OGH 9Ob268/01d

OGH9Ob268/01d14.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Christopher G*****, geboren 12. August 1988, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Mutter Anna G*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Vinatzer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8. August 2001, GZ 45 R 424/01p-36, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Gericht bis zur endgültigen Entscheidung nach § 176 ABGB vorläufige Maßnahmen treffen, wie beispielsweise die vorläufige Entziehung und Übertragung der Obsorge (Schwimann/Schwimann, ABGB2 I § 176 Rz 18 mwN). Daran hat sich durch das Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001 (KindRÄG 2001), BGBl I 2000/135, das nach Art XVIII § 1 Abs 1 mit 1. 7. 2001 in Kraft trat, nichts geändert (RV 296 BlgNR 21. GP 64). Diese Maßnahmen setzen grundsätzlich eine akute Gefährdung des - ausschließlich relevanten (RIS-Justiz RS0048632) - Kindeswohls voraus. Eine solche Gefährdung liegt vor, wenn die Obsorgepflichten objektiv nicht erfüllt oder subjektiv gröblich vernachlässigt worden sind, oder wenn die Obsorgepflichtige durch ihr Gesamtverhalten schutzwürdige Interessen des Minderjährigen ernstlich und konkret gefährdet (Schwimann aaO § 176 Rz 2 ff; EFSlg 75.144, 86.996 f, 87.000, 89.772 ua; RIS-Justiz RS0007035).

Im vorliegenden Fall wurde festgestellt, dass die Beziehung zwischen der obsorgepflichtigen Mutter und dem Minderjährigen vollkommen und zutiefst zerrüttet ist und die Mutter, nachdem sie den Minderjährigen bereits früher oftmals beschimpft und geschlagen hat, sich nunmehr diesem gegenüber nach einer Pause von rund 1 1/2 Jahren neuerlich zunehmend aggressiv verhält und massiv psychisch unter Druck setzt. Nach den letzten verbalen Attacken sah der Minderjährige schließlich keinen anderen Ausweg mehr, als das Amt für Jugend und Familie für den ***** Bezirk telefonisch um Hilfe zu bitten, das ihn daraufhin zunächst im Krisenzentrum ***** unterbrachte.

So wie auch eine endgültige Entscheidung nach § 176 Abs 1 ABGB weitgehend auf Ermessensausübung beruht, hängt die Erlassung einer vorläufigen Maßnahme nach dieser Gesetzesstelle gleichermaßen von den Umständen des Einzelfalles ab, der keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG zuerkannt werden kann, es sei denn, dass bei dieser Entscheidung das Wohl des Minderjährigen nicht ausreichend bedacht wurde (EFSlg 82.839 f; 10 Ob 355/99z; RIS-Justiz RS0007101 ua).

Dies ist nicht der Fall. In der Auffassung des Rekursgerichtes, dass die Übertragung der vorläufigen Obsorge auf den Stiefvater des Minderjährigen gerechtfertigt sei, ist eine im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung nicht zu erkennen. Die festgestellten Handlungen der Mutter sind geeignet, das Wohl des Minderjährigen akut und ernstlich zu gefährden, sodass sich die vom Erstgericht getroffene vorläufige Entscheidung im Einklang mit den oben dargelegten Grundsätzen befindet.

Die Revisionsrekurswerberin missversteht offenbar die Ausführungen des Rekursgerichtes. Insoweit dieses deponierte, dass die Maßnahme auch geeignet sei, die Situation des Minderjährigen zu stabilisieren und zu beruhigen, wollte es nur die Vorläufigkeit der Maßnahme unterstreichen und der Befürchtung, es würde dem endgültigen Ergebnis vorgegriffen, entgegenwirken. Die vorläufige Maßnahme entspricht dem Wunsch des Minderjährigen, der derzeit ein Zusammenleben mit der Mutter dezidiert ablehnt (AS 51). Auch die Mutter bekundete Bereitschaft, ihrem Sohn die nötige Zeit einzuräumen, um zu einer inneren Freiheit und einer möglichst realitätsnahen Sicht zu gelangen (AS 73). Zutreffend wies das Rekursgericht darauf hin, dass es vor der endgültigen Entscheidung der Obsorge noch einer weiteren sorgfältigen Prüfung bedarf. Grund für die vorläufige Übertragung der Obsorge auf den Stiefvater war entgegen den im Revisionsrekurs angestellten Überlegungen nicht die Gefährdung des Kindeswohls durch das Krisenzentrum *****, sondern durch die Mutter des Minderjährigen.

Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 14 Abs 1 AußStrG wurde von der Revisionsrekurswerberin nicht aufgezeigt.

Stichworte