sogenannten Fremdvergleich nicht standhalte, weswegen sogar sämtliche Ansprüche abzuweisen gewesen wären.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren - im Wesentlichen den Argumenten der beklagten Partei folgend - ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die Revision zu, weil zur Frage, ob sich die Frist von sechs Monaten nach § 3a Abs 1 IESG nur auf das letzte Arbeitsverhältnis beziehe, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Klagstattgebung.

Die beklagte Partei beantragt der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass auf den vorliegenden Fall § 3a Abs 1 IESG in der Fassung BGBl I 1999/73, welcher mit 1. 5. 1999 in Kraft getreten ist und für Fälle der Insolvenzeröffnung nach dem 1. 5. 1999 gilt, zur Anwendung gelangt (§ 17a Abs 16 IESG).

§ 3a Abs 1 in der hier anwendbaren Fassung lautet in seinem hier wesentlichen Teil:

"Insolvenz-Ausfallgeld gebührt für das dem Arbeitnehmer für die regelmäßige Arbeitsleitung in der Normalarbeitszeit gebührende Entgelt einschließlich der gebührenden Sonderzahlungen, das vor mehr als sechs Monaten vor dem Stichtag (§ 3 Abs 1) bzw, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag geendet hat, vor mehr als sechs Monaten vor dessen arbeitsrechtlichen Ende fällig geworden ist, nur dann, wenn dieses bis zum Stichtag im Verfahren in Arbeitsrechtssachen nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz zulässigerweise geltend gemacht wurde ...".

Grund für den - bis zur Nov BGBl I 1999/73 fehlenden - Einschub "oder, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag geendet hat, in den letzten sechs Monaten vor dessen arbeitsrechtlichen Ende fällig geworden ist" war nach den Gesetzesmaterialien (RV 1589 BlgNR 19. GP, 20), dass die Praxis gezeigt habe, dass es Fälle gäbe, wo beispielsweise der Arbeitnehmer wegen der Entgeltrückstände berechtigt vorzeitig ausgetreten sei, mit dem Arbeitgeber diesbezüglich eine Ratenvereinbarung geschlossen, dieser eine Zeitlang die vereinbarten Raten entrichtet habe, dann aber im Hinblick auf seine schlechter werdende wirtschaftschaftliche Situation hiezu nicht mehr in der Lage sei; die Fälligkeit der noch ausstehenden Ansprüche sei - bezogen auf dem Zeitpunkt der zB Konkurseröffnung - vor mehr als sechs Monaten eingetreten. Um zu verhindern, dass für solche Ansprüche kein Insolvenz-Ausfallgeld gebühre, solle die Bestimmung dahingehend klargestellt werden, dass der Sechs-Monats-Zeitraum dann vom Zeitpunkt des Endes des Arbeitsverhältnisses zu berechnen sei, wenn dieses vor Konkurseröffnung beendet worden sei.

Hieraus erhellt eindeutig, dass der Gesetzgeber nur die Sicherung des letzten Arbeitsverhältnisses zum selben Arbeitgeber im Auge hatte, war doch dem Gesetzgeber die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu atypischen Arbeitsverhältnissen bekannt und durfte er davon ausgehen, dass der Oberste Gerichtshof ein neuerliches Eingehen eines Arbeitsverhältnisses zum selben Arbeitgeber trotz erheblicher Entgeltrückstände aus dem ersten Arbeitsverhältnis als atypisches und daher überhaupt nicht gesichertes Arbeitsverhältnis ansehen würde, weil versichertes Risiko im Kernbereich nur die von den Arbeitnehmern typischerweise nicht selbst abwendbare und absicherbare Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Verlustes ihrer Entgeltansprüche ist, auf die diese typischerweise zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhaltes sowie des Lebensunterhaltes ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen angewiesen sind (SZ 64/124 uva). Ein Verhalten wie das vorliegende hielte nach dieser Rechtsprechung einem "Fremdvergleich" nicht statt; ein typischer Arbeitnehmer, nämlich ein solcher, der zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts sowie Lebensunterhalts seiner unterhaltsberichtigten Angehörigen auf sein Entgelt angewiesen wäre, hätte unter solchen Umständen (nämlich erhebliche Entgeltrückstände aus dem bereits beendeten Dienstverhältnis) nicht wiederum ein Dienstverhältnis zu demselben Dienstgeber eingegangen.

Zutreffend ging das Berufungsgericht davon aus, dass die vom Revisionswerber gewünschte Auslegung für jene Dienstnehmer, welche durchgehend beschäftigt sind, eine Schlechterstellung bedeuten würde. Ohne gerichtliche Geltendmachung wären nur ihre laufenden Entgeltansprüche für den Zeitraum sechs Monate vor dem Stichtag gesichert, während bei Berücksichtigung aneinander gereihter Arbeitsverhältnisse im Sinn der vom Revisionswerber gewünschten Auslegung es zu einer mehrfachen sechsmonatigen Sicherung kommen könnte.

Zum Einwand des Revisionswerbers, dass - folgte man der Auslegung des Berufungsgerichts - es zB dann, wenn ein Arbeitnehmer, dem der Arbeitgeber noch Entgelt schulde, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein neues, kurzfristiges Arbeitsverhältnis für einige wenige Tage (etwa für Aushilfsarbeiten oder für Fertigstellungsarbeiten) einginge, nur mehr das geringfügige Entgelt aus dem zweiten Arbeitsverhältnis gesichert sei, dass er aber durch die Begründung des neuen Arbeitsverhältnisses der Sicherung der Ansprüche aus dem vorangegangenen Arbeitsverhältnis verlustig ginge, was noch "wesentlich unbilliger" sei, ist zu entgegnen: Eine solche Auslegung könnte nur dann erwogen werden, wenn es sich um Ansprüche auf Insolvenz-Ausfallgeld aus mehreren Arbeitsverhältnissen zum selben Arbeitgeber, handelt, die in den letzten sechs Monaten vor dem arbeitsrechtlichen Ende des letzten Arbeitsverhältnis fällig geworden sind. Diese Frage kann hier aber dahingestellt bleiben, weil ein solcher Fall nicht vorliegt: Der Kläger macht Ansprüche aus mehr als sechs Monate vor Beendigung seines letzten Arbeitsverhältnisses (30. 6. 1999) liegenden Beschätigungszeiten zu der späteren Gemeinschuldnerin geltend (Gehalt von 1. 11. bis 15. 12. 1998 und anteilige Sonderzahlungen vom 1. 3. 1998 bis 15. 12. 1998), die - auch bei großzügigster Auslegung zur Vermeidung von "Unbilligkeiten" im eben aufgezeigten Sinn - jedenfalls nicht mehr berücksichtigt werden könnten.

Es hat daher bei der Abweisung des Klagebegehrens zu bleiben, ohne dass auf die Rechtsprechung zum "atypischen Arbeitsverhältnis" und dem damit verbundenen gänzlichen Anspruchsverlust eingegangen werden müsste.

Die Kostenentscheidung beruht auf den § 77 ASGG iVm §§ 40, 50 ZPO. Für einen Billigkeitszuspruch lag kein Grund vor, weil der Kläger schon nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum "atypischen Arbeitsverhältnis" davon hätte ausgehen müssen, dass ihm kein Insolvenz-Ausfallgeld wegen Entgeltrückständen aus einem früheren Arbeitsverhältnis zum selben Dienstgeber zu gesprochen werden würde.

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