Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Erstgericht zur neuerlichen, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällenden Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Antragstellers im Rechtsmittelverfahren bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 29. 7. 1992, ZI. *****, wurde zum Zweck der Verbreiterung des W*****-Weges im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin (und Enteignungswerberin) zu deren Gunsten eine Grundfläche von 109 m**2 gemäß §§ 61 Abs 1 lit d und 67 ff Tiroler Straßengesetz (TirStraßenG) für dauernd lastenfrei enteignet erklärt. Auf der enteigneten Fläche, die asphaltiert worden war, befand sich im Enteignungszeitpunkt ein Natursteinsockel. Das Gst 2215/1 liegt im Ortsgebiet von S***** im Bauland. Der Antragsteller war im Zeitpunkt der Enteignung Alleineigentümer dieses Grundstücks und betrieb das darauf errichtete Hotel A*****. Entlang der östlichen Grenze des Gst 2215/1 verläuft der W*****-Weg als öffentliche Gemeindestraße. Im Verwaltungsverfahren wurde dem Antragsteller als Entschädigung für die aus Gst 2215/1 enteignete Fläche von insgesamt 109 m**2 folgende Entschädigung zuerkannt:
8 m**2 bebaubar 2.550 S/m**2
101 m**2 unbebaubar 1.725 S/m**2
Entschädigung für verlorenen Aufwand
Natursteinsockel, Asphalt 28.350 S
Entschädigung für Verlust von 6 Parkplätzen 115.200 S.
Insgesamt wurde die Entschädigung demnach mit 338.175 S bemessen.
Mit der Behauptung, dass diese Entschädigung zu gering sei, weil für die gesamte Fläche der Baulandpreis gebühre, durch die Enteignung acht Parkplätze verlorengegangen seien und der verlorene Aufwand für Natursteinsockel und Asphaltierung höher anzusetzen sei, begehrte der Antragsteller eine Entschädigung in der Höhe von 1,610.271 S sA wie folgt:
Entschädigung für die enteignete Grundfläche 1,560.271 S
Entschädigung für verlorenen Aufwand Natursteinsockel und Asphalt
50.000 S.
Der Antragsteller brachte vor, es sei für die gesamte enteignete Fläche von 109 m**2 der Baulandpreis zu entschädigen. Durch die Enteignung seien acht Parkplätze verloren gegangen, wobei ein Betrag von 100.000 S je Parkplatz angemessen sei. Darüber hinaus habe der Antragsteller gem § 65 Abs 1 lit b TirStraßenG Anspruch auf Vergütung anderer unmittelbar durch die Enteignung verursachter Vermögensnachteile: Der Wegfall von acht Parkplätzen wirke sich auf Grund der damit verbundenen Einnahmensverluste wertmindernd auf die verbliebene Liegenschaft aus; diese "Restgutentschädigung" sei mit 2,000.000 S zu bewerten (ON 71). Eine Ausdehnung des Begehrens im Sinne dieses Vorbringens erfolgte jedoch nicht.
Die Antragsgegnerin stellte den Antrag, die Entschädigung mit 0 S, in eventu mit höchstens 100.000 S festzusetzen. Durch den Verkehrswert für die enteignete Fläche sei auch der Verlust für die auf dieser Fläche möglichen Parkplätze abgegolten. Dass sich auf der enteigneten Fläche ein Natursteinsockel befinde und dort Asphalt aufgebracht worden sei, bewirke für den Antragsteller keinen zusätzlichen Schaden. Für Autoabstellflächen des Antragstellers auf der enteigneten Fläche wäre gemäß der Tiroler Bauordnung eine Bewilligung der Baubehörde erforderlich gewesen; in Ermangelung einer solchen Bewilligung habe der Antragsteller auf der enteigneten Fläche gar keine Fahrzeuge abstellen dürfen, weshalb ihm durch die Enteignung keine Parkmöglichkeiten verloren gegangen seien. Gem § 66 Abs 3 und Abs 4 TirStraßenG sei bei der Enteignung von Grundflächen für den Neubau von Gemeindestraßen oder bei baulichen Änderungen an solchen Straßen die Enteignungsfläche nur für jene Grundstücksteile, die über die Achse der Gemeindestraße hinausreichten (hier: ca 8 m**2), als bebaubar zu werten, darüber hinaus sei sie als nicht bebaubar zu werten (ON 100).
Der Antragsteller entgegnete, ihm wäre eine Genehmigung für Autoabstellflächen im Falle eines entsprechenden Ansuchens erteilt worden. Gegen ihn sei auch kein Verwaltungsstrafverfahren wegen der Autoabstellplätze eingeleitet worden. Die Bewertungsbestimmung des § 66 Abs 3 TirStraßenG finde auf den vorliegenden Enteignungsfall keine Anwendung, weil es sich weder um den Neubau einer Gemeindestraße noch eine bauliche Änderung einer solchen handle.
Das Erstgericht setzte im zweiten Rechtsgang die dem Antragsteller gebührende Enteignungsentschädigung für den Grundverlust von 109 m**2 mit 1,560.271 S sowie für verlorenen Aufwand für einen Natursteinsockel und Asphalt mit S 28.350 S, zusammen also mit 1,588.621 S fest. Es traf folgende Feststellungen: Das Grundstück 2215/1 liegt im Ortszentrum der Antragsgegnerin östlich der Ö***** Bundesstrasse B ***** sowie westlich der Ö*****. Die Parzelle, die rund 30 m von der Hauptstrasse entfernt und über den nordostseitigen asphaltierten Gemeindeweg ganzjährig mit Fahrzeugen aller Art erreichbar ist, ist mit dem Hotelgebäude A***** überbaut. Die freien Hofraumflächen sind asphaltiert und werden als Parkplätze genutzt. Für die Führung des Hotelbetriebs ist die Ortslage bestens geeignet, weil die Mehrheit der Touristen zentrale Ortsbereiche in der Nähe von Geschäften, gastronomischen Unternehmungen und Aufstiegshilfen Objekten an der Peripherie vorzieht. Die Antragsgegnerin ist ein bevorzugter Fremdenverkehrsort mit einer ausgezeichneten, zum Teil schon überzogenen und nahezu gänzlich auf den Tourismus ausgerichteten Infrastruktur. Durch die Ganzjahresschigebiete am R*****- und T*****gletscher, die zahlreichen über das gesamte Gemeindegebiet verstreuten Liftanlagen mit über 100 km gut präparierten Pisten zählt die Antragsgegnerin insbesondere im Winter zu den bestbesuchten und bestausgelasteten Tourismuszentren Österreichs, ja Europas. Die Beherbergungsbetriebe bieten ca 14.000 Gästebetten zumeist in der gehobenen Qualitätsklasse an; jährlich werden rund 2 Millionen Nächtigungen erzielt. Das Hotel A***** verfügte zum Enteignungszeitpunkt über 23 Gäste- und 3 Personalzimmer. Im Jahr 1992 waren 8.946 abgabenpflichtige und 571 taxfreie Nächtigungen gemeldet, was über 200 Vollbelegungstagen entspricht. Diese Auslastung ist weitgehend als Jahresdurchschnitt anzusehen. Die Enteignungsfläche des Grundstücks 2215/1 bildet einen Streifen entlang der gesamten Nord- und Ostgrenze der Parzelle. Dieses Trennstück dient der Begradigung und geringfügigen Verbreiterung des Gemeindewegs zum Ortsteil W*****. Zur Begradigung und Verbreiterung des W*****-Weges wurde aus der Wegparzelle 6719 eine Teilfläche von 63 m**2 dem ostseitigen Anrainergrundstück 2213/1 zugeschrieben, während aus dem westseitig gegenüberliegenden Grundstück 2215/1 des Antragstellers 109 m**2 dem Gemeindeweg angegliedert wurden. Die Abschreibung der 63 m**2 von der Wegparzelle erfolgte 1971; damit entstand ein Problem, weil der Weg nunmehr nicht mehr breit genug zur Durchfahrt war. In weiterer Folge führte der Weg deshalb in Natur über das Grundstück des Antragstellers. Am 2. 12. 1991 wurde dann der W*****-Weg gemäß § 13 Abs 4 TirStraßenG zur Gemeindestrasse erklärt und dem Antragsteller mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 28. 1. 1992 mitgeteilt, dass die in den W*****-Weg einbezogene Teilfläche des Grundstücks 2215/1 nun Bestandteil des Gemeindewegs sei. Der westseitige Teil des Grundstücks 2213/1 ist als Rasenfläche angelegt, an der neuen Grenze zwischen Grundstück 2213/1 und dem Gemeindeweg wurde eine Einfriedung aus einem ca 70 cm hohen Natursteinsockel mit aufgesetztem Drahtmaschenzaun errichtet. Die enteignete Fläche an der Nordostecke des Grundstücks 2215/1 hätte für drei große PKW als Hintereinanderparker, die ostseitige entlang der Hotelgebäudefront für einen kleinen und vier große PKW als Längsparker dienen können. Das Hotel A***** verfügte vor der Enteignung über 23 PKW-Abstellplätze. Der Verlust von acht Parkplätzen ist eine schwerwiegende Betriebseinschränkung. Die Antragsgegnerin hat die Wichtigkeit von Parkflächen erkannt und seit Jahrzehnten darauf Bedacht genommen, dass gewerbliche Unternehmungen ohne ausreichende Abstellplätze nicht errichtet oder erweitert werden dürfen. Ersatzabgaben für fehlende Plätze, wie dies in anderen Orten möglich ist, sind nicht zugelassen. Die Antragsgegnerin hat 1977 gem § 9 Tiroler Bauordnung eine Garagen- und Stellplatzverordnung erlassen, wonach gastgewerbliche Unternehmungen für je drei Gästebetten einen Stellplatz, für je 10 Restaurant-Sitzplätze einen Stellplatz, für je 10 m**2 Nutzfläche in Tanzlokalen und Bar einen Stellplatz und für je drei Beschäftigte einen Stellplatz nachzuweisen haben. Der Hotel-Restaurant-Barbetrieb A***** müsste demnach für 46 Gästebetten zumindest 15 Parkplätze, für 137 Normalsitzplätze im Restaurant und Speisesaal 14 Parkplätze, für 70 m**2 Nutzfläche in der Kellerbar 7 Parkplätze und für durchschnittlich 10-12 Arbeitnehmer vier Parkplätze, sohin insgesamt zumindest 40 Abstellplätze bieten können. Auf jene Betriebe, welche vor Kundmachung und Rechtskraft der Stellplätze-Verordnung errichtet worden sind, wie dies beim Hotel A***** der Fall ist, wird diese Mindestvorschrift nicht angewandt. Die meisten Gäste reisen individuell zum Urlaub in die Gemeinde der Antragsgegnerin. Gerade die die Mehrheit bildenden "Wintergäste" führen ein erhöhtes Gepäckvolumen mit sich, welches zusätzlich durch Sportausrüstungen vergrößert wird. Sie legten daher besonderen Wert darauf, ihr Fahrzeug in unmittelbarer Nähe ihres Feriendomizils abzustellen. Diese Tendenz entspringt neben der Gepäckslast auch dem Bestreben, das zur Winterszeit durch Räumfahrzeuge, andere Verkehrsteilnehmer und Dachlawinen eher gefährdete Fahrzeug besser beobachten und im Bedarfsfalle auch von Schneelasten und Eisbildungen rasch befreien zu können. Der umsichtige Gast wird daher in einem Hotel ohne Parkplatz erst dann Logis beziehen, wenn er auch in keinem anderen Betrieb dieses an und für sich selbstverständliche Service findet. Sollte der Inhaber des Hotels A***** im unmittelbaren Nahbereich für den Verlust der Parkplätze keinen Ersatz finden, muss mit einer Vermietungserschwernis bei den Gästezimmern gerechnet werden. Im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin herrscht exorbitante Knappheit an nutzungsfähigen Liegenschaften, insbesondere an solchen, die im Flächenwidmungsplan als Bauland aufscheinen. Die meisten Liegenschaften bilden gleichzeitig die Einkommens- und Versorgungsbasis der Eigentümer und ihrer Familien, sodass Grund und Boden mit außerordentlicher Beharrlichkeit innerhalb der Familien festgehalten wird. Die überdurchschnittlich geringen Grundstücksangebote und die ausgezeichnete Ertragslage haben die Preise im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin enorm in die Höhe getrieben. Unter Berücksichtigung der zentralen Ortlage, der Verwendungsmöglichkeit für PKW-Abstellplätze und der erhobenen Vergleichswerte beträgt der Verkehrswert der Enteignungsfläche von 109 m**2 aus Grundstück 2215/1 zum Bewertungsstichtag 29. 7. 1992 15.000 S pro m**2, was einen Gesamtschätzwert von 1.635.000 S ergibt.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Enteignungsentschädigung sei gem § 66 Abs 1 TirStraßenG nach dem Verkehrswert des Gegenstands der Enteignung zu bemessen. Verkehrswert sei jener Preis, der bei einer Veräußerung der Sache üblicherweise im redlichen Geschäftsverkehr erzielt werden könne. Die Berechnung des Verkehrswertes habe nach objektiven und konkreten Kriterien unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Enteigneten zu erfolgen. Die Wahl der Ermittlungsmethode sei ein betriebswirtschaftliches Problem; es sei jene Wertermittlungsmethode heranzuziehen, die im Einzelfall am besten geeignet erscheine. Habe eine Fläche einen eigenständigen Verkehrswert, so sei dieser im Wege der Vergleichswertmethode festzustellen. Da im gegenständlichen Fall die enteignete Teilfläche durchaus eine Kleinfläche mit eigenem Verkehrswert sei, sei der Verkehrswert anhand der Vergleichswertmethode zu ermitteln gewesen. Danach betrage der Verkehrswert der enteigneten Fläche 15.000 S pro m**2, wobei davon ausgegangen worden sei, dass die ganze Fläche als bebaubar gelte. Abstandsflächen und somit auch einer Hotelanlage dienende Stellflächen seien nämlich nicht isoliert zu betrachten, sondern als notwendige Zubehörsflächen wertmäßig mit dem Gesamtgrundstück zu vergleichen. Mit dem Ersatz des Verkehrswerts der Fläche sei auch der Nachteil des Antragstellers infolge Wegfalls von Abstellplätzen bereits mitabgegolten. Es erübrige sich daher ein Eingehen auf die Frage, wie viele Parkplätze im Enteignungsbereich verloren gegangen seien und ob die Errichtung und Benützung solcher Abstellplätze durch die Baubehörde bewilligungspflichtig gewesen wäre. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin sei die enteignete Fläche für den Antragsteller nicht wertlos gewesen. Sie sei vielmehr als Autoabstellfläche für den Hotelbetrieb sehr wertvoll gewesen und habe deshalb einen hohen Verkehrswert.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu § 66 Abs 3 und 4 TirStraßenG im Zusammenhang mit einer gerichtlichen Festsetzung der Enteignungsentschädigung fehle. Bei der Bewertung der enteigneten Grundfläche sei davon auszugehen, dass der Antragsteller ohne die Enteignung diese Fläche als für seinen Hotelbetrieb vorteilhafte Abstell- bzw Parkflächen für Fahrzeuge, insbesondere seiner Hotelgäste, verwenden hätte können und diese daher den vom Sachverständigen ermittelten Verkehrswert aufgewiesen habe. Der Anwendungsbereich des § 66 Abs 3 und Abs 4 TirStraßenG umfasse den gegenständlichen Enteignungsfall, weil auch eine Begradigung und Verbreiterung einer Straße als bauliche Änderung zu beurteilen sei. Es sei davon auszugehen, dass die betreffenden landesgesetzlichen Regelungen über die Vergütung der Enteignungsentschädigung auch für die gerichtliche Neufestsetzung der Enteignungsentschädigung Geltung habe. Dennoch müsse nicht ermittelt werden, welcher Teil der Enteignungsfläche über die Achse (Mittelachse längs der Straße) der zu bauenden bzw baulich zu verändernden Straße hinausreiche. Beim vorliegenden Sachverhalt würde sich an der Höhe der dem Antragsteller zustehenden Entschädigung nämlich nichts ändern. Dass eine Fläche im Sinne der angeführten landesgesetzlichen Regelung als "nicht bebaubar" zu bewerten sei, heiße nicht auch, dass dafür im geschäftlichen Verkehr nicht dennoch Baulandpreise gezahlt würden. Dass eine Fläche als "nicht bebaubar" anzusehen ist, bedeute insbesondere auch nicht, dass diese Fläche etwa als Freiland zu bewerten sei. Auch die notwendigen Abstandsflächen zu Nachbargrundstücken seien stets "nicht bebaubar", könnten jedoch dennoch wertmäßig nicht isoliert vom übrigen Baugrundstück betrachtet werden. Es würden bekanntermaßen auf dem Grundstücksmarkt auch einheitliche Baulandpreise für das Gesamtgrundstück, also auch für die in Wirklichkeit nicht bebaubaren, aber für eine Bebauung unbedingt erforderlichen Abstandsflächen gezahlt. Im gegenständlichen Verfahren sei ohnehin die gesamte dem Antragsteller enteignete Fläche von 109 m**2 als "nicht bebaubar" angesehen und bewertet worden. Das Beweisverfahren habe hiezu ergeben, dass für derartige (auch nicht bebaubare) Abstell- und Parkflächen im Ortszentrum der Antragsgegnerin der festgestellte Quadratmeterpreis zum hier maßgeblichen Bewertungsstichtag erzielbar gewesen sei. Die dem Antragsteller enteignete Fläche habe daher, selbst wenn sie als "nicht bebaubar" im Sinne des § 66 Abs 4 TirStraßenG angenommen werde, den vom Erstgericht festgestellten Verkehrswert aufgewiesen. § 66 Abs 1 TirStraßenG ordne an, die Vergütung nach dem Verkehrswert des Gegenstands der Enteignung am Wertermittlungsstichtag zu bemessen. Auch könne eine allenfalls verminderte Entschädigung des enteigneten Baulandeigentümers gemäß der angeführten landesgesetzlichen Regelung nur mit dem mit einem Neubau oder Ausbau einer Gemeindestraße im Bauland im allgemeinen einhergehenden Erschließungsvorteil begründet und gerechtfertigt werden; bei den vorliegenden Verhältnissen sei ein derartiger ins Gewicht fallender Vorteil für den Antragsteller jedoch nicht erkennbar. Nicht zu beanstanden sei letztlich auch der für "verlorenen Aufwand" für einen Natursteinsockel und Asphaltfläche" zuerkannte Betrag.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil Rechtsprechung zur Bewertungsvorschrift des § 66 TirStraßenG fehlt; das Rechtsmittel ist auch berechtigt im Sinne seines Aufhebungsantrags.
Die Antragsgegnerin wendet sich gegen den ermittelten Verkehrswert der Enteignungsfläche und vertritt die Auffassung, im Hinblick auf die Bewertungsvorschriften des § 66 TirStraßenG hätten die enteigneten Flächen, soweit sie sich nicht über die Achse der Gemeindestraße hinaus erstreckten (dies beträfe 101 m**2), als nicht bebaubar nach Freilandpreisen bewertet werden müssen. Daran ändere auch nichts, dass (grundsätzlich unbebaubare) Abstandsflächen üblicherweise zu Baulandpreisen gehandelt würden.
Auch im Außerstreitverfahren ist der Oberste Gerichtshof nur Rechts-
und nicht Tatsacheninstanz (SZ 60/269; SZ 69/20; SZ 69/74). Die
Ermittlung des Verkehrswerts der Enteignungsfläche durch die
Vorinstanzen gehört dem Tatsachenbereich an. Sie ist nur dann im
Rahmen der Rechtsrüge überprüfbar, wenn sie auf Schlussfolgerungen
beruht, die mit den Gesetzen der Logik oder Erfahrung unvereinbar
sind (SZ 52/185; SZ 60/269; ecolex 2000, 126) oder eine rechtlich
vorgeschriebene Methode der Bewertung außer Acht lässt. Letzteres ist hier der Fall.
Nach § 66 Abs 1 TirStraßenG ist die Vergütung im Falle einer
Enteignung nach dem Verkehrswert des Gegenstands der Enteignung am
Wertermittlungsstichtag zu bemessen. Bei der Enteignung von
Grundflächen für den Neubau einer Gemeindestraße oder einer öffentlichen Interessentenstraße im Bereich des Baulandes oder für bauliche Änderungen solcher Straßen oder für den Bau jener Bestandteile einer Landesstraße im Bereich des Baulandes, für die nach § 10 Abs 2 dieses Gesetzes die Gemeinde die Straßenbaulast zu tragen hat, sind diese Grundflächen als nicht bebaubar zu bewerten (§ 66 Abs 3 TirStraßenG). Erstreckt sich die von einem Grundeigentümer bei einer Enteignung im Sinne des Abs 3 abzutretende Grundfläche über die Achse der zu bauenden Straße hinaus, so ist dieser Teil der abzutretenden Grundfläche als bebaubar zu bewerten, sofern die an der anderen Seite der Straße liegende Grundfläche als Bauland ausgewiesen ist (§ 66 Abs 4 TirStraßenG).
Diese Vorschrift hat den aufgehobenen § 18 Abs 4 der Tiroler Bauordnung (TirBO) zum Vorbild, in dem die Bemessung der Entschädigung für die Grundabtretung von Grundflächen, die für die Herstellung oder Verbreiterung von Gemeindestraßen benötigt werden, in gleicher Weise geregelt war. Aus rechtssystematischen Gründen wurde diese Bestimmung in das TirStraßenG eingebaut, weil sie - materiell gesehen - eine straßenrechtliche Regelung ist. Sie erweitert den Anwendungsbereich der Vorgängerbestimmung von "Verbreiterung" auf "bauliche Änderungen" sowie auf öffentliche Interessentenstraßen im Bauland und auf bestimmte Landesstraßen im Bauland mit der Begründung, auch in den neu hinzugekommenen Fällen rechtfertige der besondere Erschließungsvorteil aus den Straßenbaumaßnahmen, denen die Enteignung diene, für die Eigentümer von Bauplätzen im Bauland die verminderte Entschädigung. Die Bestimmungen gelten nicht nur im Falle des Neubaus einer der Abs 3 leg cit angeführten Straßen, sondern auch bei einem Ausbau oder bei sonstigen baulichen Änderungen an einer solchen Straße (Gstöttner, Tiroler Straßengesetz, 213).
Nach Hauer (Tiroler Baurecht, 1985, TirBO § 18 Anm 13) entspricht diese Lösung Billigkeitserwägungen, wobei es vor allem auch auf die Breite und die Funktion (Durchzugsstraße, Aufschließungsstraße) der Straße und das verbleibende Bauland ankomme.
Mit § 18 TirBO hatte sich der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. 12. 1978, Slg 8475, zu beschäftigen. Im Zuge einer Prüfung dieser Norm auf ihre Verfassungsmäßigkeit im Lichte des Gleichheitssatzes führte der Gerichtshof aus, die Entschädigungsregelung stehe in einer Wechselwirkung zu den Erschließungsvorteilen von Eigentümern von Bauplätzen im Bauland; aus der Sicht des Gleichheitssatzes seien keine Bedenken gegen die Entschädigungsregelung des § 18 TirBO entstanden (vgl dazu Hauer, Fragen der Grundabtretung und der Entschädigung, 320 ff). Der erkennende Senat schließt sich dieser Beurteilung im Hinblick auf § 66 TirStraßenG an. Durch die Erschließung einer als Bauland gewidmeten Liegenschaft durch eine Gemeindestraße wird ein Dauerzustand geschaffen, dessen Vorteile nicht mit der Errichtung der Straße aufhören, sondern für den Grundeigentümer solange fortwirken, als die Widmung unverändert bleibt und die Straße besteht; dieser Erschließungsvorteil rechtfertigt daher auch in Fällen baulicher Änderungen an der Straße, die regelmäßig deren Benützbarkeit verbessern, die den Straßenerhalter begünstigende Entschädigungsregelung des § 66 TirStraßenG.
Der gerichtliche Sachverständige hat die Gliederung der Enteignungsfläche für deren Bewertung in einen bebaubaren und einen nicht bebaubaren Teil iSd § 66 TirStraßenG für nicht notwendig erachtet. Beim Erwerb eines Bauplatzes oder von kleinflächigen Parzellenteilen werde nämlich regelmäßig an keinen Abschlag für Abstandsflächen gedacht; für diese sei daher unter Bedachtnahme auf die Benützungsart (Abstandsfläche) und Nutzungsmöglichkeit (Parkplätze) der ortsübliche Verkehrswert zu ermitteln (Gutachtensergänzung ON 104, S 2). Er hat die Enteignungsfläche - einschlägiger Literatur folgend - als Zubehörfläche und mit der Hauptfläche als bebaubar bewertet (Gutachtensergänzung ON 30 S 2; Tagsatzungsprotokoll vom 8. 7. 1999 ON 113, S 4). Den Preis für Bauland beurteilte er durchschnittlich als das 12- bis 20-fache des Kulturgrundpreises (Gutachten ON 13 S 10).
Die vom Sachverständigen für die Ermittlung des Wertes des Enteignungsfläche gewählte Methode wird den in § 66 Abs 3 und 4 TirStraßenG aufgestellten rechtlichen Vorgaben nicht gerecht. Die in dieser Bestimmung enthaltene gesetzliche Bewertungsregel stellt nämlich für die Bemessung des Verkehrswerts der näher bezeichneten Enteignungsflächen gerade nicht auf die tatsächlichen Verhältnisse, wie Benützungsart, Nutzungsmöglichkeit oder Zubehöreigenschaft zu einer Hauptfläche, ab, sondern verlangt vielmehr deren fiktive Bewertung als nicht bebaubar. Die Bebaubarkeit einer Grundfläche bestimmt sich dabei nach raumordnungs- rechtlichen Vorschriften.
Das Tiroler Raumordnungsgesetz 1997, LGBl 10/1997 (TROG) gliedert die Grundflächen eines Gemeindegebiets ihrer Widmung nach in Bauland, Freiland, Sonderflächen oder Vorbehaltsflächen (§ 35 Abs 1 TROG). Als Bauland dürfen nur Grundflächen gewidmet werden, die sich für eine der jeweiligen Widmung entsprechende Bebauung eignen (§ 37 Abs 1 TROG); Gleiches gilt sinngemäß für Sonderflächen (§ 43 Abs 3 TROG) und Vorbehaltsflächen (§ 53 Abs 3 TROG). Als "nicht bebaubar" iSd § 66 Abs 3 und 4 TirStraßenG können daher nur solche Grundflächen gelten, die als Freiland iSd § 41 TROG gewidmet sind.
Die vom Sachverständigen angewendete Vergleichswertmethode wird zwar grundsätzlich der vom Gericht gestellten Aufgabe, den Verkehrswert der Enteignungsfläche zu ermitteln, gerecht. Im konkreten Fall ist das dabei erzielte Ergebnis aber deshalb zu bemängeln, weil die ausgewählten Vergleichsfälle ausschließlich als Bauland gewidmete Grundstücke zum Gegenstand hatten. Der gesetzlichen Vorgabe entsprechend können aber - wie zuvor ausgeführt - nur solche Verkaufsfälle zum Vergleich herangezogen werden, bei denen die verkaufte Liegenschaft im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin lag und als Freiland iSd § 41 TROG gewidmet war. Dass der auf diese Weise ermittelte Verkehrswert für die enteignete Fläche nur eine Fiktion ist und den tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht entspricht, ist auf Grund der anzuwendenden Bewertungsregel unvermeidlich, entspricht aber der Absicht des Gesetzgebers und ist vom Enteigneten (im Sinne der Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs) zum Ausgleich für den ihm zugute gekommenen Erschließungsvorteil hinzunehmen.
Ausgehend von einer unzutreffenden Rechtsansicht hat das Erstgericht die Vergütung für die enteignete Fläche unrichtig bestimmt. Die Tatsachengrundlage reicht aber nicht aus, in der Sache selbst zu entscheiden. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind deshalb in Stattgebung des Revisionsrekurses zur Verfahrensergänzung durch das Erstgericht aufzuheben.
Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht Feststellungen dazu zu treffen haben, welcher Teil der Enteignungsfläche sich über die Achse des W*****-Weges hinaus erstreckt; bei der Neufestsetzung des Entschädigungsbetrags wird es sodann die aufgezeigten Bewertungsgrundsätze zu berücksichtigen haben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 74 Abs 4 TirStraßenG iVm § 44 EisenbEntG. Auf das gerichtliche Verfahren zur Festsetzung der Vergütung findet das EisenbEntG sinngemäß Anwendung. Demnach hat die Antragsgegnerin infolge des im Enteignungsverfahren geltenden Grundsatzes der Einseitigkeit der Kostenersatzpflicht (SZ 69/74) ihre Kosten jedenfalls selbst zu tragen. Die Kosten der Antragsteller im Rechtsmittelverfahren sind hingegen in analoger Anwendung des § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO im Aufhebungsbeschluss als weitere Verfahrenskosten der Endentscheidung vorzubehalten (SZ 60/17 mwN; SZ 67/25; SZ 68/41; SZ 69/74).
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