OGH 10ObS348/01a

OGH10ObS348/01a13.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Waltraud Bauer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ulrike Legner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Alexander M*****, Student, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Schilcher, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Waisenpension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Mai 2001, GZ 10 Rs 106/01h-37, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 15. November 2000, GZ 33 Cgs 105/99v-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten wurde dem am 14. 9. 1978 geborenen Kläger nach dem Tod seines Vaters eine Waisenpension ab 1. 10. 1998 zuerkannt. Nach der Beendigung des Zivildienstes mit 30. 9. 1998 inskribierte der Kläger Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien. Das Wintersemester 1998/99 begann mit 1. 10. 1998 und endete am 31. 1. 1999. In diesem Semester legte der Kläger eine Prüfung im Fach Marketing ab. Die Frist zur ordentlichen Inskription für das Sommersemester 1999 lief vom 15. 2. 1999 bis 22. 3. 1999; die Frist zur Inskription mittels Zahlscheines endete schon am 12. 3. 1999. Der Kläger zahlte erst am 23. 3. 1999 per Zahlschein seinen ÖH-Beitrag ein und war daher im Sommersemester 1999 nicht als ordentlicher Hörer gemeldet.

Am 28. 2. 1999 hatte der Kläger einen Kreuzbandriss im linken Knie erlitten. Aufgrund dieser Verletzung und der darauffolgenden medizinischen Behandlung (Arthroskopie in beiden Kniegelenken) war der Kläger bis 20. 3. 1999 nicht in der Lage, die Lehrveranstaltungen zu besuchen. Danach war der Kläger eingeschränkt mobil; nach dem 20. 3. 1999 war dem Kläger das Bewältigen nicht allzu langer Gehstrecken möglich. Er besuchte einige Vorlesungen und Übungen, ließ davon aber wieder ab, weil er den Vorträgen aufgrund seines Versäumens von rund drei Semesterwochen nicht folgen konnte. Am 28. 5. 1999 musste sich der Kläger einem operativen Eingriff am linken Kniegelenk (Einsetzen einer Kreuzbandersatzplastik) unterziehen. Danach war dem Kläger das Aufsuchen der Universität wiederum für einen Zeitraum von 14 Tagen nicht möglich. Am 15. 7. 1999 wurde dem Kläger auch im rechten Kniegelenk eine Kreuzbandersatzplastik eingesetzt. Auch nach diesem Eingriff war der Kläger für zwei Wochen immobil. Der Kläger war somit für die Dauer von insgesamt rund fünf Wochen physisch nicht in der Lage, die Wirtschaftsuniversität Wien aufzusuchen. Ob und wann der Kläger der Beklagten diesen Umstand mitteilte, konnte nicht festgestellt werden.

Mit Bescheid vom 7. 7. 1999 entzog die beklagte Partei dem Kläger die Waisenpension mit Ablauf des Monats Jänner 1999 und forderte gleichzeitig einen entstandenen Überbezug von S 26.117,-- zurück.

Das Erstgericht wies im zweiten Rechtsgang ein Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. 2. 1999 bis 6. 9. 1999 eine Waisenpension zu gewähren, ab. Weiters sprach es die Verpflichtung des Klägers zum Rückersatz des entstandenen Überbezuges von S 26.117,-- binnen 14 Tagen an die beklagte Partei aus. Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus stellte das Erstgericht noch fest, dass der Kläger seit 6. 9. 1999 die Fachhochschule für Internationale Wirtschafts- und Unternehmensführung besucht und ihm seither von der beklagten Partei die Waisenpension wieder gewährt wird.

In rechtlicher Hinsicht verwies das Erstgericht auf die Bestimmung des § 252 Abs 2 Z 1 ASVG, wonach die Kindeseigenschaft auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres besteht, wenn und solange das Kind sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, die seine Arbeitskraft überwiegend beansprucht, längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres. Die Kindeseigenschaft von Kindern, die eine im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl Nr 305, genannte Einrichtung besuchen, verlängere sich jedoch nur dann, wenn sie ein ordentliches Studium ernsthaft und zielstrebig im Sinne des § 2 Abs 1 lit b des FamLAG 1967 betreiben. § 2 Abs 1 lit b des FamLAG sehe bei Eintritt einer vollständigen Studienbehinderung aufgrund eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes vor, wobei eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung um ein Semester bewirke. Das Gesetz stelle somit offensichtlich im Interesse einer leichteren Vollziehbarkeit rein schematisch auf eine Studienbehinderung von (mindestens) drei Monaten ab, welche im Falle des Klägers nicht vorliege. Eine Interpretation dieser Bestimmung dahingehend, dass vom Ausnahmetatbestand auch Studienbehinderungen erfasst sein sollen, die in rein faktischer Sicht zwar nicht volle drei Monate andauern, jedoch auch ernsthaft und zielstrebig Studierende vollständig am Nachweis des Studienerfolges hindern, finde im Wortlaut des § 2 Abs 1 lit b FamLAG keine Deckung. Das Rückforderungsbegehren der beklagten Partei bestehe gemäß § 107 Abs 1 ASVG zu Recht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Es erachtete die Mängel- und Tatsachenrüge als nicht berechtigt und schloss sich in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen der Rechtsansicht des Erstgerichtes an.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird in der dem Obersten Gerichtshof nach Verbesserung (Vervollständigung der offensichtlich unvollständigen Rechtsmittelschrift) vorgelegten Revision auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nach § 503 Z 2 ZPO liegt nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates können auch in Sozialrechtssachen (angebliche) Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens, die schon in der Berufung geltend gemacht, vom Berufungsgericht aber verneint wurden (hier: unterlassene Einvernahme des behandelnden Arztes), nicht mehr mit Erfolg in der Revision gerügt werden (SSV-NF 7/74 mwN). Im Übrigen betreffen die Fragen, ob einem Sachverständigengutachten gefolgt werden kann oder ob es allenfalls zu ergänzen ist, die nichtanfechtbare Beweiswürdigung (SSV-NF 7/12 ua).

Auch die Ausführungen in der Rechtsrüge sind nicht berechtigt.

Gemäß § 252 Abs 2 Z 1 ASVG in der hier bereits anzuwendenden Fassung des SRÄG 1992 (BGBl 1992/474) sowie des SRÄG 1996 (BGBl 1996/201) besteht die Kindeseigenschaft auch nach der Vollendung des 18. Lebensjahres, wenn und solange sich das Kind in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, die seine Arbeitskraft überwiegend beansprucht, längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres; die Kindeseigenschaft von Kindern, die eine im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl Nr 305, genannte Einrichtigung besuchen, verlängert sich nur dann, wenn sie ein ordentliches Studium ernsthaft und zielstrebig im Sinne des § 2 Abs 1 lit b des FamLAG 1967, BGBl Nr 376, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl Nr 311/1992, betreiben.

Nach dieser Bestimmung des § 2 Abs 1 lit b FamLAG 1967 idF BGBl 1992/311 wird das Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben, wenn im ersten Studienabschnitt nach jedem Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- oder Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von 8 Semesterwochenstunden nachgewiesen wird. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Die Erbringung des Studiennachweises ist Voraussetzung für den Anspruch ab dem zweiten und den folgenden Studienjahren des ersten Studienabschnittes. Der Nachweis ist erstmals zu Beginn des Studienjahres 1993/1994 und unabhängig von einem Wechsel der Studienrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Der Nachweiszeitraum wird durch eine vollständige Studienbehinderung infolge eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses (zB Krankheit) oder ein nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten bewirkt dabei eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes um ein Semester .......

Die Kindeseigenschaft iSd § 252 Abs 1 Z 1 ASVG und auch die Angehörigeneigenschaft nach § 123 Abs 4 Z 1 ASVG bestehen daher bei Studierenden nur dann, wenn ein ordentliches Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben wird. Während bezüglich des Nachweises des Studienerfolges für das erste Jahr der Nachweis der Aufnahme als ordentlicher Hörer (durch Übermittlung der entsprechenden Inskriptionsbestätigung an den Sozialversicherungsträger) genügt, muss ab dem zweiten Studienjahr bis zur Beendigung des ersten Studienabschnittes für das jeweils vorangehende Studienjahr ein Studienerfolg im Gesamtumfang von 8 Semesterstundenwochen nachgewiesen werden, wobei der Nachweiszeitraum durch eine sogenannte Studienbehinderung verlängert wird. Kann ein solcher Mindeststudienerfolg nicht nachgewiesen werden, wird die Waisenpension mangels ernsthaften und zielstrebigen Betriebes eines ordentlichen Studiums nicht weitergewährt (Standeker, Verlängerte Kindeseigenschaft und Waisenpension, ZAS 2001, 129 ff [132]). Nach Ansicht von Standeker aaO müsse jedoch in einem solchen Fall der zuvor bereits im ersten Studienjahr ausbezahlte Betrag nicht zurückbezahlt werden, wenn sich im Anschluss an die ersten beiden Semester herausstellt, dass der erforderliche Mindeststudienerfolg nicht nachgewiesen werden kann.

Der Ansicht des Klägers, dass seine Kindeseigenschaft im Sinne der zitierten Bestimmung des § 252 Abs 2 Z 1 ASVG auch während des Sommersemesters 1999 weiterhin vorgelegen sei, ist daher zunächst entgegenzuhalten, dass der Kläger in diesem Zeitraum nicht als ordentlicher Hörer inskribiert war und daher insoweit die für das erste Studienjahr für ein Weiterbestehen der Kindeseigenschaft vorgesehene Anspruchsvoraussetzung nicht erfüllt hat. Nach der Auffassung von Standeker aaO 131 könne durch den Besuch einer Hochschule als außerordentlich Studierender die Kindeseigenschaft keinesfalls verlängert werden, weil schon der Wortlaut des § 252 Abs 2 Z 1 ASVG als eine der Voraussetzungen für die Verlängerung der Kindeseigenschaft bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres den Betrieb eines ordentlichen Studiums verlange. Zur Richtigkeit dieser Auffassung muss hier nicht weiter Stellung genommen werden, weil selbst bei Anerkennung einer Schul- oder Berufsausbildung durch den Besuch von universitären Lehrveranstaltungen auch als außerordentlicher Hörer (in diesem Sinne M. Harrer, Zusammentreffen von Waisenpension und Arbeitslosengeld, DRdA 1988, 469 [471 mwN]), im Sinne einer insoweit gebotenen Gleichbehandlung von ordentlichen und außerordentlichen Studierenden auch in diesem Fall verlangt werden müsste, dass die Ausbildung vom Betreffenden ernsthaft und zielstrebig betrieben wird. Davon kann jedoch beim Kläger, der nach den Feststellungen im Sommersemester 1999 nur für einen Zeitraum von insgesamt fünf Wochen unfallsbedingt an einem Besuch von Lehrveranstaltungen verhindert war, jedoch tatsächlich auch sonst nur für kurze Zeit einige Vorlesungen und Übungen besuchte, ebenfalls nicht ausgegangen werden.

Das vom Kläger gestellte Begehren auf Gewährung der Waisenpension für den Zeitraum vom 1. 2. 1999 bis 6. 9. 1999 erweist sich daher mangels Kindeseigenschaft iSd § 252 Abs 2 Z 1 ASVG in diesem Zeitraum als nicht berechtigt, sodass auf den Umstand, dass dem Kläger die Waisenpension für einen Teil dieses Zeitraumes bereits ausbezahlt wurde, nicht mehr eingegangen werden muss (vgl 10 ObS 21/00m ua). Was die im Bescheid auferlegte Rückzahlungspflicht betrifft, so ist das dagegen erhobene Klagebegehren als negatives Feststellungsbegehren zu werten, dass die von der beklagten Partei behauptete Rückersatzpflicht nicht zu Recht bestehe (10 ObS 21/00m mwN ua). Das Vorliegen eines Rückforderungstatbestandes nach § 107 Abs 1 ASVG wird in der Revision ebensowenig in Zweifel gezogen wie die Höhe des entstandenen Überbezuges sowie die vom Erstgericht ausgesprochene Verpflichtung zur Rückzahlung dieses Überbezuges binnen 14 Tagen, sodass darauf nicht mehr weiter einzugehen ist.

Aufgrund dieser Erwägungen musste der Revision insgesamt ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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