OGH 14Os161/01

OGH14Os161/0127.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. November 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pripfl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Steve O***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 (zweiter, dritter und vierter Fall), Abs 3 (erster Fall) und Abs 4 Z 2 SMG und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 29 Ur 1.111/01g des Landesgerichtes Salzburg, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Bernd S***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom 11. Oktober 2001, AZ 9 Bs 278, 282/01 (= ON 347), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Bernd S***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Über Bernd S*****, gegen den am 5. September 2001 antragsgemäß (S 1d der ON 1) wegen "§§ 28 Abs 2 und 3 SMG und 12 StGB" die Voruntersuchung eingeleitet worden war (S 239/I), wurde am selben Tag aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO die Untersuchungshaft verhängt (ON 25).

Darnach steht er im dringenden Verdacht, gewerbsmäßig im April 2001 Oliver E***** 25.000 S zum Ankauf von Ecstasy-Tabletten in den Niederlanden übergeben zu haben, worauf E***** tatplangemäß 4.000 Stück von dort in das Inland einführte und nach Lagerung in den Räumlichkeiten des Beschwerdeführers im Inland durch Verkauf in Verkehr setzte, sowie den daraus lukrierten Gewinn im Juni 2001 abermals E***** zur Verfügung gestellt zu haben, der gleichartig 5.000 Stück Ecstasy-Tabletten importierte und in Österreich verkaufte.

In der Haftverhandlung vom 5. Oktober 2001 wurde die Untersuchungshaft unter Anwendung gelinderer Mittel, nämlich der Weisungen, an seinem Wohnsitz Aufenthalt zu nehmen, sich wöchentlich einmal bei der Gendarmerie zu melden, einer Beschäftigung nachzugehen, sich des Genusses von Drogen zu enthalten, jeglichen Kontakt zur Drogenszene zu unterlassen und sich einer sozial-medizinischen Betreuung zu unterziehen sowie gegen Anordnung der vorläufigen Bewährungshilfe aufgehoben (ON 257), wogegen der Staatsanwalt - in Anwesenheit des Beschuldigten und seines Verteidigers - sogleich Beschwerde erhob (S 139/VIII).

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Linz der Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Enthaftungsbeschluss Folge und setzte die Untersuchungshaft aus dem genannten Haftgrund fort.

Demgemäß wurde der am 5. Oktober 2001 enthaftete Beschuldigte am 23. Oktober 2001 neuerlich festgenommen (ON 427).

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz gerichteten Grundrechtsbeschwerde zuwider ist diesem bei der Beurteilung des aktuellen Haftgrunds der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO kein Irrtum unterlaufen. Lässt doch das vom Beschwerdeführer vor der Gendarmerie plastisch einbekannte Motiv, das für die erste Schmuggelfahrt eingesetzte Kapital samt Gewinn in gleicher Höhe von insgesamt 40.000 bis 50.000 S bald danach in eine weitere Schmuggelfahrt zu investieren, um nun einen "Gewinn von ca 100.000 S einzustreifen" (S 201/I), wobei er zudem für eine (unverdächtige) Lagerung der Suchtmittel in seinen Geschäftsräumlichkeiten sorgte, ungeachtet seines bisher ordentlichen Lebenswandels befürchten, er werde insbesondere seine Kontakte zum in einen größeren Suchtgiftbeschaffungs- und Verteilerring eingebundenen Oliver E***** nützen, um neuerlich derartige strafbare Handlungen mit nicht bloß leichten (jene nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO tangierenden) Folgen (insbesondere auch in Bezug auf die Gesundheit des breitgestreuten Abnehmerkreises) zu begehen.

Bei dieser Sachlage hat das Oberlandesgericht aber auch zutreffend eine Substituierbarkeit der insgesamt etwas mehr als eineinhalb Monate währenden Haft durch gelindere Mittel ausgeschlossen. Der Hinweis des Beschuldigten auf seine angeblich geordnete finanzielle Situation verfängt nicht, liegt ihm doch zur Last, sich dennoch in Suchtgiftgeschäfte mit massiv gesteigertem Kapitaleinsatz und Gewinnaussichten eingelassen zu haben, ohne selbst, mag er auch bereits Suchtmittel konsumiert haben (Faktum I der ON 21), drogenabhängig zu sein und Geld für diesbezügliche Beschaffung zu benötigen. Den vom Erstgericht zur Anwendung gebrachten gelinderen Mitteln kommt mithin derzeit keine hinreichend prohibitive Wirkung zu.

Der Umstand, dass weder dem Untersuchungshäftling noch seinem Verteidiger die Beschwerde der Staatsanwaltschaft vor der Entscheidung des Oberlandesgerichtes zugestellt wurde, berührt nicht den in § 2 GRBG ausdrücklich genannten Art 5 EMRK und bewirkt daher - auch der diesbezüglich den Beschwerdeausführungen beitretenden Stellungnahme der Generalprokuratur zuwider - keinen relevanten Grundrechtseingriff (vgl 13 Os 107/96).

§ 182 Abs 4 StPO sieht eine Mitteilung der Beschwerde des Beschuldigten oder des Staatsanwaltes gegen die Entscheidung des Untersuchungsrichters über die Fortsetzung der Untersuchungshaft an den Gegner nicht vor.

Entgegen dem dem EGMR im Fall Toth gegen Österreich zur Entscheidung vorliegenden Fall (ÖJZ 1992 9a MRK, 242) beteiligte sich hier kein Vertreter der Oberstaatsanwaltschaft an der nichtöffentlichen Sitzung des Oberlandesgerichtes. Es liegt auch keine Äußerung zur Beschwerde von Seiten der Oberstaatsanwaltschaft vor.

Im hier in Rede stehenden Vorverfahren (vor dem Oberlandesgericht) wurde daher der Grundsatz des beiderseitigen Gehörs nicht verletzt.

Im Übrigen ist auch im Verfahren vor dem Erstgericht nicht vorgesehen, den - hier mit "fortgesetzte Taten über längeren Zeitraum, massiver Suchtgifthandel" begründeten - Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verhängung der Untersuchungshaft dem Beschuldigten mitzuteilen. Diesem stand zudem die Möglichkeit offen, sich durch seinen Verteidiger Einsicht in den beim Erstgericht vorliegenden Originalakt und damit Kenntnis vom Inhalt der in seiner Gegenwart erhobenen Beschwerde zu verschaffen und hiezu eine Stellungnahme abzugeben, auf welche das Oberlandesgericht gemäß § 114 Abs 2 StPO hätte Rücksicht nehmen können.

Letztlich ist das Haftrecht von der Möglichkeit des Beschuldigten geprägt, jederzeit einen neuerlichen Enthaftungsantrag zu stellen (vgl hier ON 464).

Bernd S***** wurde somit im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb seine Beschwerde ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

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