Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die klagende Partei kündigte der Beklagten die von dieser gemietete Wohnung zum 31. 5. 2000 auf. Es bestehe trotz Mahnung ein Mietzinsrückstand von S 2.868,73 für Dezember 1999; außerdem verleide die Beklagte durch ihr rücksichtsloses, anstößiges und sonst grob ungehöriges Verhalten den Mitbewohnern das Zusammenleben.
Die Beklagte wendete ein, dass ihr der Mietzinsrückstand gestundet worden sei und sie sich keineswegs unleidlich verhalte.
Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung vom 18. Februar 2000 als rechtswirksam und trug der Beklagten die Übergabe der geräumten Wohnung auf. Es stellte fest, für die Zeit von Dezember 1999 bis September 2000 hafte ein Mietzinsrückstand von S 17.294,06 aus, wobei der monatliche Mietzins S 2.763,68 betrage. Rechtlich meinte es, die von der Beklagten behauptete Stundung habe den objektiven Verzug bei der Zahlung des Mietzinses nicht beseitigt. Die klagende Partei habe auf ihr Kündigungsrecht nicht verzichtet. Da der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 1 MRG vorliege, sei auf den weiters geltend gemachten Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 MRG nicht einzugehen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es sei unmaßgeblich, ob der von der Beklagten zugestandene Mietzinsrückstand auch den für Dezember 1999 zu zahlenden Mietzins umfasse. Maßgeblich für das Vorliegen des Kündigungsgrunds der Nichtzahlung von Mietzins sei nämlich, ob im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung ein qualifizierter Mietzinsrückstand bestanden habe. Für die Beurteilung der Wirksamkeit der Aufkündigung sei der Zeitpunkt des Beginns der Abholfrist, also der 23. 2. 2000, entscheidend. Dass zu diesem Zeitpunkt der qualifizierte Mietzinsrückstand bereits getilgt gewesen sei, sei auch dem Berufungsvorbringen nicht zu entnehmen. Die Beklagte habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass die klagende Partei trotz Auflaufens weiterer Mietzinsrückstände von einem Kündigungs- bzw Räumungsverfahren Abstand nehmen würde. Eine rückwirkende Unwirksamkeit der Aufkündigung wäre nur dann eingetreten, wenn der gesamte zwischenzeitlich aufgelaufene Mietzinsrückstand beglichen worden wäre. Dies sei nicht der Fall gewesen.
Die Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Kündigung aus dem Grunde des § 30 Abs 2 Z 1 MRG setzt voraus:
a) einen im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung noch bestehenden Rückstand an Mietzinsen, die
b) bereits acht Tage vorher fällig waren und
c) trotz Mahnung innerhalb der darin gesetzten oder wenigstens gewährten Nachfrist nicht entrichtet wurden (Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 § 30 MRG Rz 14 mwN).
Nach ständiger Rechtsprechung ist die Zulässigkeit einer Aufkündigung grundsätzlich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung zu beurteilen (WoBl 2000, 112; Würth/Zingher aaO § 30 MRG Rz 15). Das Gericht zweiter Instanz ging davon aus, dass die Aufkündigung der Beklagten bereits am 23. 2. 2000 - Hinterlegung der Aufkündigung beim Postamt und Beginn der Abholfrist - rechtswirksam zugestellt worden sei, woran auch der Umstand der Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung von Einwendungen gegen die Aufkündigung nichts ändern könne. Zu diesem Zeitpunkt habe der von der klagenden Partei behauptete "qualifizierte Mietzinsrückstand" bestanden.
Demgegenüber brachte die Beklagte vor, sie habe erst am 7. 8. 2000 von der Aufkündigung erfahren, weshalb sie primär die Aufhebung der Vollstreckbarkeit der Aufkündigung mangels rechtswirksamer Zustellung und nur hilfsweise die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einwendungsfrist beantragte. Nach Durchführung eines Bescheinigungsverfahrens bewilligte das Erstgericht der Beklagten die von ihr begehrte Wiedereinsetzung und "nahm ihre Einwendungen zur Kenntnis". Gegen den die Wiedereinsetzung bewilligenden Beschluss wurde weder von der klagenden Partei noch von der Beklagten ein Rechtsmittel erhoben. Eine ausdrückliche Feststellung über den Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung an die Beklagte findet sich weder im - begründungslosen - Beschluss, mit dem die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt wurde, noch in den Entscheidungen der Vorinstanzen. Allein daraus, dass ein Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Einwendungsfrist vor Zustellung der gerichtlichen Aufkündigung oder wegen eines gesetzwidrigen Zustellvorgangs zurückzuweisen wäre (Rechberger ZPO2 vor § 146 Rz 5 f) und eine solche Zurückweisung nicht ausgesprochen, vielmehr die Wiedereinsetzung bewilligt wurde, kann nicht geschlossen werden, dass die Hinterlegung der Aufkündigung am 23. 2. 2000 ein rechtmäßiger Zustellvorgang gewesen wäre. Die Einwendung der Beklagten, sie habe erst am 7. 8. 2000 von der Aufkündigung erfahren, diese sei ihr nicht rechtswirksam zugestellt worden, wäre von den Vorinstanzen zu prüfen gewesen, und demgemäß hätte eine dezidierte Feststellung über den Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung als des für den qualifizierten Zinsrückstand maßgeblichen Zeitpunkts getroffen werden müssen. Die Tatsache, dass die (unvertretene) Beklagte die mangelnde Erledigung ihres Primärantrags auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit der Aufkündigung mangels deren rechtswirksamen Zustellung nicht rügte, kann ihr dabei nicht angelastet werden; vielmehr wäre es dem Erstgericht oblegen, diesen Antrag einer Erledigung zuzuführen oder zumindest die Beklagte gemäß § 182 ZPO entsprechend anzuleiten, sofern es bei Bewilligung der Wiedereinsetzung von einer rechtswirksamen Zustellung der Aufkündigung im Februar 2000 ausgegangen sein sollte.
Da die Rechtmäßigkeit der Aufkündigung nach dem Zeitpunkt deren Zustellung zu beurteilen, dieser Zeitpunkt aber noch festzustellen sein wird, sind in Stattgebung der Revision die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und ist dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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