OGH 4Ob276/01v

OGH4Ob276/01v27.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T*****, vertreten durch Dr. Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Th*****, Republik Südafrika, vertreten druch Dr. Erwin Köll, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung (Streitwert 500.000 S), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 25. September 2001, GZ 2 R 186/01x-42, womit der Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 20. August 2001, GZ 5 Cg 180/98v-40, ersatzlos behoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Nach Ablauf der für die Erstattung einer schriftlichen Klagebeantwortung gesetzten Frist fällte das Erstgericht auf Antrag der Klägerin ein der Klage stattgebendes Versäumungsurteil (ON 25). Es ersuchte das Bundesministerium für Justiz um Veranlassung der Zustellung im Wege des österreichischen Generalkonsulats in Kapstadt an der in der Klage angegebenen Anschrift in Durban. Das Versäumungsurteil wurde vom Generalkonsulat in Kapstadt am 9. 1. 2000 zur Post gegeben, langte am 12. 1. 2000 beim zuständigen Postamt in Durban ein und wurde dort am 17. 1. 2001 von einer Person mit dem Namen "P. Thomas" in Empfang genommen. Der Empfänger versah die Zustellbestätigung mit einem Stampiglienabdruck der Beklagten. Am 22. 1. 2001 wurde die Postsendung an Claire Shirlie W*****, einer Angestellten der Zweigstelle der Beklagten in Durban, übergeben, die zur Vertretung der Beklagten nicht berechtigt ist. Sie veranlasste die Übermittlung der Postsendung an Andre K*****, den zur Vertretung berechtigten Finanzdirektor der Beklagten mit Sitz in Johannesburg, der das Versäumungsurteil schließlich am 24. 1. 2001 in Empfang nahm.

Am 7. 2. 2001 gab die Beklagte einen Widerspruch gegen das Versäumungsurteil verbunden mit einer Klagebeantwortung zur Post.

Das Erstgericht stellte die Bezeichnung der beklagten Partei - im Weiteren unbekämpft - richtig (Punkt 1) und wies den Widerspruch als verspätet zurück (Punkt 2). Das Versäumungsurteil sei am 17. 1. 2001 einem Vertreter der Beklagten (P. Thomas) ausgefolgt und damit wirksam zugestellt worden, der Widerspruch sei verspätet.

Das Rekursgericht hob die Zurückweisung des Widerspruchs ersatzlos auf und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil die Frage der Zulässigkeit der Ersatzzustellung von den Umständen des Einzelfalls abhänge und Rechtsfragen von allgemeiner Bedeutung nicht zu lösen seien. Nach der maßgeblichen Aktenlage bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass der für die Beklagte auftretende P. Thomas ein zur Empfangnahme befugter Vertreter der Beklagten im Sinn des § 13 Abs 3 ZustG gewesen wäre, sodass eine Ersatzzustellung an ihn nur dann zulässig und wirksam geworden wäre, wenn sich ein Vertreter der Beklagten im Sinn des § 13 Abs 3 ZustG regelmäßig an der Abgabestelle (dem Büro in Durban) aufgehalten hätte. Dafür bestehe nach der Aktenlage aber kein Anhaltspunkt, sodass es nicht angebracht sei, das Verfahren durch weitere Erhebungen in diese Richtung zu verzögern. Im Zweifel sei davon auszugehen, dass eine wirksame Zustellung erst am 24. 1. 2001 (Empfangnahme der Sendung durch Andre K*****) erfolgt und der Widerspruch somit rechtzeitig sei).

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, weil die Vorinstanzen ihrer amtswegigen Prüfungspflicht im Zusammenhang mit der Beurteilung der Rechtzeitigkeit eines Rechtsmittels nicht nachgekommen sind; er ist auch berechtigt.

Gemäß § 11 ZustG sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder - mangels derartiger Vereinbarungen - nach den Gesetzen des Zustellstaats oder der internationalen Übung entsprechend (erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden) vorzunehmen. Voraussetzungen und Wirksamkeit eines Zustellvorgangs im Ausland richten sich - mangels anderer zwischenstaatlicher Vereinbarungen - grundsätzlich nach dem Recht des ersuchten Staates, während die Wirkungen der erfolgten Zustellung (etwa der Beginn eines dadurch ausgelösten Fristenlaufs) nach österreichischem Recht zu beurteilen sind (ZfRV 1998/10; Gitschthaler in Rechberger, ZPO2 § 87 (§ 11 ZustG) Rz 2; Fasching II 631 f). Die Frage, ob der nach ausländischem Recht vorgenommene Zustellvorgang auch geeignet ist, in einem in Österreich anhängigen Verfahren Rechtswirkungen auszulösen, ist eine dem Prozessrecht zugehörige Frage und richtet sich demnach nach österreichischem Recht (siehe auch HG Wien WR 807; Gitschthaler aaO).

Die hier zu beurteilende Zustellung war an eine juristische Person mit Sitz in Südafrika vorzunehmen. Mangels zwischenstaatlicher Vereinbarungen mit diesem Staat verfügte das Erstgericht (der von Südafrika akzeptierten Übung entsprechend) die Zustellung im Wege der österreichischen Vertretungsbehörde. Das österreichische Generalkonsulat in Kapstadt veranlasste die Zustellung an die Beklagte an der in der Klage angeführten Adresse im Wege der Post des Empfangsstaats. Die amtswegigen Nachforschungen der Vorinstanzen ergaben, dass sich an der in der Klage bezeichneten Anschrift eine Geschäftsstelle der Beklagten befindet und das Versäumungsurteil dort von einer Person namens P. Thomas übernommen wurde, der den Zustellschein unterfertigte und mit einer Firmenstampiglie versah. Ungeklärt blieb, welche Funktion diese Person im Unternehmen der Beklagten innehatte. Die Zustellung des Versäumungsurteils an ihn konnte den Beginn der Widerspruchsfrist mit Wirkung für die Beklagte nur dann auslösen, wenn P. Thomas nach dem Recht des Empfangsstaates ein zur Empfangnahme befugter Vertreter (oder Ersatzempfänger) der Beklagten war (Gitschthaler in Rechberger ZPO2 § 87 (§ 4 ZustG) Rz 2 und § 87 (§ 13 ZustG) Rz 5).

Ob diese Voraussetzung vorliegt, blieb im Verfahren bisher ungeprüft. Die vorliegenden eidesstättigen Erklärungen beziehen sich auf andere Personen und nehmen auf P. Thomas nicht Bezug. Der Umstand, dass dieser über einen Firmenstempel verfügte, sagt noch nichts über seine Befugnisse zur Empfangnahme gerichtlicher Schriftstücke aus und begründet keinen Rechtsschein für den Bereich eines derartigen Zustellvorgangs.

Die amtswegige Prüfungspflicht im Zusammenhang mit der Beurteilung der Rechtzeitigkeit des von der Beklagten erhobenen Widerspruchs (Gitschthaler in Rechberger ZPO2 § 87 Rz 4) erfordert die Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen und die Zurückverweisung an das Erstgericht zur Durchführung ergänzender Erhebungen im aufgezeigten Sinn. Sollte nach Durchführung weiterer geeigneter Erhebungen noch Zweifel daran bestehen, ob P. Thomas zur Empfangnahme berechtigt war, wäre zugunsten der Beklagten anzunehmen, dass eine Heilung erst durch Zustellung des Versäumungsurteils an das Vorstandsmitglied K***** erfolgte und der Widerspruch somit rechtzeitig eingebracht wurde (7 Ob 180/98s; Gitschthaler § 16 Rz 13).

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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