OGH 4Ob165/01w

OGH4Ob165/01w12.9.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundesarbeitskammmer, *****, vertreten durch Dr. Heinz Kosesnik-Wehrle, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei I*****gmbH iL, *****, vertreten durch Dr. Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 500.000 S), infolge ordentlichen Revisionsrekurses beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 29. September 2000, GZ 2 R 37/00a-10, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 21. Jänner 2000, GZ 37 Cg 11/00x-4, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der Beklagten wird nicht Folge gegeben; dem Revisionsrekurs der Klägerin wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung - einschließlich des bestätigten Teils - insgesamt wie folgt zu lauten hat:

"Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des Anspruchs der Klägerin gegen die Beklagte auf Unterlassung wettbewerbswidriger Verhaltensweisen wird der Beklagten bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits ab sofort geboten, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen,

a) Verzehrprodukte, insbesondere sogenannte "blau-rote Energie", an Letztverbraucher im Wege des Versandhandels abzugeben;

b) beim Inverkehrbringen von Verzehrprodukten, insbesondere der sogenannten "blau-roten Energie", sich auf die jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende oder gesunderhaltende Wirkung dieser Produkte zu beziehen und/oder den Eindruck zu erwecken, diesen Produkten käme eine solche Wirkung zu, wenn diese Angaben nicht gemäß § 9 Abs 3 LMG von der zuständigen Behörde bescheidmäßig zugelassen sind;

c) Verzehrprodukte, insbesondere sogenannte "blau-rote Energie", ohne Anmeldung nach § 18 Abs 1 LMG oder mit von der Anmeldung abweichender Deklaration in Verkehr zu bringen;

d) im Geschäftsverkehr, insbesondere in Ankündigungen oder Werbungen, lediglich ein Postfach, nicht aber die vollständige Firma dessen, der mit dem Adressaten in rechtsgeschäftlichen Verkehr tritt, zu verwenden.

Die Beklagte hat die Äußerungskosten endgültig selbst zu tragen."

Die Klägerin hat die Kosten des Provisorialverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die Beklagte hat die Kosten des Provisorialverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Beklagte ist zu FN 104361y des Firmenbuchs beim Handelsgericht Wien protokolliert. Sie tritt im geschäftlichen Verkehr auch unter den Bezeichnungen "Europaversand" und "Friedrich Mueller" auf. "Friedrich Mueller" ist eine für die Beklagte beim Österreichischen Patentamt zu Nr 168815 registrierte Marke.

Die Beklagte vertreibt im Versandhandel (ua) das Produkt "Die blau-rote Energie". In einem Katalog wirbt sie dafür mit Abbildungen des Sängers Roberto Blanco und des Schauspielers Harald Juhnke, den sie wie folgt zitiert "Diese blau-rote Energie macht mich jünger".

Anschließend wird ausgeführt:

"Warum sind die Brasilianer so temperamentvoll, so lebenslustig, so kerngesund bis ins hohe Alter und dazu zur Liebe immer bereit und fähig? Es ist vor allem die Wunderpflanze CURCUMA, deren Inhaltsstoffe den Körper zu einem 'Vulkan' machen, gleichzeitig aber auch die Seele von einem Hoch zum anderen führen. Machen Sie es so wie Filmstar Harald Juhnke: wenn Sie sich KÖRPERLICH nicht ganz 'oben' fühlen, nehmen Sie eine ROTE PILLE, wenn Ihr SEELISCHES Gleichgewicht in Unordnung gerät, eine BLAUE."

Unter diesem Text sind "GUARANA" und "CURCUMA" einander gegenübergestellt, wobei "GUARANA" der Hinweis "an Tagen des seelischen Tiefs" und "CURCOMA" der Hinweis "an Tagen mit körperlichen Problemen" zugeordnet ist. Darüber hinaus wird noch mit der Aussage "Steigert das Lustempfinden bei Mann + Frau" geworben.

Am 2. 11. 1999 bestellte Hans Jürgen W***** aus ***** eine Packung "blau-rote Energie", die ihm in der Folge per Nachnahme zugesandt wurde. In der Packung befanden sich 30 rote und 30 blaue Pillen. Auf der Packung fand sich folgender Anwendungshinweis:

"Anwendung: Täglich morgens je nach Verfassung eine blaue oder rote Energie einnehmen. Langsam zerkauen. Konzentriert an die Wirkung denken."

Auf der anderen Seite der Packung war der Inhalt wie folgt beschrieben:

"Inhalt: 60 Magnesium und Vitamin-Dragees (120 g) zur Nahrungsergänzung. Vertrieb: Europa Versand, 1020 Wien, Copyright by EVD, Wien."

Der Packung war ein Bestellschein und ein längeres Schreiben beigelegt. In diesem Schreiben war genau angegeben, an welchen vorausberechneten Tagen von November 1999 bis Februar 2000 welche Pille einzunehmen sei.

Das Produkt "Die blau-rote Energie" wurde als Verzehrprodukt angemeldet. Im Anmeldeverfahren war das vorgelegte Warenmuster mit "blau an Tagen seelischen Tiefs" und "rot an Tagen körperlicher Probleme" beschrieben. Diese Angaben wurden als verbotene gesundheitsbezogene Angaben beanstandet. Die Beklagte ersetzte sie durch die Hinweise "blau für die Seele" und "rot für den Körper".

Der Absender des Katalogs und der Hans Jürgen W***** zugestellten Packung war mit "EVD" und der Nummer eines Postfachs bezeichnet. Die Firma der Beklagten lautete bis Mai 1999 "EVD Direktverkaufsgesellschaft mbH".

Die Klägerin begehrt zu Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten zu gebieten, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen,

a) Verzehrprodukte, insbesondere sogenannte "blau-rote Energie", an Letztverbraucher im Wege des Versandhandels abzugeben;

b) beim Inverkehrbringen von Verzehrprodukten, insbesondere der sogenannten "blau-roten Energie", sich auf die jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende oder gesunderhaltende Wirkung dieser Produkte zu beziehen und/oder den Eindruck zu erwecken, diesen Produkten käme eine solche Wirkung zu, wenn diese Angaben nicht gemäß § 9 Abs 3 LMG von der zuständigen Behörde bescheidmäßig zugelassen sind;

c) Verzehrprodukte, insbesondere sogenannte "blau-rote Energie", ohne Anmeldung nach § 18 Abs 1 LMG oder mit von der Anmeldung abweichender Deklaration in Verkehr zu bringen;

d) im Geschäftsverkehr, insbesondere in Ankündigungen oder Werbungen, lediglich ein Postfach, nicht aber die vollständige Firma dessen, der mit dem Adressaten in rechtsgeschäftlichen Verkehr tritt, zu verwenden.

Die Beklagte verstoße mit dem Vertrieb eines Verzehrprodukts im Versandhandel gegen § 50 Abs 2 GewO. Ihr Katalog enthalte gesundheitsbezogene Angaben, die nicht genehmigt seien. Die Beklagte verstoße damit gegen § 9 Abs 1 LMG. Das von ihr vertriebene Produkt gelte als nicht angemeldet, weil die Beklagte die Aufmachung nach der Anmeldung geändert habe. Darin liege ein Verstoß gegen § 18 Abs 1 LMG. Die Angabe bloß eines Postfachs sei keine ausreichende Bezeichnung des Absenders und verstoße gegen § 63 Abs 3 iVm § 63 Abs 1 letzter Satz GewO. Sämtliche Gesetzesverstöße begründeten sittenwidriges Handeln im Sinne des § 1 UWG, weil sich die Beklagte damit einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern verschaffe.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. § 50 Abs 2 GewO sei verfassungswidrig. Sie habe die Angaben "blau an Tagen des seelischen Tiefs" und "rot an Tagen körperlicher Probleme" freiwillig gestrichen. Dies sei jedoch unerheblich, weil für das Begehren zu b) Wiederholungsgefahr und Rechtsschutzinteresse fehlten. Dürfe die Beklagte aufgrund des zu a) erlassenden Verbots Verzehrprodukte überhaupt nicht mehr vertreiben, so sei ihr auch der Vertrieb mit gesundheitsbezogenen Angaben untersagt. Soweit die in Verkehr gebrachte Aufmachung von der angemeldeten Aufmachung abweiche, könne ihr nur dieses Verhalten verboten werden. Auch das Begehren zu c) sei aber ohnehin abzuweisen, weil insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis und keine Wiederholungsgefahr bestünden. Die Angaben über den Absender reichten für dessen Identifizierung aus.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung zu den Punkten a) bis c) und wies das Mehrbegehren ab. Das Produkt "Die blau-rote Energie" sei ein Verzehrprodukt im Sinne des § 3 LMG; es dürfe daher gemäß § 50 Abs 2 GewO nicht im Versandhandel vertrieben werden. Die Beklagte verstoße auch gegen § 9 Abs 1 lit a iVm § 9 Abs 3 LMG und gegen § 18 Abs 1 LMG. Sie werbe mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben und bringe das Produkt in einer Aufmachung in den Verkehr, die von der Anmeldung abweiche. Sämtliche Gesetzesverstöße begründeten sitten- widriges Handeln im Sinne des § 1 UWG. Ein Verstoß gegen § 63 Abs 3 iVm § 63 Abs 1 GewO liege hingegen nicht vor. Mit der Abkürzung "EVD" habe die Beklagte den Firmenwortlaut angegeben.

Das Rekursgericht bestätigte den abweisenden Teil dieses Beschlusses und den stattgebenden Teil zu Punkt a, wies die Begehren zu Punkt b) und c) ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Beklagte habe nicht nur ein Postfach angegeben. Vom Firmenschlagwort "EVD" und von der Marke "Friedrich Mueller" könne relativ leicht auf die Firma der Beklagten geschlossen werden. Auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit von § 50 Abs 2 GewO sei nicht weiter einzugehen, weil die Beklagte dazu erst im Revisionsrekursverfahren Stellung nehmen wolle. Das Verbot des Inverkehrbringens mit gesundheitsbezogenen Angaben und ohne Anmeldung sei überflüssig, wenn die Beklagte das Produkt überhaupt nicht im Versandhandel in Verkehr bringen dürfe. Dass sie es in Geschäftslokalen verkaufen wolle, sei nie vorgebracht worden.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richten sich die Revisionsrekurse beider Parteien. Beide Revisionsrekurse sind zulässig; der Revisionsrekurs der Klägerin ist berechtigt, jener der Beklagten ist nicht berechtigt.

1. Zum Revisionsrekurs der Beklagten

Die Beklagte bekämpft das Versandhandelsverbot des § 50 Abs 2 GewO als verfassungs- und gemeinschaftsrechtswidrig. Das Verbot sei sachlich nicht gerechtfertigt und unverhältnismäßig.

Die Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 21. Juni 2001, G 74/01-10, für nicht berechtigt erkannt und den in dieser Rechtssache gestellten Antrag des Obersten Gerichtshofs, das Wort "Verzehrprodukten," in § 50 Abs 2 GewO 1994 als verfassungswidrig aufzuheben, abgewiesen. Der Verfassungsgerichtshof hat sein Erkenntnis damit begründet, dass das Versandhandelsverbot für Verzehrprodukte dem Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsgefährdung diene und damit im öffentlichen Interesse liege. Es sei auch geeignet und adäquat, den öffentlichen Interessen des Konsumentenschutzes und des Gesundheitsschutzes zu dienen, weil die für Verzehrprodukte besonders notwendige lebensmittelrechtliche Kontrolle und Aufsicht bei deren Vertrieb nicht nur nicht hinreichend gewährleistet erscheine, sondern häufig umgangen werde.

Der vom Verfassungsgerichtshof damit bejahte Schutzzweck des Versandhandelsverbots schließt nicht nur die Verfassungswidrigkeit, sondern auch den von der Beklagten behaupteten Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht aus:

Nach der Rechtsprechung des EuGH müssen Handelshemmnisse aufgrund nationaler Regelungen hingenommen werden, soweit diese Bestimmungen notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen gerecht zu werden, insbesondere den Erfordernissen einer wirksamen steuerlichen Kontrolle, des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes (Cassis-de-Dijon-Urteil, Slg 1979, 649). Auch wenn daher das auf In- und Ausländer unterschiedslos anwendbare Versandhandelsverbot für Verzehrprodukte Ausländer insoweit benachteiligt, als sie gezwungen sind, über eine inländische Verkaufsstelle zu verfügen (s EuGH Slg 2000 I-0151), steht ihm Art 28 EG dennoch nicht entgegen, weil das Versandhandelsverbot durch zwingende Erfordernisse des Gesundheits- und Verbraucherschutzes gerechtfertigt ist (s Müller-Graff in Groeben/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EU-/EG-Vertrag5 Art 30 Rz 208, 214). Angesichts der klaren Rechtslage erscheint es nicht erforderlich, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen.

2. Zum Revisionsrekurs der Klägerin

Die Klägerin macht geltend, dass die von ihr begehrten Verbote zu Punkt b) und c) des Unterlassungsbegehrens nicht deshalb überflüssig seien, weil der Beklagten der Versandhandel mit Verzehrprodukten verboten sei. Die Verbote verfolgten völlig verschiedene Ziele.

Der Klägerin ist zuzustimmen, dass die drei Unterlassungsgebote rechtlich und tatsächlich voneinander unabhängig sind. Das Unterlassungsgebot zu Punkt a) stützt sich darauf, dass die Beklagte entgegen dem Versandhandelsverbot des § 50 Abs 2 GewO Verzehrprodukte im Versandhandel vertreibt, das Gebot zu Punkt b) darauf, dass die Beklagte beim Inverkehrbringen von Verzehrprodukten nach § 9 Abs 3 LMG nicht zugelassene gesundheitsbezogene Angaben verwendet, und das Gebot zu Punkt c) darauf, dass die Beklagte Verzehrprodukte ohne Anmeldung nach § 18 Abs 1 LMG oder mit von der Anmeldung abweichender Deklaration in Verkehr bringt. Jedes dieser Gebote erfasst einen selbstständigen Gesetzesverstoß, der die anderen Verstöße nicht einschließt, sondern neben ihnen besteht. Dass möglicherweise auch die von Punkt b) und c) erfassten Verstöße unterbleiben, wenn die Beklagte das Verzehrprodukt nicht im Versandhandel in Verkehr bringen darf, ändert nichts daran, dass die Beklagte mehrere voneinander unabhängige Verstöße begangen hat, von denen jeder einen Unterlassungsanspruch der Klägerin begründet. Es ist daher nicht richtig, dass das Unterlassungsgebot zu Punkt a) die Gebote zu Punkt

b) und c) umfasste. Die vom Rekursgericht erörterte Frage, wie weit ein Unterlassungsbegehren gefasst sein darf, stellt sich im vorliegenden Zusammenhang nicht.

Es trifft auch nicht zu, dass, wie die Beklagte geltend macht, das Begehren der Klägerin zu Punkt b) und c) mangels Rechtsschutzbedürfnisses abzuweisen wäre, weil bereits das Versandhandelsverbot das weitere Inverkehr- bringen von Verzehrprodukten verhindere und kein Anhaltspunkt bestehe, dass die Beklagte beabsichtigte, Verzehrprodukte auch außerhalb des Versandhandels zu vertreiben. Das Rechtsschutzbedürfnis könnte, wenn überhaupt, so nur dann fehlen, wenn die Klägerin bereits über einen Exekutionstitel verfügte, der ihr den nunmehr begehrten Rechtsschutz verschafft (s SZ 63/21 = MR 1990, 103 = ÖBl 1990, 119 - Zinsertragsteuer-Rückvergütung ua). Ein - hier gar nicht vorliegender - Exekutionstitel über das Versandhandelsverbot könnte ihr das Rechtsschutzbedürfnis für die zu Punkt b) und c) begehrten Verbote aber auch deshalb nicht nehmen, weil sie immer dann schutzlos wäre, wenn die Beklagte außerhalb des Versandhandels Verzehrprodukte mit nicht zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben oder ohne Anmeldung in Verkehr brächte. Ob die Beklagte derzeit beabsichtigt, Produkte auch auf anderen Wegen zu vertreiben, ist unerheblich, weil für die Beklagte bis zum Ergehen eines Versandhandelsverbots kein Grund besteht, sich für neue Vertriebswege zu entscheiden.

Die gemeinschaftsrechtlichen Bedenken der Beklagten sind nicht stichhaltig. Die von ihr in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung 4 Ob 2200/96z betrifft einen Fall des Merchandising; Gegenstand der von ihr ebenfalls zitierten Entscheidung C-77/97 des EuGH ist die Vereinbarkeit von Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes mit der - hier nicht maßgebenden - Richtlinie 76/768/EWG des Rates vom 27. Juli 1976 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel.

Zu Punkt 4 des Unterlassungsgebots begehrt die Klägerin, der Beklagten zu untersagen, im Geschäftsverkehr ... lediglich ein Postfach, nicht aber die vollständige Firma dessen, der mit dem Adressaten in rechtsgeschäftlichen Verkehr tritt, zu verwenden. Das Begehren stützt sich auf § 63 Abs 1 Satz 3 und 4 GewO 1994, wonach im übrigen Geschäftsverkehr (= nicht bei Abgabe der Unterschrift), insbesondere in Ankündigungen, Abkürzungen des Namens oder andere Bezeichnungen verwendet werden dürfen, wenn diese Abkürzungen und Bezeichnungen kennzeichnungs- kräftig sind und wenn die Verwendung nicht in einer Weise erfolgt, die geeignet ist, Verwechslungen oder Irreführungen herbeizuführen. Die Angabe lediglich eines Postfachs oder einer Telefonnummer ist aber nicht erlaubt.

Nach dem festgestellten Sachverhalt hat die Beklagte im November 1999 die Abkürzung "EVD" verwendet und ein Postfach angegeben. Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien hat die Beklagte "EVD" auch in Verbindung mit der für sie registrierten Marke "Friedrich Mueller" verwendet und die Marke auch allein, zusammen mit einem Postfach, als Absender angeführt.

"EVD" war nur bis Mai 1999 ein Bestandteil ihrer Firma; nach diesem Zeitpunkt war "EVD" keine Abkürzung der Firma der Beklagten mehr. Die Beklagte behauptet, dass die Abkürzung für sie dennoch kennzeichnungskräftig gewesen sei und verweist darauf, dass ihr die Klage zugestellt werden konnte.

In der Klage wird die Beklagte jedoch nicht bloß als "EVD", sondern als "EVD Direktverkaufsgesellschaft mbH" bezeichnet und es ist auch nicht nur ein Postfach, sondern die genaue Anschrift der Beklagten angegeben. Aus der Zustellung der Klage kann daher nicht abgeleitet werden, dass "EVD" für die Beklagte kennzeichnungskräftig wäre.

Ist "EVD" keine kennzeichnungskräftige Abkürzung und auch keine kennzeichnungskräftige andere Bezeichnung der Beklagten, so hat die Beklagte als Absender ihres Katalogs im Ergebnis lediglich ein Postfach angegebenen und damit gegen § 63 Abs 1 GewO verstoßen. Dieser Gesetzesverstoß besteht unabhängig davon, dass auch die Marke "Friedrich Mueller" weder eine Abkürzung der Firma der Beklagten noch eine andere Bezeichnung ihres Unternehmens ist.

Der Gesetzesverstoß der Beklagten ist geeignet, ihr einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen, indem er es Kunden erschwert, berechtigte Ansprüche gegen die Beklagte geltend zu machen. Der Gesetzesverstoß ist der Beklagten subjektiv vorwerfbar; sie hat damit sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG gehandelt.

Dem Revisionsrekurs der Klägerin war Folge zu geben; dem Revisionsrekurs der Beklagten war nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.

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