OGH 14Os134/01

OGH14Os134/0127.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. November 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pripfl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gregor R***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 25. Juni 2001, GZ 25 Vr 906/00-104, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Gregor R***** wurde zweier Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (I), zweier Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (II/1 und 2/a), des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (II/2/b), zweier Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (III/1 und V), des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB (III/2) und des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB (IV) schuldig erkannt.

Darnach hat er

I. in L***** außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung des Beischlafes genötigt

1. am 19. Mai 1999 Natascha Le*****, indem er sich auf sie legte, sie festhielt und niederdrückte,

2. am 20. August 1999 Julia L*****, indem er ihr drohte: "Wenn du nicht die Gosch'n hältst, bringe ich dich um!", sie auf ein Bett stieß, an Armen und Händen festhielt und niederdrückte;

II. in L***** durch gefährliche Drohung genötigt, zu 2/b jedoch zu nötigen versucht, und zwar

1) Ende August oder Anfang September 1999 Julia L***** und Natascha Le*****, von einer Strafanzeige wegen Vergewaltigung abzusehen, indem er ihnen durch eine Geste zu verstehen gab, sie sonst zu erwürgen,

2. Ende Juni 2000 zur Unterlassung weiterer Äußerungen über die zu I/2 genannte Tat

a) Robert B***** durch die Bemerkung: "Wenn du nicht die Gosch'n haltest, drah` i di ham!"

b) Julia L***** durch die Bemerkung, sie solle die "Gosch'n halten", sonst würde er "sie heimdrehen", sie komme ohnedies "ins Heim";

III. Manfred H***** in A***** am Körper - zu 2) schwer - verletzt, und zwar

1. am 7. November 1999 durch einen Faustschlag, welcher einen Nasenbeinbruch und eine Rissquetschwunde an der Nase nach sich zog,

2. am 25. Juni 2000 durch einen Schlag mit einer Mineralwasserflasche, der eine offene Nasenbeinfraktur sowie Schnittwunden am Kopf und im Gesicht nach sich zog;

IV. am 27. Juni 2000 in L*****, indem er gegenüber Gendarmeriebeamten wissentlich falsch behauptete, Revierinspektor Franz G***** habe ihm im Zuge einer Amtshandlung durch Versetzen einer Ohrfeige eine Verletzung am Körper (§ 83 Abs 1 StGB) zugefügt, diesen der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt;

V. am 17. Februar 2001 in L***** Ercüment Ö***** durch einen Schlag mit einer Bierflasche, welcher Schnitt- und Rissquetschwunden im Gesichts- und Stirnbereich nach sich zog, am Körper verletzt.

Rechtliche Beurteilung

Die aus Z 3, 5, 5a und 9 lit a erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Der gegen den Ausschluss der Öffentlichkeit bei Abhörung der Zeugin Julia L***** gerichteten Verfahrensrüge (Z 3) zuwider bestand zu dieser Verfügung mit Blick auf den Gegenstand der in Aussicht genommenen (weiteren) Befragung gar wohl Veranlassung, betraf dieser doch just den Kernbereich der Intimsphäre der jungen Frau, sodass ihr die Beantwortung der gestellten Fragen "über weite Strecken nur unter Tränen möglich" war (vgl US 30).

Warum ungeachtet der Teilnahme einer Vertrauensperson des Angeklagten und seines Bewährungshelfers an der Vernehmung das Interesse der Öffentlichkeit den Schutz des persönlichen Lebens- und Geheimnisbereiches der minderjährigen Zeugin überwogen haben soll (§ 229 Abs 2 StPO), lässt die Beschwerde nicht erkennen. Sie übersieht zudem, dass bei Beurteilung einer auf § 228 Abs 1 StPO gegründeten Nichtigkeit auf den Zeitpunkt der Ausschlussverfügung, nicht aber darauf abzustellen ist, ob sich die Erwartung des Gerichtes durch die nachfolgenden Ereignisse bestätigt hat (vgl SSt 41/7). Aus Z 3 gleichermaßen unerheblich ist, ob die prozessleitende Verfügung des Gerichtshofes auf Ausschluss der Öffentlichkeit nach Umfrage oder geheimer Beratung zustande kam. Die Einhaltung der Förmlichkeit des § 229 Abs 1 dritter Satz StPO, den Beschluss samt Gründen zu verkünden und im Verhandlungsprotokoll zu beurkunden, ist ebenfalls nur aus Z 4 einer Überprüfung mit Nichtigkeitsbeschwerde zugänglich - (vorliegend unterlassene) Antragstellung vorausgesetzt.

Weshalb in ON 7 enthaltene Aktenvermerke einer Gendarmeriebeamtin nicht hätten verlesen werden dürfen und warum deren Einvernahme "zu Fragen der Glaubwürdigkeit der Zeugin L*****" infolge "Umgehung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes nicht zulässig" gewesen sein soll, verschweigt die Beschwerde und missachtet solcherart die aus § 285a Z 2 StPO erhellende Obliegenheit, insbesondere auch den Tatumstand, der den Nichtigkeitsgrund bilden soll, ausdrücklich oder doch durch deutliche Hinweisung anzuführen.

Indem sich die Mängelrüge in Hinsicht auf den Schuldspruch wegen Vergewaltigung der Julia L***** (I/2) nur gegen die Feststellung der ausgestoßenen Drohung, mithin bloß eine der als verwirklicht angesehenen Varianten dieses alternativen Mischdeliktes richtet, stellt sie keine entscheidende Tatsache in Frage. Ebensowenig zielführend ist der Versuch, aus dem von Dr. B***** erhobenen gynäkologischen Befund nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung andere als die von den Tatrichtern gezogenen Schlüsse abzuleiten.

Indem diese in der Ankündigung, B***** und L***** erforderlichenfalls "heimdrehen" zu wollen, keine Todesdrohung (§ 106 Abs 1 Z 1 StGB) erblickten, haben sie den zu II/2 thematisierten "Umgangston" des Angeklagten gar wohl in Rechnung gestellt. Der Versuch der Beschwerde, die Worte des Angeklagten beweiswürdigend zu relativieren, scheitert erneut an den gesetzlichen Voraussetzungen der Mängelrüge.

Vom Fehlen jeder Begründung (Z 5 vierter Fall) für die zu II/1 getroffenen Feststellungen kann keine Rede sein (vgl US 23 f). Aus den dazu angestellten Erwägungen (Schilderung des Vorfalls durch Julia L***** im Gegensatz zu bloß allgemein bekundeter Angst vor dem Angeklagten durch Natascha Le*****) geht eindeutig hervor, dass das Schöffengericht der Tatsache, dass Natascha Le***** über diesen Vorfall nichts zu berichten wusste, die geforderte Beachtung durchaus geschenkt hat. Das weitere Vorbringen zu dieser Tat erschöpft sich erneut in unzulässiger Kritik an der - übrigens ungemein sorgfältigen - Beweiswürdigung.

Indem die Entscheidungsgründe darauf verzichten, die Aussage des Patrick B***** zu referieren, scheidet Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall) insoweit aus. Im Übrigen verfällt die Beschwerde auch bei Bekämpfung des zu III/2 ergangenen Schuldspruchs in unbeachtliche Ablehnung der Beweiswürdigung, nicht anders als in Hinsicht auf jenen zu V.

Weder aus dem pauschalen Hinweis auf die Argumentation der Mängelrüge noch aus ergänzend angestellten Spekulationen über die Glaubwürdigkeit von Natascha Le***** und Julia L***** oder gar daraus, dass nicht zu I/1 und 2 "eine zumindest in Ansätzen gleiche Vorgangsweise beim Geschlechtsverkehr" stattgefunden hat, sind erhebliche Bedenken gegen die Feststellung entscheidender Tatsachen abzuleiten, sodass auch die zuweilen in unangebrachte Polemik abgleitende Tatsachenrüge versagt.

Indem schließlich die Rechtsrüge (Z 9 lit a), statt die zu I getroffenen Feststellungen mit dem darauf angewendeten Gesetz zu vergleichen, erneut bloß die Beweiswürdigung kritisiert, verfehlt sie die erforderliche Ausrichtung am Verfahrensrecht.

Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits in nicht öffentlicher Sitzung (§ 285d Abs 1 Z 1 und Z 2 StPO) hat die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Linz zur Entscheidung über die Berufung zur Folge (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet auf § 390a StPO.

Stichworte