OGH 2Ob241/01g

OGH2Ob241/01g2.10.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Lukas B*****, infolge Revisionsrekurses des Kindes, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 11, Amt für Jugend und Familie - Rechtsfürsorge, 10. Bezirk, 1100 Wien, Van der Nüllgasse 20 als Sachwalter gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 11. Juli 2001, GZ 45 R 380/01t-16, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Favoriten vom 17. Mai 2001, GZ 1 P 30/01a-4, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

Der Vater des Pflegebefohlenen ist aufgrund eines Urteiles des Bezirksgerichtes Favoriten zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 2.200 verpflichtet.

Das Kind beantragte am 16. 5. 2001 die Gewährung monatlicher Unterhaltsvorschüsse von S 2.200 und berief sich auf die Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung, weil der unterhaltspflichtige Vater nur geringfügig beschäftigt sei. Angeschlossen war eine Auskunft des Magistrates der Stadt Wien aus der sich ergibt, dass der unterhaltspflichtige Vater geringfügig bei einer bestimmten GmbH beschäftigt war.

Das Erstgericht gewährte am 17. 5. 2001 die beantragten Vorschüsse.

Der Vater machte in seinem Rekurs geltend, er verdiene monatlich S

15.600 und bezahle den laufenden Unterhalt von monatlich S 2.200.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des Vaters Folge und wies den Vorschussantrag ab. Es sprach aus, der Revisionsrekurs sei nicht zulässig. Es begründete diese Entscheidung damit, dass § 3 Z 2 UVG eine erfolglose (bzw gemäß § 4 Z 1 UVG aussichtslose) Exekutionsführung gemäß § 372 EO zur Hereinbringung der in den letzten sechs Monaten vor Stellung des Vorschussantrags fällig gewordenen Unterhaltsbeiträge vorsehe. Ob eine derartige Exekution erfolglos versucht worden sei bzw warum sie aussichtslos erscheine, sei dem Vorschussantrag nicht zu entnehmen.

Über Antrag des Pflegebefohlenen sprach das Rekursgericht aus, dass der Revisionsrekurs doch zulässig sei. Man könnte auch die Meinung vertreten, dass es von der Judikatur und Lehre abgegangen sei. Maßgeblich bleibe die Frage, ob eine "geringfügige unselbständige Erwerbstätigkeit" bereits das Erfordernis einer Exekutionsführung nach § 372 EO entbehrlich mache.

Der (ordentliche) Revisionsrekurs des Pflegebefohlenen ist zulässig und auch berechtigt. Der Pflegebefohlene macht in seinem Rechtsmittel geltend, der Unterhaltsschuldner sei unselbständig erwerbstätig. In einem solchen Fall sei der Gläubiger gemäß § 3 Z 2 UVG nur gehalten, eine Exekution nach § 291c Abs 1 EO zu führen, nicht jedoch auch seine solche nach § 372 EO, welche nur dann zu führen sei, wenn der Unterhaltsschuldner selbständig erwerbstätig sei. Der hier geltend gemachte Unterhaltsvorschussgrund nach § 4 Z 1 UVG unterscheide sich von jenem nach § 3 Z 2 UVG nur dadurch, dass im Fall der Aussichtslosigkeit der Exekutionsführung das Erfordernis der Exekutionsführung wegfalle. Im Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen sei ausgeführt worden, dass der Unterhaltsschuldner lediglich geringfügig beschäftigt sei. Es sei dadurch zum Ausdruck gebracht worden, dass er ein Einkommen erziele, welches das Existenzminimum deutlich unterschreite. In einem solchen Fall sei Aussichtslosigkeit im Sinne des § 4 Z 1 UVG gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Vorschüsse auf den gesetzlichen Unterhalt minderjähriger Kinder sind nach § 3 UVG zu gewähren, wenn für den gesetzlichen Unterhalt ein im Inland vollstreckbarer Exekutionstitel besteht (Z 1) und eine wegen der laufenden Unterhaltsbeiträge geführte Exekution nach § 291c Abs 1 EO oder, wenn der Unterhaltsschuldner offenbar über keine solche Forderung verfügt, eine Exekution nach § 372 EO auch nur einen in den letzten sechs Monaten vor Stellung des Antrags auf Vorschussgewährung fällig gewordenen Unterhaltsbeitrag nicht voll gedeckt hat (Z 2). Nach § 4 Z 1 UVG sind dem mj Kind Vorschüsse auch zu gewähren, wenn zwar ein im Inland vollstreckbarer Exekutionstitel nach § 3 Z 1 UVG besteht, aber die Führung einer Exekution nach § 3 Z 2 UVG aussichtslos erscheint. Während § 3 Z 1 UVG die allgemeine Voraussetzung für die Gewährung eines Titelvorschusses, nämlich das Bestehen eines im Inland vollstreckbaren Exekutionstitels normiert, zeigen § 3 Z 2 und § 4 Z 1 UVG je eine Möglichkeit der Bevorschussung eines notleidend gewordenen Unterhaltstitels auf. Der Unterschied zwischen dem Vorschussgrund nach § 3 Z 2 UVG und dem nach § 4 Z 1 UVG liegt darin, dass bei letzterem das Erfordernis des erfolglosen Versuchs einer Exekution wegfällt. Aussichtslosigkeit einer Exekution nach § 4 Z 1 UVG bedeutet Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung nach § 3 Z 2 UVG (EvBl 1995/10 = ÖA 1994, 197; ÖA 2000, 79, jeweils mwN). Dem Antragsteller soll nach der Bestimmung des § 4 Z 1 UVG die Exekutionsführung als Voraussetzung einer Vorschussgewährung dann erspart bleiben, wenn bereits aufgrund der objektiven Lage zur Zeit der Beschlussfassung erster Instanz eine Exekutionsführung für jedermann aussichtslos erscheinen muss (RIS-Justiz RS0108900; ÖA 1998, 253 = ÖA 1999, 53).

Da es für die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen im Sinne des § 3 UVG genügt, einen der beiden in § 3 Z 2 UVG angeführten Wege, den laufenden Unterhalt des Kindes hereinzubringen oder zu sichern, zu versuchen, reicht es auch im Falle des § 4 Z 1 UVG aus, dass bei einem Unterhaltsschuldner mit fortlaufenden Bezügen eine Exekution nach § 291c EO aussichtslos erscheint. Eine weitere Bescheinigung, dass auch eine Exekution nach § 372 EO auf anderes Vermögen aussichtslos scheint, ist nicht erforderlich (Neumayr in Schwimann**2, ABGB, § 4 UVG Rz 2). Eine Exekution zur Sicherstellung ist nur erforderlich, wenn der Unterhaltsschuldner offenbar nicht Bezieher eines Arbeitseinkommens im weiten Sinn des § 290a Abs 1 EO, sondern als selbständig Erwerbstätiger anzusehen ist (Neumayr, aaO, § 3 UVG Rz 18); entscheidend ist demnach die sozial-wirtschaftliche Einordnung des Unterhaltsschuldners (Knoll, KommzUVG, § 3 Rz 7).

Im vorliegenden Fall liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass der Vater des Pflegebefohlenen nicht Bezieher eines Arbeitseinkommens war. Auch wenn er nur geringfügig beschäftigt war, bedeutet dies nicht, dass er auch oder nur selbständig erwerbstätig war. Vielmehr war zum Zeitpunkte der Beschlussfassung erster Instanz davon auszugehen, dass er nur geringfügig beschäftigt war und als solcher keinen das Existenzminimum übersteigenden Betrag verdiente. In einem solchen Fall ist aber von Aussichtslosigkeit der Exekutionsführung nach § 4 Z 1 UVG auszugehen (Neumayr, aaO, § 4 UVG Rz 5).

Mit der im Rekurs des Vaters aufgestellten Behauptung, dieser verdiene S 15.000 und bezahle den laufenden Unterhalt, wird zwar nicht gegen das Neuerungsverbot verstoßen (EvBl 1995/10 mwN). Beachtlich im Rekursverfahren sind aber nur für den Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse unabdingbare allgemeine Anspruchsvoraussetzungen der §§ 2 und 3 Z 1 UVG, die für die Bewilligung des Unterhaltsvorschusses nachzuweisen sind, nicht aber Umstände, für die das Gesetz den durch die Aktenlage gedeckten Anschein für ausreichend erachtet. Behauptet der Rekurswerber, den laufenden Unterhalt zu bezahlen bzw ein dafür ausreichendes Einkommen zu beziehen, so ändert dies nichts daran, dass nach der objektiven Aktenlage die Voraussetzungen nach § 4 Z 1 UVG für die Gewährung des Unterhaltsvorschusses zum Zeitpunkte der Bewilligung vorhanden waren (EvBl 1995/10).

Es war daher der Beschluss des Erstgerichtes in Stattgebung des Revisionsrekurses wiederherzustellen.

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