OGH 9ObA170/01t

OGH9ObA170/01t19.9.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter DI Walter Holzer und Anton Beneder als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dkfm. Lieselotte S*****, Angestellte, *****, vertreten durch Dr. Heinz Wille, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Wirtschaftskammer Wien, 1010 Wien, Stubenring 8-10, vertreten durch Dr. Bernhard Hainz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 1,604.310), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. März 2001, GZ 9 Ra 353/00y-32, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 11. September 2000, GZ 30 Cga 63/00d-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 24.356,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 4.059,44 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 20. 2. 1941 geborene Klägerin trat am 1. 4. 1963 als Angestellte in den Dienst der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft. Mit 30. 6. 1973 wurde das Dienstverhältnis einvernehmlich aufgelöst. In ihrem entsprechenden Ersuchen erklärte die Klägerin, dass es ihr wegen ihrer (damals) 2 Kinder (geboren 1970 und 1972) nicht möglich sei, weiterhin berufstätig zu sein. Da sie an ihrer Tätigkeit in der Bundeskammer sehr interessiert sei, würde es sie sehr freuen, in den Dienst der Bundeskammer eintreten zu können, sobald ihre Kinder im schulpflichtigen Alter seien. Eine von ihr zunächst angestrebte Karenzierung war vom Arbeitgeber abgelehnt worden; der Klägerin war gesagt worden, sie müsse entweder innerhalb eines halben Jahres ausscheiden oder ein Jahr nach der Geburt (des zweiten Kindes) wieder kommen. Dies war der Klägerin nach ihrer zweiten Kaiserschnittgeburt nicht möglich.

1974 brachte die Klägerin ein drittes Kind zur Welt.

Von 1. 7. 1978 bis 31. 12. 1978 und von Jänner 1979 bis 30. 9. 1987 war sie als Werkvertragsnehmerin beim WIFI Niederösterreich bzw. bei WIFI Wien - beides Teile der Wirtschaftskammerorganisation - tätig. In dieser Zeit stand sie in keinem Dienstverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber.

Ab 1. 10. 1987 trat sie als Angestellte in die Dienste der Beklagten (anfänglich 24 Wochenstunden; ab 1. 8. 1994 im Rahmen eines Vollzeitdienstverhältnisses).

Vor der Aufnahme ihrer Tätigkeit als Werkvertragsnehmerin wurde der Klägerin erklärt, man könne ihr im Rahmen eines Dienstvertrages nur eine Ganztagsbeschäftigung anbieten, sie könne aber mit einer geringeren Stundenanzahl auf Grund von Werkverträgen beschäftigt werden. Während ihrer werkvertraglichen Tätigkeit strebte die Klägerin immer wieder eine Teilzeitbeschäftigung im Rahmen eines Dienstverhältnisses an.

Die Klägerin weist eine positive dienstliche Gesamtbeurteilung auf.

Auf das Dienstverhältnis findet aufgrund einer Vereinbarung der Streitteile die Dienstordnung für die bei den Kammern der gewerblichen Wirtschaft beschäftigten Angestellten vom 2. 12. 1991 (in der Folge: DO) Anwendung.

Die Anspruchsvoraussetzungen für einen Pensionszuschuss für Angestellte sind in § 2 dieser DO geregelt, der - soweit hier von Interesse - folgenden Wortlaut hat:

"(1) Angestellte erhalten die Zusage auf einen monatlichen Pensionszuschuss zur gesetzlichen Pension, wenn sie mindestens 15 ununterbrochene Dienstjahre in der Handelskammerorganisation aufweisen und eine positive dienstliche Gesamtbeurteilung ab dem 10. Dienstjahr gemäß § 12 Dienstrecht vorliegt.

(2) Eine Ausnahme vom Erfordernis der ununterbrochenen Dienstzeit bilden Unterbrechungen durch anderweitige Verwendungen im Interesse und mit Zustimmung der Handelskammerorganisation (z.B. Betriebspraxis) oder Unterbrechungen im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes und damit verbundener Zeiten der Kinderbetreuung, sofern während letzterer Unterbrechungen kein Dienstverhältnis zu einem anderen Dienstgeber bestanden hat.

.............."

Im Zuge der Schaffung der pensionsrechtlichen Bestimmungen der DO wählten die damals vertragsschließenden Personen im Zusammenhang mit der Unterbrechung wegen Kinderbetreuung keine besonders restriktive Formulierung, weil es nicht um die Frage der Anrechnung von Kinderbetreuungszeiten ging, sondern nur um die Frage der Unschädlichkeit einer Unterbrechungszeit. Deshalb erfolgte absichtlich keine Eingrenzung auf einen bestimmten Zeitraum; von einer bestimmten Jahreszahl war in den Verhandlung nicht die Rede.

Zwischen den Parteien ist strittig, ob die Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung eines Pensionszuschusses erfüllt. Die Klägerin beruft sich auf beide in § 2 Abs 2 der DO genannten Ausnahmetatbestände, während die Beklagte deren Anwendbarkeit für den hier zu beurteilenden Fall verneint.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass die zwischen den beiden Dienstverhältnissen der Klägerin gelegene Zeit von 1973 bis 1987 im Sinne des 2. Ausnahmetatbestandes des § 2 Abs 2 DO (Unterbrechung wegen Kinderbetreuung) keine den Anspruch auf Pensionszuschuss ausschließende Unterbrechung sei, sodass - ohne dass auf den 1. Ausnahmetatbestand des § 2 Abs 2 DO (anderweitige Verwendung im Interesse und mit Zustimmung der Handelskammerorganisation) eingegangen werden müsse - der Anspruch der Klägerin zu bejahen sei. Diese Rechtsauffassung ist zutreffend, sodass es ausreicht, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Revisionsausführungen entgegen zu halten:

Rechtliche Beurteilung

Unstrittig ist, dass die DO (als Vertragsschablone) nach § 914 ABGB auszulegen ist (RIS-Justiz RS0038234; Arb 9061).

Ebenso ist der Revisionswerberin beizupflichten, dass erkennbarer Sinn und Zweck der in Rede stehenden Ausnahmebestimmung ist, Eltern, die wegen der Geburt von Kindern und deren Betreuung nicht durchgängig in Beschäftigung stehen wollen, die Gelegenheit zu geben, die für den Erwerb von Pensionsanwartschaften vorgesehenen 15 ununterbrochenen Dienstjahre trotz einer Unterbrechung des Dienstverhältnisses zu sammeln.

Dieser Zweck kommt aber im hier zu beurteilenden Fall zum Tragen, zumal nicht strittig ist, dass die Unterbrechung der Tätigkeit der Klägerin als Angestellte wegen der Betreuung ihrer Kinder erfolgte.

Der Revisionswerber, der dessen ungeachtet die Anwendbarkeit des in Rede stehenden Ausnahmetatbestandes verneint, begründet dies primär damit, dass die hier stattgefundene Unterbrechung zu lang gewesen sei; richtigerweise sei der maximale Unterbrechungsrahmen mit dem Erreichen der Schulpflicht der zu betreuenden Kinder definiert. Dieser Rahmen habe auch den ursprünglichen Intentionen der Klägerin entsprochen.

Eine derartige zeitliche Begrenzung des Rahmens der für den Pensionsanspruch unschädlichen Unterbrechung für die Kinderbetreuung ist jedoch aus dem Wortlaut der maßgebenden Bestimmung in keiner Weise abzuleiten, wobei jeder Hinweis darauf fehlt, dass es sich dabei um eine planwidrige Unvollständigkeit der Regelung handelt. Für die von der Revisionswerberin geforderte Begrenzung mit dem Beginn des Pflichtschulalters der zu betreuenden Kinder findet sich in der in Rede stehenden Bestimmung ebenso wenig ein Anhaltspunkt, wie für eine andere exakte zeitliche Begrenzung. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass in § 2 Abs 3 der DO von Unterbrechungen im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes und damit verbundener Zeiten der Kindesbetreuung die Rede ist, zumal nicht einmal die Revisionswerberin behauptet, dass nur im zeitlichen Naheverhältnis zur Geburt geleistete Kinderbetreuung erfasst sein soll. Es ist daher davon auszugehen, dass die auszulegende Norm ohne zeitliche Begrenzung auf die Betreuung von Kindern abstellt und damit alles erfasst, was dem allgemeinen Sprachgebrauch nach als "Kinderbetreuung" zu qualifizieren ist. Demgemäß ist aber auch die Betreuung eines Kindes bis zum 13. Lebensjahr - in diesem Alter befand sich das jüngste Kind der Klägerin, als diese das zweite Dienstverhältnis einging - von der in Rede stehenden Ausnahmebestimmung erfasst.

Dass die Klägerin schon vor dem 13. Lebensjahr ihres jüngsten Kindes in der Lage war, eine Teilzeitbeschäftigung anzunehmen, trifft zu, zumal sie ja schon ab 1978 in einem einer solchen Beschäftigung entsprechenden Ausmaß als Werkvertragsnehmerin tätig war. Eine Verpflichtung der betroffenen Angestellten, die Kinderbetreuung so früh wie möglich zu beenden oder einzuschränken und ein Dienstverhältnis (hier: mit einem anderen Arbeitgeber) einzugehen, kann aber der in Rede stehenden Ausnahmebestimmung nicht entnommen werden. Es kann daher der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen, dass sie - als sie 1978 zur Kenntnis nehmen musste, dass eine Teilzeitbeschäftigung in einem Dienstverhältnis mit der Wirtschaftskammerorganisation nicht möglich war - für eben diese Organisation als Werkvertragsnehmerin bis zu jenem Zeitpunkt tätig war, in dem ihr wieder die Gelegenheit für die Begründung eines ihren (durch die Kinderbetreuung beschränkten) zeitlichen Möglichkeiten entsprechenden Dienstverhältnisses gegeben wurde.

Die außerordentlich lange Zeit, die hier bis zur Begründung des zweiten Dienstverhältnisses der Klägerin verstrichen ist, findet ihre Begründung in den Besonderheiten des Einzelfalls, der davon gekennzeichnet ist, dass die Klägerin während der Unterbrechung ein weiteres Kind zur Welt brachte und dass ihr von der Wirtschaftskammerorganisation nach der Wiedererlangung der zeitlichen Möglichkeiten für eine Teilzeitbeschäftigung kein Teilzeitdienstverhältnis, wohl aber eine Tätigkeit auf Werkvertragsbasis angeboten wurde. Dies ändert nichts daran, dass es sich bei der hier zu beurteilenden Unterbrechung der Angestelltendienstzeit der Klägerin um eine solche im Zusammenhang mit der Kinderbetreuung handelt, sodass die Vorinstanzen das Vorliegen der Voraussetzungen der Ausnahmebestimmung des § 2 Abs 3 2. Fall der DO zu Recht bejaht haben.

Auf die Ausnahmebestimmung des § 2 Abs 3 1. Fall der DO braucht daher - wie schon das Berufungsgericht erkannt hat - nicht mehr eingegangen zu werden.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der geringfügig überhöht verzeichnete Ansatz war zu korrigieren.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte