OGH 13Os79/01

OGH13Os79/0112.9.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. September 2001 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Emsenhuber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Zdenka G***** und Manfred N***** wegen des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 16. Jänner 2001, GZ 26 Vr 2098/98-48, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs, der Angeklagten sowie ihrer Verteidiger Mag. Schulz und Dr. Aigner zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Zdenka G***** und Manfred N***** wurden des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB, Zdenka G***** als Beteiligte nach § 12 (zu ergänzen: dritter Fall) StGB, schuldig erkannt.

Danach hat Manfred N***** am 25. November 1996 in Linz mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch die Erstattung einer Unfallmeldung bei der Versicherungsanstalt, in der er angab, er sei am 1. Oktober 1996 von Zdenka G*****, die das Fahrzeug gelenkt habe, als er zum Zwecke einer Nachschau vor dem Fahrzeug stand und in den Motorraum sah, zufolge eines plötzlichen Anfahrens mit dem PKW verletzt worden, wobei er einen Unterschenkelbruch am linken Bein erlitten habe, sowie durch Einbringung einer Klage beim Landesgericht Linz gegen die Versicherungsanstalt der Ö***** zur Leistung von 530.000 S unter Verweis auf die Verkehrsunfallanzeige beim GPK Neufelden und die dort gemachten Angaben als Beweismittel, obwohl die Verletzung nicht durch einen derartigen Unfall zustandegekommen war, mithin durch Täuschung über Tatsachen unter Verwendung falscher Beweismittel, die genannte Versicherungsanstalt zu einer Handlung, nämlich zur Bezahlung von 530.000 S zu verleiten versucht, die diese an ihrem Vermögen um diesen Betrag schädigen sollte (A), während Zdenka G***** dadurch zum Betrugsversuch des Manfred N***** beigetragen hat, dass sie den von diesem geschilderten Unfallshergang bestätigte (B).

Diese Schuldsprüche bekämpfen beide Angeklagte mit (getrennt ausgeführten, inhaltlich nahezu identen) Nichtigkeitsbeschwerden, die sich jeweils auf die Gründe der Z 5, 5a, 9 lit a und b sowie Z 10 des § 281 Abs 1 StPO stützen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem Begründungsmängel der Urteilsannahme eines beabsichtigten Vermögensschadens von 530.000 S relevieren den Beschwerdevorbringen (Z 5) stellt die Bezugnahme der Tatrichter auf die vom Angeklagten Manfred N***** im Verfahren 31 Cg 40/98p des Landesgerichtes Linz erhobenen, im Einzelnen aufgeschlüsselten Ansprüche an die Versicherungsanstalt eine ausreichende Begründung der festgestellten Schadenshöhe dar (US 8).

Der Einwand, es habe sich dabei lediglich um ganz offensichtlich überhöhte - unrealistische - Forderungen zur Durchsetzung weitaus geringerer (die Wertgrenze des § 147 Abs 3 StGB nicht erreichender) Schadenersatzzahlungen gehandelt, ist nicht zielführend, weil zur Erfüllung des subjektiven Tatbestandes des Betruges auch hinsichtlich der Höhe des Vermögensschadens Eventualvorsatz ausreicht (Kienapfel BT II3 § 147 Rz 74) und vom Kläger durchwegs der gänzliche Zuspruch der Klagssumme schon wegen der nachteiligen Kostenfolgen als wahrscheinlich erwartet wird.

Aber auch die Tatsachenrügen (Z 5a) versagen. Denn abgesehen davon, dass der (behauptete) Unfallshergang im Zuge der (angeblichen) Überprüfung der Lichtanlage des PKWs bei laufendem Motor keineswegs plausibel erscheint (S 87) und damit schon Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung durch die Angeklagten nahelegt, haben sämtliche technischen und medizinischen Gutachten (S 83 ff; ON 4, 22, S 371 ff; ON 18, S 361 ff) ergeben, dass die erlittene Verletzung des Angeklagten N***** mit der durch das geschilderte Fehlverhalten der Fahrzeuglenkerin erreichbaren Anstoßgeschwindigkeit des PKWs nicht hätte bewirkt werden können bzw zumindest nur schwer in Einklang zu bringen wäre; weiters dass die Angeben über die Endlage des angeblichen Unfallopfers unrichtig sein müssen und auch das (behauptete) Verhalten des Angeklagten N***** nach dem (angeblich) von G***** verschuldeten Unfall auf Grund der objektiven Schwere der Verletzung und der daraus resultierenden starken Schmerzen nicht nachvollziehbar sei.

Im Hinblick auf die (eingehend gewürdigten; US 11 bis 24) Beweisergebnisse, insbesondere die (bereits vorgelegenen und in diesem Strafverfahren eingeholten) zahlreichen Sachverständigengutachten, lassen sich durch die isolierte Hervorhebung geringfügig divergierender Aspekte in den einzelnen Expertisen bei lebensnaher Betrachtung keine aus dem Akteninhalt hervorgehenden Beweisergebnisse erkennen, welche Bedenken gegen die dem Schuldspruch zu Grunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken im Stande wären.

Soweit die Angeklagten im Rahmen ihrer Tatsachenrügen (der Sache nach Z 4) die Abweisung der vom Verteidiger der Erstangeklagten gestellten Beweisanträge auf "Einholung eines KFZ-Gutachtens oder eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Physik" sowie auf Beiziehung eines gerichtsmedizinischen Sachverständigen (S 377 f) kritisieren, übersehen sie, dass Gutachten solcher Sachverständigen bereits vorlagen, weshalb dieser Antrag mit Mängeln der bisher erstatteten Gutachten hätte begründet werden müssen (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 133a).

Den Feststellungsmängel behauptenden Rechtsrügen (Z 9 lit a) zuwider war - mangels rechtlicher Relevanz für die Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens beider Angeklagten - eine Feststellung der bloßen Mündlichkeit der Schadensmeldung gegenüber dem Versicherungsvertreter oder des Umstandes, dass dieser das Schadenmeldungsformular vom 25. November 1996 (S 273 f) ausgefüllt und die Angeklagten es lediglich unterfertigt hätten, nicht erforderlich.

Der weitere Einwand, der Zweitbeklagte habe kein "Beweismittel" für seine Schilderung des Unfallsablaufes abgegeben (und somit nicht tatbildlich gehandelt), weil die Angeklagte G***** nicht als "Zeugin" angeführt worden sei, übergeht, dass diese auf dem Schadenmeldungsformular als (an der Verletzung des Manfred N***** schuldige) Lenkerin des PKWs bezeichnet wurde (S 273, 277). Im Übrigen genügt es, dass die bewusst falschen Angaben beider Beschwerdeführer über den "Unfallhergang" auf eine Schadensliquidierung durch die Versicherung abzielten (US 25).

Schließlich ist den Beschwerdeführern zwar darin beizupflichten, dass die beim Landesgericht Linz eingebrachte Klage gegen die Versicherungsanstalt - für sich genommen - keine Täuschungshandlung darstellt, ihnen andererseits aber zu erwidern, dass der Versuch eines (Versicherungs-)Betruges bereits vorliegt, wenn der Täter (schriftlich oder mündlich) eine Schadensmeldung an die Versicherungsanstalt erstattet oder erstatten lässt (Leukauf/Steininger Komm3 RN 66; Mayerhofer StGB5 E 104; jeweils zu § 146).

Auch die auf die Z 9 lit b gestützte Kritik, das (am 30. Mai 1997 gemäß § 90 StPO) eingestellte Verfahren gegen sie hätte gar nicht formlos fortgesetzt werden dürfen, weil (beide Nichtigkeitswerber zwar nicht gemäß § 38 Abs 3 StPO als Beschuldigte vor Gericht abgehört wurden, aber) der Angeklagte N***** im Auftrag des Gerichtes vom Sachverständigen Dr. H***** "als Beschuldigter" vernommen worden sei, Beweisgegenstände verwahrt und beide Angeklagte überdies vom GPK Neufelden vernommen worden seien, ist unzutreffend. Hat doch eine Verfahrenseinstellung gemäß § 90 StPO nur dann die Wirkung einer rechtskräftigen Beendigung eines Strafverfahrens, wenn während der Vorerhebungen eine bestimmte Person vom Gericht als einer strafbaren Handlung verdächtig vernommen oder zur Vernehmung vorgeladen oder in Verwahrung oder Haft genommen wurde (§ 38 Abs 3 StPO; Foregger/Fabrizy StPO8 § 352 Rz 9; Mayerhofer StPO4 § 363 E 3, 5).

Da weder die Vernehmung vor der Gendarmerie die Wirkung einer gerichtlichen Abhörung hat (Mayerhofer aaO § 38 E 2) noch die Befragung eines Verdächtigen durch einen Sachverständigen im Zuge der Befundaufnahme eines vom Gericht in Auftrag gegebenen Gutachtens oder die Verwahrung von Beweisgegenständen oder eine Kombination dieser Ermittlungsmaßnahmen einen der im § 38 Abs 3 StPO angeführten Vorgänge darstellt, konnte die Wiederaufnahme im vorliegenden Fall formlos erfolgen.

Soweit in den Subsumtionsrügen (Z 10) Urteilsfeststellungen über die Höhe des beabsichtigten Vermögensschadens zu Lasten der Versicherung vermisst werden, genügt es auf die Ausführungen zum entsprechenden Vorbringen in der Mängelrüge zu verweisen.

Schließlich ist der Vorwurf unrichtiger Qualifikation des Urteilssachverhaltes (auch) nach § 147 Abs 1 Z 1 StGB (Z 10) verfehlt, weil es im vorliegenden Fall nicht darauf ankam, ob die Angeklagten eine Verkehrsunfallsanzeige beim GPK Neufelden erstatteten oder auf Grund einer anonymen Anzeige dort als Verdächtige vernommen wurden, sondern allein darauf, dass sie bereits mit der Unterfertigung der - unrichtigen - Schadensmeldung vom 25. November 1996 an die Versicherungsanstalt eine "Lugurkunde", mithin ein falsches Beweismittel im Sinne des § 147 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB, bei der Begehung des Betrugsversuches verwendet haben.

Bleibt noch anzumerken, dass für die in den Rechtsmittelanträgen begehrte "Vernichtung der Hauptverhandlung nach § 288a StPO" - wie sich schon aus dem Gesetzeswortlaut (vgl auch § 281a StPO) ergibt - jede sachliche Grundlage fehlt.

Die unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden beider Angeklagten waren demnach (in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur) zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über die Angeklagten (ersichtlich nach § 147 Abs 3 StGB) Freiheitsstrafen in der Dauer von einem Jahr (hinsichtlich Zdenka G*****) und vierzehn Monaten (betreffend Manfred N*****), die gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden. Dabei wertete es bei beiden Angeklagten die zweifache Qualifikation des Betruges als erschwerend, hingegen die bisherige Unbescholtenheit, den lange zurückliegenden Tatzeitpunkt und den Umstand, dass die Tat beim Versuch blieb, als mildernd.

Die gegen diese Strafaussprüche gerichteten, auf Herabsetzung der Freiheitsstrafen unter Anwendung des § 41 StGB, bei Zdenka G***** außerdem auf Verkürzung der Probezeit abzielenden Berufungen sind nicht berechtigt.

Das Erstgericht hat nämlich die Strafzumessungsgründe im Wesentlichen richtig erfasst und zutreffend gewichtet, sodass die Freiheitsstrafen, die der (zueinander abgestuften) personalen Täterschuld und dem sozialen Störwert angepasst sind, einer Reduktion nicht zugänglich sind, zumal auch von einer relevanten überlangen Verfahrensdauer noch nicht die Rede sein kann und das lange Zurückliegen der Tatzeit ohnedies als mildernd berücksichtigt wurde. Für die ohne nähere Begründung begehrte Verkürzung der Probezeit bei der Angeklagten Zdenka G***** besteht kein Anlass.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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