OGH 8ObA92/01i

OGH8ObA92/01i13.9.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Dr. Heinz Nagelreiter als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Anita F*****, Arbeiterin, ***** vertreten durch Dr. August Lahnsteiner und andere, Rechtsanwälte in 4802 Ebensee, wider die beklagte Partei G***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Alexander Koch, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 31.626,-- brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. Jänner 2001, GZ 12 Ra 12/01y-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 20. Oktober 2000, GZ 31 Cga 52/00s-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.058,88 (darin enthalten S 676,48 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war ab 1. 9. 1991 bei der Beklagten, einem Modeschmuck produzierenden Unternehmen, als Heimarbeiterin beschäftigt. Über Initiative der Beklagten vereinbarten die Parteien dann, dass die Klägerin ab Anfang April 1999 bei der Beklagten im Rahmen eines normalen Arbeitsverhältnisses zu arbeiten beginnt. Ihr letzter Tag als Heimarbeiterin war der 9. April 1999. Zwei oder drei Tage nach Arbeitsbeginn im Unternehmen sagte der Geschäftsführer zur Klägerin auch noch ausdrücklich, dass sie "übernommen" sei. Er ging dabei davon aus, dass es sich nur um eine Änderung des einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses handle.

Einige Zeit nach Beginn der Arbeit im Betrieb der Beklagten wurde der Klägerin diese Arbeit "zuviel" und sie kündigte schließlich am 22. Oktober 1999 ihr Arbeitsverhältnis.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die der Höhe nach unstrittige Abfertigung für ihre Tätigkeit als Heimarbeiterin vom 1. 9. 1991 bis 9. 4. 1999. Sie stützt dies darauf, dass das Heimarbeitsverhältnis vom normalen Arbeitsverhältnis zu trennen sei.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass es zu keiner Auflösung des "Dienstverhältnisses" gekommen sei und dieses daher durch Arbeitnehmerkündigung geendet habe. Es stehe der Klägerin kein Abfertigungsanspruch zu. Die Bestimmung des § 27b HeimArbG, wonach die Zeiten eines vorangegangenen Arbeitsverhältnisses für denselben Auftraggeber für die Berechnung der Abfertigung heranzuziehen sei, müsse auch umgekehrt gelten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging dabei rechtlich davon aus, dass die Abfertigung als Entgelt verschiedene Funktionen habe, so jene einer Treuprämie, aber auch eine Versorgungs- und Überbrückungsfunktion sowie die Teilnahme am Unternehmensgewinn. Nach § 23 AngG seien alle als Arbeiter oder Lehrlinge beim selben Dienstgeber zurückgelegten Zeiten zu berücksichtigen. Die Bestimmungen der §§ 23 und 23a AngG seien entsprechend § 27b HeimArbG auch auf Heimarbeiter anzuwenden. Nach der ausdrücklichen Regelung des § 27b Abs 5 HeimArbG seien auch unmittelbar vorangegangene Arbeitsverhältnisse zu berücksichtigen, es sei denn, der Heimarbeiter habe bereits eine Abfertigung erhalten. Da die Funktion der Abfertigung für Heimarbeiter und Angestellte ähnlich seien, seien auch hier die Beschäftigungszeiten zusammenzurechnen, jedoch der Abfertigungsanspruch wegen der Eigenkündigung durch die Klägerin nach § 23 Abs 7 AngG zu verneinen.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin Folge und änderte es in klagsstattgebendem Sinne ab. Es begründete dies rechtlich zuammengefasst damit, dass das Heimarbeitsverhältnis als solches kein Arbeitsverhältnis darstelle, jedoch die im Heimarbeitergesetz festgelegten Schutzbestimmungen weitgehend an jene echte Arbeitnehmer heranreichten. Auch wenn anlässlich der "Übernahme" der Klägerin in ein reguläres Arbeitsverhältnis eine ausdrücklich Auflösung des Heimarbeitsverhältnisses nicht erklärt worden sei, stehe dies doch auf einer völlig unterschiedlichen vertraglichen Grundlage, die die Beendigung des Heimarbeitsverhältnisses voraussetze. Daher sei von einer schlüssigen einvernehmlichen Auflösung des Heimarbeitsverhältnisses auszugehen. Auch nach § 13b Abs 9 zweiter Satz BUAG stelle die Übernahme eines Bauarbeiters in ein dem Angestelltengesetz unterliegendes Beschäftigungsverhältnis eine abfertigungsbegründende Beendigung des vorher bestandenen Arbeitsverhältnisses dar. Auch wenn eine vergleichbare Regelung im HeimArbG fehle, sei von einer Auflösung auszugehen. Anderes wäre nur dann anzunehmen, wenn das auf das neue Arbeitsverhältnis anzuwendende Gesetz eine ausdrückliche Anrechnungsbestimmung für vorangegangene Dienstzeiten enthalte, wie etwa das Angestelltengesetz für die vorangegangenen Dienstzeiten als Arbeiter oder als Lehrling. Dies könne jedoch nicht für Zeiten als Heimarbeiter gelten.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu dieser Frage fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grunde zulässig, aber nicht berechtigt.

Der mit der Novelle BGBl 836/1992 eingeführte § 27b des HeimArbG 1961 sieht in seinem Abs 1 vor, dass dem Heimarbeiter bei "Beendigung des Heimarbeitsverhältnisses" eine Abfertigung gebührt und auf diese die §§ 23 und 23a AngG nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen anzuwenden sind. § 27b HeimArbG sieht dann in weiterer Folge noch Regelungen über die Bemessung der Anwartschaftszeiten und die Berechnung der Höhe der Abfertigung sowie Beendigungsfragen vor. Schließlich legt § 27b Abs 5 HeimArbG fest, dass Zeiten eines Arbeitsverhältnisses des Heimarbeiters zum selben Auftraggeber für die Abfertigung nur zu berücksichtigen sind, wenn das Arbeitsverhältnis dem Heimarbeitsverhältnis unmittelbar vorangegangen ist. Keine Berücksichtigung haben aber Zeiten zu finden, für die der Heimarbeiter als Arbeitnehmer im Betrieb desselben Auftraggebers bereits eine Abfertigung erhalten hat.

Entscheidend ist nun, ob es zu einer "Beendigung" des Heimarbeitsverhältnisses im Sinne des § 27b Abs 1 HeimArbG gekommen ist. Konkret haben hier die Parteien vereinbart, dass die Klägerin nicht mehr als Heimarbeiterin zu Hause, sondern als normale Arbeitnehmerin im Betrieb der Beklagten arbeiten soll. Dies stellt sich als Änderung der vertraglichen Vereinbarung dar. Nach § 1377 ABGB wird jedoch bei einer Umänderung im Sinne des § 1376 ABGB, also einer "Novation", bei der sich Rechtsgrund oder Hauptgegenstand ändern, ein Neuerungsvertrag geschlossen, bei dem die vorherige Hauptverbindlichkeit "aufhört" und die neue zugleich ihren Anfang nimmt. Unabhängig von der Frage der Verbindung der alten und der neuen Hauptverbindlichkeit (vgl dazu etwa Ertl in Rummel ABGB2 § 1377 Rz 2, Harrer/Heidinger in Schwimann ABGB2 § 1377 Rz 2) ist davon auszugehen, dass bei Vorliegen einer Novation das alte Rechtsverhältnis ebenfalls als beendet im Sinne des § 27b Abs 1 HeimArbG oder § 23 Abs 1 AngG anzusehen ist (vgl in diesem Sinne Harrer/Heidinger aaO § 1376 RZ 16 zum Vorstandsmitglied mwN).

Damit wird die Frage entscheidend, ob hier eine Novation im Sinne des Gesetzes vorliegt, ob sich also der Hauptgegenstand oder der Rechtsgrund geändert haben. Dies ist jedoch im Hinblick darauf, dass das Beschäftigungsverhältnis eines Heimarbeiters im Hinblick auf die mangelnde Integration in den Betrieb des Auftraggebers gar nicht als Arbeitsverhältnis angesehen wird (vgl RIS-Justiz RS0037812 mwN; Floretta/Spielbüchler/Strasser ArbR I4, 53; Ritzberger-Moser/Widorn HeimarbeiterG 1960, 17, Dross Heimarbeit - Ideale Arbeitsform der Zukunft DRdA 1992, 25 ff) anzunehmen. Liegt doch der Inhalt der Verpflichtung des Heimarbeiters darin, " im Auftrag und für Rechnung von Personen, die Heimarbeit vergeben, Waren herzustellen, zu bearbeiten, verarbeiten oder zu verpacken", während der Inhalt des Arbeitsvertrages darin besteht, die "anvertrauten gewerblichen Verrichtungen nach besten Kräften zu besorgen" (vgl § 76 GewO). Wesentlicher Leistungsinhalt des Arbeitsvertrages ist die persönliche, auf Zeit abgestellten Arbeitspflicht die in persönlicher Abhängigkeit, eingegliedert in den Betrieb des Arbeitgebers zu erbringen ist (vgl etwa OGH 9 ObA 25/01v mwN = SZ 70/52, SZ 54/75 uva). Der wesentliche Leistungsinhalt beim Heimarbeiter hingegen liegt im ohne diese persönliche Abhängigkeit erarbeiteten Produkt. Grundsätzlich ist also eine völlige Änderung des Hauptgegenstandes und daher eine Novation anzunehmen, wenn ein typischer Heimarbeitervertrag in einen echten Arbeitsvertrag umgewandelt wird oder umgekehrt. Damit tritt dann auch eine Beendigung des früheren Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 1377 ABGB ein und entsteht der Abfertigungsanspruch.

Zu prüfen bleibt jedoch, ob sich nicht aus den "Anrechnungsbestimmungen" der §§ 23 Abs 1 AngG bzw 27b Abs 5 HeimArbG Gegenteiliges ergibt, dass also der Gesetzgeber damit anordnen wollte, dass in diesen Fällen bei Umwandlung keine "Beendigung" im abfertigungsauslösenden Sinn vorliegt. Dabei wäre dann wohl nicht nur für den im § 27b Abs 5 HeimArbG ausdrücklich geregelten - für den Arbeitnehmer wohl regelmäßig ungünstigeren Fall - der Umwandlung eines Arbeitsverhältnisses in ein Heimarbeitsverhältnis ein solcher Gesetzeswille abzuleiten, sondern auch für den hier vorliegenden, umgekehrten Fall.

Die Gesetzesmaterialien (Initiativantrag 420A/1992 II/7638 18.GP; AB 842 BlgNR 18.GP) geben dazu keinen Aufschluss.

Um die Regelung des § 27b Abs 5 HeimArbG über die Anrechnung von vorhergehenden Zeiten eines "Arbeitsverhältnisses" beurteilen zu können, ist vorweg klarzustellen, dass zwischen der Frage der Beendigung des Rechtsverhältnisses und der Frage der Anrechnung bestimmter Zeiten für Ansprüche aus einem späteren Rechtsverhältnis zu unterscheiden ist. Das historische Vorbild des § 27 Abs 5 HeimArbG, die Regelung des § 23 Abs 1 dritter Satz AngG, wonach alle Zeiten, die der Angestellte in unmittelbar vorangehenden Arbeitsverhältnissen als Arbeiter oder Lehrling beim gleichen Arbeitgeber zurückgelegt hat, zu berücksichtigen sind, wurde erst mit der Schaffung des Abfertigungsanspruches für Arbeiter mit dem Arbeiterabfertigungsgesetz BGBl 107/1979 eingefügt. Daraus zeigt sich der jeweils enge Begriff der Zeiten eines "Dienstverhältnisses", die für die Berechnung der Abfertigung heranzuziehen sind, nämlich nur jene die dem Angestelltengesetz unterliegen. Nur "erweiternd" sollten auch Zeiten eines "Dienstverhältnisses" als Arbeiter zu berücksichtigen sein. Mit der Frage allfälliger Abfertigungsansprüche bei Übertritt eines Arbeiters in das Angestelltenverhältnis sah sich der Gesetzgeber schon deshalb nicht konfrontiert, da beides ja Arbeitsverhältnisse sind und eine Änderung wohl regelmäßig nicht als Änderung des Hauptgegenstandes des Rechtsverhältnisses im Sinne einer Novation zu verstehen sein wird. Daher tritt dann auch keine Beendigung im Sinne des § 1377 ABGB bzw § 23 AngG oder § 2 ArbAbfG ein. Dies bedeutet im Ergebnis, dass die "Anrechnungsbestimmungen" des § 23 Abs 1 AngG eben im Hinblick auf den engen Begriff der "Zeiten des Dienstverhältnisses" tatsächlich nur die Anordnung einer Anrechnung von früheren Zeiten in einem anderen Dienstverhältnis für das dem Abfertigungsanspruch zugrunde liegende Dienstverhältnis enthalten, nicht aber auch Regelungen darüber treffen, dass trotz Beendigung des früheren Dienstverhältnisses kein Abfertigungsanspruch entstehen soll.

Der wesentliche Unterschied zwischen den Änderungen der Inhalte von Arbeitsverträgen und der Änderung zwischen dem Vertragstypus Arbeitsvertrag einerseits und dem Heimarbeitsverhältnis andererseits liegt nun eben darin, dass im ersten Fall regelmäßig keine Beendigung des früheren Rechtsverhältnisses eintritt, während dies im zweiten, hier vorliegenden Fall, anzunehmen ist (vgl in diesem Sinne auch Ritzberger-Moser/Widorn aaO, 96).

Dass im ersten Fall der bloßen Änderung des Arbeitsvertrages keine Beendigung gemäß § 1377 ABGB eintritt erklärt auch, warum in den §§ 13a Abs 1 Z 6 und 13b Abs 9 BUAG ausdrücklich angeordnet wird, dass eine solche Änderung als Beendigung im Sinne der Abfertigungsbestimmungen des BUAG gilt (argumentum e contrario).

Vor diesem Hintergrund ist nun in der Bestimmung des § 27b Abs 5 HeimArbG eine reine Anrechnungsbestimmung zu sehen, die - weil sie eben an der Beendigung nichts ändert - noch (anders als § 23 Abs 1 dritter Satz AngG) um die Regelung zu ergänzen war, dass keine Anrechnung stattzufinden hat, wenn der Arbeitnehmer - nunmehr Heimarbeiter - seine Abfertigung bei der Beendigung erhielt. Es steht dem Arbeitnehmer also frei, innerhalb der Verjährungsfrist diesen Abfertigungsanspruch geltend zu machen. Macht er davon nicht Gebrauch, werden die Dienstzeiten für den nach dem Heimarbeitsgesetz zu berechnenden Abfertigungsanspruch im Sinne des § 27b Abs 5 HeimArbG angerechnet.

Da sich also aus § 27b Abs 5 HeimArbG für den umgekehrten Fall eine Einschränkung der Möglichkeit der Geltendmachung der Abfertigung nicht ableiten lässt, ist für den hier vorliegenden - gar nicht gesetzlich geregelten Fall - ebenfalls eine solche nicht anzunehmen.

Schließlich wäre noch zu prüfen, ob abweichend von dieser gesetzlichen Lage eine dem Günstigkeitsvergleich standhaltende Vereinbarung über die Anrechnung der Zeiten als Heimarbeiter für das Arbeitsverhältnis ohne Auszahlung der Abfertigung zustandegekommen ist (vgl etwa zu den aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidenden Vorstandsmitgliedern RIS-Justiz RS0028466 mwN = GesR 1989, 221 = WBl 1989, 377). Dafür wäre aber die Beklagte behauptungs- und beweispflichtig. Eine konkrete dahingehende Vereinbarung konnte nicht nachgewiesen werden. Allein die nach Beginn der Tätigkeit als Arbeiterin gemachte Äußerung des Geschäftsführers der Beklagten, dass die Klägerin "übernommen" sei, ist dazu nicht ausreichend. Insgesamt war daher der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG iVm 50 und 41 ZPO.

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