Spruch:
Die (vom gewählten Verteidiger ausgeführte) Nichtigkeitsbeschwerde und die (vom gemäß § 41 Abs 2 StPO bestellten Verteidiger nachgereichte) Ergänzung der Nichtigkeitsbeschwerde werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Reinhard H***** (richtig) der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (I) und (richtig) der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (ersichtlich gemeint: II) schuldig erkannt.
Danach hat er Angelika K***** (zu ergänzen: außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB in Vöcklabruck)
I Zur Duldung des Beischlafes genötigt, und zwar
1 Ende September/Anfang Oktober 1995 mit Gewalt, indem er sie gegen ihren Willen entkleidete, ihr mit der Faust einen wuchtigen Schlag gegen die rechte Schläfenseite versetzte, sich auf sie legte, sie mit beiden Händen niederdrückte und am Hals erfasste, ihr mit dem Handrücken einen Schlag ins Gesicht versetzte, den Slip hinunterriss und gegen ihren Willen einen Geschlechtsverkehr durchführte,
2 im Oktober 1995 durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, indem er ihr gegenüber äußerte: "Wenn du dich wieder wehrst, geht es wieder so her wie beim letzten Mal, dann muss ich wieder zuschlagen", sie gegen ihren Willen auszog, sie festhielt und anschließend gegen ihren Willen einen Geschlechtsverkehr durchführte;
II durch gefährliche Drohung zumindest mit einer Verletzung am Körper zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von der Erstattung einer Strafanzeige, genötigt, und zwar
1 im Anschluss an die unter I 1 geschilderte Tat durch die Äußerung, wenn sie der Polizei etwas sage, bringe er sie ((und anschließend auch sich selbst)) um,
2 im Anschluss an die unter I 2 geschilderte Tat durch die Äußerung: "Du weißt, was dir passiert, wenn du es jemandem erzählst".
Dagegen richtet sich die (vom gewählten Verteidiger) aus Z 4, 5, 5a und 9 (gemeint: lit) a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch keine Berechtigung zukommt.
Rechtliche Beurteilung
Zunächst versagt die Verfahrensrüge (Z 4) gegen die Abweisung des vom Angeklagten in der Hauptverhandlung am 18. April 2001 gestellten Antrages auf Vernehmung (seiner Schwester) Ute H***** als Zeugin zum Beweis dafür, "dass vor und nach der Beziehung zu Angelika K***** es auch von ihrer Seite keinerlei Hinweise gegeben hat, dass der Angeklagte, zu weiblichen Personen in irgendeiner Form gewalttätig gewesen sei" (S 229).
Der zutreffenden Begründung des Zwischenerkenntnisses (S 228 iVm S 259 f) ist nur noch hinzuzufügen, dass die Tatrichter ausdrücklich davon ausgehen, der Beschwerdeführer habe es vom Kennenlernen der Angelika K***** im September 1995 an bis zur ersten Urteilstat Ende September/Anfang Oktober 1995 (I 1) akzeptiert, dass sie zwar von seiner Seite intime Berührungen zuließ, aber keinen Geschlechtsverkehr gestattete (S 245 zweiter Absatz) und nach der zweiten Vergewaltigung zwischen beiden der Kontakt abbrach (S 251 vierter Absatz). Damit wird die vom Rechtsmittelwerber bloß allgemein unter Beweis gestellte Tatsache im aktuellen Fall ohnehin als erwiesen angenommen. Durch die Ablehnung dieses Antrages, der im Kern die Aufnahme eines unzulässigen Erkundungsbeweises begehrt, wurden demnach berechtigte Verteidigungsinteressen nicht geschmälert.
In der Mängelrüge (Z 5) werden keine formalen Begründungsfehler in der Bedeutung des relevierten Nichtigkeitsgrundes dargetan, sondern lediglich an Hand einzelner, isoliert aus dem Zusammenhang gelöster, somit sinnentstellter Sätze aus sicherheitsbehördlichen Ermittlungsergebnissen betreffend Barbara P***** (Sozialarbeiterin und Familienberaterin bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck), Dr. Franz Günter Reissig (Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe), Hans S***** und Dr. Ursula Frischenschlager (zuständige Ärztin der Frauenbetreuungsstelle Vöcklabruck) die (mit Mängelrüge nicht anfechtbaren) Erwägungen des Erstgerichtes über nicht entscheidungswesentliche Tatsachen (zB über den Grund der Beendigung der Beziehung zwischen Angeklagtem und Angelika K*****, den Zeitpunkt ihrer Erzählungen gegenüber Dritten von der Vergewaltigung und über Schwierigkeiten bei Ausübung des Besuchsrechtes des außerehelichen Kindesvaters), vor allem aber der Beweiswert der belastenden Aussage des Tatopfers Angelika K***** nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile in den Verfahrensgesetzes nicht vorgesehenen Schuldberufung mit der Schlußfolgerung in Frage gestellt, die von ihr behauptete Vergewaltigung und Nötigung hätten nicht stattgefunden. Dies hätte das Gericht in der Urteilsbegründung feststellen müssen.
Der Beschwerde zuwider haben die Tatrichter jedoch in einer ausführlichen und kritischen Gesamtschau aller maßgebenden Beweise nach den Regeln der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) zureichend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) sowie in Übereinstimmung mit den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung, somit tragfähig und formell fehlerfrei begründet, warum sie den belastenden Aussagen des Opfers geglaubt, die leugnende Verantwortung des Angeklagten hingegen als unglaubwürdig abgelehnt haben (S 251 ff). Dabei waren sie mangels Entscheidungsrelevanz nicht verhalten, die im Vorverfahren abgelegte Zeugenaussage der Anita S***** (ON 18), sie würde dem Angeklagten die behauptete Vergewaltigung nicht zutrauen, und die Tatsache, dass ein gegen den Bruder des Angeklagten (Walter H*****) wegen gefährlicher Drohungen anhängig gewesenes Verfahren eingestellt wurde, in den Gründen zu erörtern.
Ebenso verfehlt ist das Vorbringen der Tatsachenrüge (Z 5a).
Mit Hinweisen, es erscheine bedenklich, dass die Verurteilung des Angeklagten ausschließlich mit den (nach Meinung der Beschwerde unglaubwürdigen) Depositionen der Belastungszeugin K***** begründet werde, ferner die stets gleichbleibende Verantwortung des Beschuldigten, die für wahr zu halten und den Feststellungen zugrundezulegen seien, weiters auf (für den Rechtsmittelwerber) nicht überzeugende Erwägungen und Schlussfolgerungen in den Entscheidungsgründen und auf die Nichtanwendung des Grundsatzes in dubio pro reo werden auf Aktengrundlage keine erheblichen Bedenken gegen die entscheidungswesentlichen Feststellungen zur Schuld geweckt, sondern erneut bloß prozessordnungswidrig die tatrichterliche Lösung der Schuldfrage kritisiert. Die Beschwerde führt auch keine Beweismittel konkret an, die das Tatgericht zur amtswegigen Erforschung der Wahrheit pflichtgemäß erheben hätte müssen.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) schließlich ist nicht gesetzgemäß ausgeführt, weil sie lediglich pauschal "auf die obigen Ausführungen zu den geltend gemachten Nichtigkeitsgründen" verweist und dem Erstgericht vorwirft, es gehe offenbar vom Grundsatz in dubio contra reo aus, aber nicht an Hand der Urteilskonstatierungen konkrete, durch Verfahrensergebnisse indizierte Feststellungsmängel deutlich und bestimmt nachweist.
Die vom gewählten Verteidiger ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - gemäß § 285d Abs 1 Z 1 und 2 iVm § 285a Z 2 StPO teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, teils als offenbar unbegründet bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Daraus folgt, dass zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatswaltschaft das Oberlandesgericht Linz zuständig ist (§ 185i StPO).
Da das Gesetz auch bei Zusammenwirken mehrerer Verteidiger (hier: des gewählten Verteidigers, der die Nichtigkeitsbeschwerde ausgeführt hat, und des innerhalb offener Rechtsmittelfrist beantragten - ON 28 -, gemäß § 41 Abs 2 StPO bestellten Verteidigers - ON 30) nur eine einzige Rechtsmittelschrift zulässt, war die vom gemäß § 41 Abs 2 StPO bestellten Verteidiger Dr. Franz Hitzenberger nachträglich übermittelte "Ergänzung der Nichtigkeitsbeschwerde" (ON 32) - entgegen einer gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung - als unzulässig zurückzuweisen (vgl Mayerhofer StPO4 § 285 E 36 iVm § 284 E 3).
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