OGH 1Ob250/01y

OGH1Ob250/01y22.10.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Karl-Heinz Fibrich und Dr. Hermann Rathschüler, Rechtsanwälte in Bruck an der Mur, wider die beklagte Partei Franziska P*****, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wegen S 92.951,-- sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 10. Mai 2001, GZ 1 R 97/01h-21, womit das Urteil des Bezirksgerichts Kindberg vom 2. Februar 2001, GZ 2 C 864/99s-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 16.861,68 (darin S 2.810,28 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte plante den Verkauf einer ihr gehörigen Eigentumswohnung und erteilte am 28. 1. 1998 der klagenden Partei einen zunächst bis 28. 7. 1998 befristeten Alleinvermittlungsauftrag, der sich nach diesem Zeitpunkt in einen unbefristeten und jederzeit kündbaren allgemeinen Maklervertrag umwandelte. Zum 31. 12. 1997 haftete ein für die Wohnung der Beklagten noch abzustattendes Restdarlehen von S 1,740.990 unberichtigt aus.

Am 26. 3. 1998 unterfertigte ein Kaufinteressent ein schriftliches Anbot, das einen Barkaufpreis von S 850.000 und den Hinweis darauf enthielt, dass das Restdarlehen diesem Betrag als Kaufpreis hinzuzurechnen sei. Als Übergabstermin wurde der 1. 6. 1998 festgelegt. Am 27. 3. 1998 nahm die Beklagte dieses Kaufanbot an.

Mit Schreiben vom 6. 4. 1998 teilte der Käufer der klagenden Partei mit, dass die Geschäftsbeziehung aufgelöst sei. Er erklärte auch der Beklagten gegenüber, dass sein Kaufanbot vom 26. 3. 1998 gegenstandslos sei, doch "würde er sich freuen, wenn seine Lebensgefährtin und er noch einmal auf die Beklagte zukommen dürften, um die Verhandlungen betreffend den Ankauf des Objekts neu aufzunehmen". Im Zuge eines Gesprächs am 10. 4. 1998 erklärte der Käufer, dass er die Wohnung kaufen wolle, aber ohne Einschaltung der klagenden Partei. Er versuchte auch, eine Reduktion des Kaufpreises zu erreichen. Die Beklagte lehnte den Vorschlag des Käufers, die Wohnung ohne Einschaltung der klagenden Partei zu verkaufen, ab.

Am 8. 5. 1998 ließ die Beklagte im Büro der klagenden Partei ein Schreiben an den Käufer verfassen, das zum Inhalt hatte, dass sie den Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag nicht akzeptiere, und das die Aufforderung enthielt, bis längstens 15. 5. 1998 einen Kaufvertrag vorzulegen, um am 1. 6. 1998 die Wohnung übergeben zu können; sie drohte ihm die Einschaltung eines Anwalts zur Durchsetzung ihrer Ansprüche an. Am 28. 5. 1998 forderten die Klagevertreter namens der Beklagten den Käufer schriftlich auf, den Vertrag zuzuhalten und eine entsprechende Urkunde zu unterfertigen. Am 29. 7. 1998 begehrte der Beklagtenvertreter namens der Beklagten vom Käufer die rechtsverbindliche Erklärung bis 7. 8. 1998, die Wohnung bis spätestens 14. 8. 1998 zu übernehmen und den Kaufpreis zu bezahlen, widrigenfalls die Beklagte den "Rücktritt vom Kaufanbot" erklären und den entstandenen Schaden geltend machen werde. Der Käufer reagierte auf dieses Schreiben nicht.

Am 31. 7. 1998 kündigte die Beklagte der klagenden Partei den Maklervertrag auf, worauf diese sämtliche Unterlagen übermittelte und eine Honorarnote über S 92.951 - ausgehend von einem Kaufpreis von S 2,581.984 - legte. Im Oktober 1998 verkaufte die Beklagte schließlich die Wohnung samt Inventar um S 2,480.288. Bereits am 3. 7. 1998 hatte die klagende Partei den Wohnungskäufer auf Zahlung von Vermittlungsprovision im Betrag von S 92.952 sA geklagt. Der Käufer erhob gegen den Zahlungsbefehl Einspruch, die Beklagte trat dem Verfahren auf Seiten der klagenden Partei als Nebenintervenientin bei. Mit Urteil vom 29. 7. 1999 wurde der Käufer zur Zahlung der eingeklagten Provision verurteilt. Diese Entscheidung ist in Rechtskraft erwachsen.

Die klagende Partei begehrte von der Beklagten die Zahlung von S

92.951 sA als Provision für ihre Vermittlungstätigkeit beim Verkauf der Wohnung. Es sei ein rechtswirksamer Vertrag zwischen der Beklagten und dem Käufer zustande gekommen. Die Beklagte habe nicht alles für sie Zumutbare unternommen, um den Käufer zur Zuhaltung der Kaufvereinbarung zu bewegen.

Die Beklagte wendete ein, die Ausführung des Kaufvertrags sei aus nicht von ihr zu vertretenden Gründen unterblieben. Der Käufer habe seinen Rücktritt vom Kaufanbot mit angeblichen Fehlleistungen der klagenden Partei bei deren Finanzierungsberatung begründet. Die Beklagte habe alles Zumutbare unternommen, um den Käufer zur Zuhaltung der Vereinbarung zu bewegen. Das Zuwarten mit der Veräußerung der Eigentumswohnung sei ihr ebensowenig zumutbar gewesen wie die Einleitung eines Rechtsstreits bei einem Streitwert von mehr als 2 Mio S, wobei dessen Ausgang davon abhängig gewesen wäre, inwieweit die klagende Partei ihre vertraglichen Verpflichtungen dem Käufer gegenüber ordnungsgemäß erfüllt habe. Es habe auch die Gefahr bestanden, dass die Ansprüche gegen den Käufer wegen dessen angespannter finanzieller Verhältnisse nicht durchsetzbar sein würden. Deshalb sei ein allenfalls erworbener Provisionsanspruch der klagenden Partei gemäß § 7 Abs 2 MaklerG entfallen. Überdies stehe der klagenden Partei wegen grob vertragswidrigen Verhaltens kein Provisionsanspruch zu. Gegen die Klagsforderung werde ein Betrag von S 50.000 zur Aufrechnung eingewendet. Der gesamte Sachverhalt rechtfertige überdies die Anwendung des richterlichen Mäßigungsrechts gemäß § 3 Abs 4 MaklerG.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Beklagte habe die Vorgangsweise des Käufers nicht zu verantworten, sie habe ihn auch zur Zuhaltung seines Anbots aufgefordert. Eine Klagsführung gegen den Käufer sei der Beklagten nicht zumutbar gewesen, zumal nicht festgestanden sei, ob dieser nicht tatsächlich wegen eines der klagenden Partei anzulastenden Verschuldens aus dem Vertrag "ausgestiegen" sei und ob eine gegen den Käufer zu erwirkende Entscheidung auf Zuhaltung des Kaufvertrags überhaupt den gewünschten Erfolg bringen werde.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es die Klagsforderung mit S 92.951 als zu Recht bestehend und die eingewendete Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend erachtete, daher die Beklagte schuldig erkannte, der klagenden Partei S 92.951 sA zu zahlen und - unangefochten - ein Zinsenmehrbegehren abwies; es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Der Kaufvertrag zwischen der Beklagten und dem Wohnungsinteressenten sei rechtswirksam zustande gekommen. Damit sei gemäß § 7 Abs 1 MaklerG auch der Provisionsanspruch der klagenden Partei gegenüber der Beklagten entstanden. Die freiwillige Rückgängigmachung eines Rechtsgeschäfts, ohne dass objektiv wichtige Gründe für ein solches Vorgehen vorlägen, führe nicht zum Entfall des Provisionsanspruchs. Der Beklagten sei nicht der Beweis gelungen, dass die Ausführung des vermittelten Geschäfts ohne ihr Verschulden infolge einer nachträglichen Änderung der Verhältnisse unmöglich oder unzumutbar geworden sei. Sie habe gar nicht behauptet, dass der Wohnungskäufer seinen Vertragsrücktritt damit begründet habe, die Finanzierungs- und Versicherungsberatung der klagenden Partei habe sich in wesentlichen Punkten als sehr lückenhaft herausgestellt. Das zwischen der klagenden Partei und dem Wohnungskäufer abgeführte Vorverfahren habe gezeigt, dass die Einwendungen des Käufers nicht stichhältig gewesen seien. Dass noch andere wichtige Gründe für seinen Vertragsrücktritt vorgelegen wären, ließe sich dem Akteninhalt nicht entnehmen. Es sei "nicht von unmittelbarer Bedeutung", dass die Beklagte ursprünglich nicht in der Lage gewesen sei, zu beurteilen, ob die klagende Partei ihren vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Kaufinteressenten tatsächlich nachgekommen sei. Die Klagsführung gegen den Käufer sei für die Beklagte keineswegs von vornherein aussichtslos gewesen. Ein Prozesskostenrisiko mache eine Klagsführung noch nicht unzumutbar. Anhaltspunkte dafür, dass der Anspruch der Beklagten auf Zuhaltung des Kaufvertrags wegen der finanziellen Verhältnisse des Käufers nicht durchsetzbar gewesen wäre, seien im Verfahren nicht hervorgekommen. Demnach sei der Provisionsanspruch der klagenden Partei nicht entfallen. Für eine Mäßigung dieses Anspruchs bestehe keine Veranlassung, weil eine Pflichtverletzung der klagenden Partei nicht erwiesen sei. Es komme auch der von der Beklagten eingewendeten Gegenforderung keine Berechtigung zu.

Die Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Dem festgestellten Sachverhalt zufolge ist der Kaufvertrag zwischen der Beklagten und dem Wohnungsinteressenten rechtswirksam zustande gekommen und damit auch der Anspruch der klagenden Partei auf Zahlung von Vermittlungsprovision gemäß § 7 Abs 1 MaklerG entstanden. Fraglich ist lediglich, ob dieser Provisionsanspruch aus den im § 7 Abs 2 MaklerG genannten Gründen entfällt.

§ 7 Abs 2 MaklerG folgte der zuvor für Zivilmakler in Geltung gestandenen Bestimmung des § 6 Abs 3 HVG nach, übernahm aber die Vorgängerbestimmung inhaltlich im Wesentlichen unverändert. Der gegen den Provisionspflichtigen gerichtete Anspruch ist vom Grundgeschäft insoweit abhängig, als er nicht gebührt, wenn - unter anderem - das vermittelte Geschäft in der Folge aus wichtigen Gründen rückgängig gemacht wurde. Um sich von seiner Provisionspflicht zu befreien, muss der Auftraggeber (hier: die Beklagte) nachweisen, dass die Ausführung des vermittelten Geschäfts ohne sein Verschulden infolge einer nachträglichen Änderung der Verhältnisse unmöglich oder unzumutbar geworden ist (WoBl 1999, 275; RdW 1995, 98; ImmZ 1994, 415; 9 Ob 706/91; SZ 59/61; SZ 58/111). Die Zumutbarkeit ist stets im Einzelfall von der Rechtsprechung zu beurteilen. Unter Umständen ist eine Vertragspartei auch dazu verhalten, gegen den leistungsunwilligen Vertragspartner Klage zu führen (S. Bydlinski, Maklergesetz, Anm 7 zu § 7; Ostermayer/Schuster, Maklerrecht, 61; Fromherz, Kommentar zum Maklergesetz, Rz 118 zu § 7; 2 BlgNR 20. GP 22).

Nach den (unbestrittenen) Feststellungen der Vorinstanzen bemühte sich die Beklagte mehrfach um Zuhaltung des Kaufvertrags durch den Wohnungskäufer und lehnte dessen Vorschlag ausdrücklich ab, das Objekt ohne Einschaltung der klagenden Partei zu verkaufen. Diese Vertragstreue ist ihr jedenfalls nicht anzulasten. Der Vorwurf der klagenden Partei, es sei der Beklagten möglich gewesen, mit dem Wohnungsinteressenten den Vertrag abzuschließen - obwohl dieser die Einschaltung der klagenden Partei nicht wünschte und offensichtlich eine Provisionszahlung ablehnte -, ist nicht berechtigt und auch nicht recht verständlich, kann es der Beklagten doch nicht zugesonnen werden, den Wohnungskäufer über die Einschaltung eines Maklers und die daraus erwachsende Provisionspflicht zu täuschen. Die Behauptung, die Beklagte habe schon zum Zeitpunkt ihres Vertragsrücktritts mit einem weiteren Interessenten Verhandlungen geführt, ist feststellungsfremd und selbst nach den Ausführungen der klagenden Partei eine durch nichts bewiesene Vermutung (siehe S 4 der Revisionsbeantwortung). Gewiss hätte die Beklagte die Möglichkeit gehabt, den Ausgang des zwischen der klagenden Partei und dem Wohnungskäufer geführten Rechtsstreits abzuwarten, doch war es ihr nicht zumutbar, diese Möglichkeit aufzugreifen. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass jemand, der den Verkauf einer Wohnung beabsichtigt und deshalb einen Vermittlungsauftrag erteilt, dieses Rechtsgeschäft nicht erst in fernen Tagen abzuschließen gedenkt, sondern in möglichst naher Zukunft verkaufen will. Weigerte sich der Wohnungsinteressent trotz mehrfacher Bemühungen der Beklagten und auch der klagenden Partei, den Kauf zu perfektionieren, so wäre allenfalls die Klagsführung gegen den säumigen Vertragspartner geboten gewesen, doch keinesfalls das Abwarten des Ausgangs eines vom Makler gegen den Wohnungsinteressenten angestrengten Rechtsstreits auf Zahlung der Maklerprovision, der sich zur Zeit des Vertragsrücktritts der Beklagten erst im Anfangsstadium befand. Hätte die Beklagte zugewartet, so hätte sich der Verkauf der Wohnung zumindest ein weiteres Jahr hinausgezögert, wobei noch zu berücksichtigen ist, dass der zwischen der klagenden Partei und dem Wohnungsinteressenten geführte Rechtsstreit rasch, nämlich ohne zeitaufwändiges Rechtsmittelverfahren, abgewickelt wurde, das aber zum Zeitpunkt des Vertragsrücktritts gewiss nicht vorhersehbar war.

Es kann der Beklagten auch nicht angelastet werden, dass sie gegen den Wohnungsinteressenten keine Schadenersatzklage erhob, obwohl sie ihm die Geltendmachung der ihr entstehenden Schäden angedroht hatte.

Es mag zutreffen, dass der Vertrag zwischen der klagenden Partei und dem Wohnungsinteressenten ausschließlich die Vermittlung der Wohnung - und keine "Finanzdienstleistungen" zum Gegenstand hatte. Das stand aber bei Vertragsrücktritt der Beklagten keineswegs fest: Das Gericht im Vorprozess konnte nicht feststellen, ob der Wohnungsinteressent "nicht tatsächlich wegen eines der klagenden Partei vorzuwerfenden Verschuldens aus dem Vertrag ausgestiegen war" (S 8 des Ersturteils). Das war auch tatsächlich Thema des von der klagenden Partei gegen den Wohnungskäufer angestrengten Rechtsstreits. War aber der Ausgang des von der klagenden Partei geforderten Rechtsstreits der Beklagten gegen den "Vertragspartner" von der Lösung der Frage abhängig, ob dessen Behauptungen über Vertragsverstöße der klagenden Partei zutrafen, so war der Beklagten auch eine solche Prozessführung gegen den "Wohnungskäufer" angesichts des dann drohenden Prozesskostenrisikos nicht zumutbar. Dass sie nicht in der Lage war, zu beurteilen, ob die klagende Partei ihren vertraglichen Verpflichtungen gegen den Kaufinteressenten entsprochen hatte, ist für die Frage der Provisionszahlungsverpflichtungen entgegen der Ansicht des Gerichts zweiter Instanz daher von ausschlaggebender Bedeutung, geht es doch nicht darum, wie - ex post betrachtet - das Vertragsverhältnis zwischen der klagenden Partei und dem Wohnungsinteressenten und dessen Erfüllung in der Tat gestaltet waren, sondern darum, ob der Beklagten eine Klagsführung angesichts der für sie ex ante zu beurteilenden Sachlage zugemutet werden konnte. Dies ist zu verneinen.

Die sonst in der Revision bzw Revisionsbeantwortung aufgeworfenen Fragen (mangelnde Kostendeckungszusage der klagenden Partei, geringe Eigenmittel der Beklagten, Zahlungsfähigkeit des Wohnungsinteressenten etc) bedürfen keiner Antwort, weil die Beklagte alle ihr nach der Sachlage zumutbaren Schritte zur Durchsetzung der Leistung des Wohnungsinteressenten unternommen hat.

In Stattgebung der Revision ist das Ersturteil demnach wieder herzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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