OGH 3Ob256/01w

OGH3Ob256/01w24.10.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei U***** GmbH & Co KG (bisher U*****Aktiengesellschaft), Wien 13., Hietzinger Kai 133, vertreten durch Dr. Amhof & Dr. Damian, Rechtsanwältepartnerschaft in Wien, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei "W*****" ***** GmbH, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Biel & Partner KEG in Wien, wegen Widerrufs der Inanspruchnahme einer Bankgarantie (Streitwert 11,800.000 S) infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 22. August 2001, GZ 1 R 142/01m-10, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die klagende und gefährdete Partei (im Folgenden kurz: klagende Partei) rügt als aktenwidrig, das Rekursgericht habe - entgegen den erstgerichtlichen Feststellungen - die bloß "subsidiäre" Geltung der Ö-NORM B 2110 unterstellt. Insofern war allerdings schon das Erstgericht der Ansicht, dass diese Vertragsgrundlage "dispositive Normen" enthalte, "von denen die Vertragspartner in dem Vertrag wieder (teilweise) abgehen" könnten. Maßgebend sei daher zunächst die Klausel über die Erfüllungsgarantie im Generalunternehmervertrag (ON 2 S. 6 f). Danach kommt die Aufhellung des Willens der Vertragspartner vor dem Hintergrund der Bestimmungen der Ö-NORM B 2110 auch nach Ansicht des Erstgerichts nur in Betracht, soweit es an einer spezifischen Regelung in diesem Vertrag mangelt. Die klagende Partei übersieht ferner, dass das Rekursgericht die erstgerichtliche Beweiswürdigung im Sicherungsverfahren überprüfen kann, wenn die getroffenen Feststellungen - wie hier - nur auf Urkunden beruhen (SZ 66/164 [verstärkter Senat]). Die Subsidiarität der Geltung der Ö-NORM

B 2110 wurde der Sache nach im Rekurs der beklagten Partei und Gegners der gefährdeten Partei (im Folgenden kurz: beklagte Partei) betont. Das Rekursgericht wäre somit nicht gehindert gewesen, selbst eine Feststellung über die Rangordnung der anzuwendenden Vertragsgrundlagen zu treffen. Aus diesen Erwägungen folgt, dass die behauptete Aktenwidrigkeit nicht vorliegt.

2. Die klagende Partei behauptet auch in der Rechtsrüge, das Rekursgericht hätte seiner Entscheidung nur die erstgerichtlichen Feststellungen zugrunde legen und daher sein Auslegungsergebnis nicht auf "die Textierung der Bankgarantie selbst" stützen dürfen. Insofern gelten die unter 1. dargelegten Erwägungen. Die beklagte Partei berief sich in ihrem Rekurs gegen die vom Erstgericht erlassene einstweilige Verfügung ausdrücklich auch auf den Wortlaut der Garantieerklärung. Das Rekursgericht war daher nach der ratio der Entscheidung SZ 66/164 nicht gehindert, selbst eine Feststellung über den der Garantin von der klagenden Partei mitgeteilten Anlass für den Garantieauftrag zu treffen und daraus rechtliche Schlussfolgerungen zu ziehen.

Die klagende Partei führt ferner ins Treffen, das Rekursgericht hätte die einstweilige Verfügung auch deshalb bestätigen müssen, weil das Erstgericht festgestellt habe, dass "die Kosten für die Beseitigung der von der Beklagten behaupteten Mängel" den Klageanspruch von 23,096.650 S "nicht annähernd erreichen dürften" und "auch die Frage der Einbringlichkeit entsprechend hoher Beträge bei der Beklagten nicht hinreichend sicher geklärt" erscheine. Solche Vermutungen reichen jedoch nicht aus, um den von der klagenden Partei behaupteten offenkundigen Mißbrauch der Inanspruchnahme der Bankgarantie durch die beklagte Partei liquid zu bescheinigen. Daran kann auch die Feststellung über den von der beklagten Partei einbehaltenen Deckungsrücklass nichts ändern. Dieser wurde zwar "zur Sicherstellung für die Vertragserfüllung" vereinbart, die Höhe allfälliger Ansprüche der beklagten Partei aus der von ihr behaupteten "nicht auftrags- und ordnungsgemäßen" Erfüllung des Generalunternehmervertrags ist jedoch nach den maßgebenden Tatsachen nicht verläßlich abschätzbar. Im Übrigen hing die Rekursentscheidung nur von der Auslegung des für die Inanspruchnahme der Erfüllungsgarantie bedeutsamen Klausel des Generalunternehmervertrags ab. Insofern ist dem Rekursgericht zumindest keine gravierende Fehlbeurteilung nach den durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs für die Auslegung rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen geprägten Leitlinien vorwerfbar. Das gilt auch für die Frage, ob die vereinbarte Erfüllungsgarantie nach dem Parteiwillen auch einen allfälligen Mängelbehebungsaufwand sichern sollte. Eine wesentliche Verkennung der Rechtslage müsste jedoch, wie die klagende Partei selbst erkennt, als Voraussetzung für die Zulässigkeit des außerordentlichen Revisionsrekurses vorliegen.

3. Der außerordentliche Revisionsrekurs ist somit gemäß § 78 und § 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Stichworte