OGH 2Ob198/01h

OGH2Ob198/01h6.9.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei ***** I*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Harrisch und andere Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Dr. Hermann G*****, vertreten durch Dr. Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in Enns, wegen Zahlung von S 99.200,54, S 89.479,12, S 438.338,16 jeweils sA und Räumung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 5. März 2001, GZ 11 R 400/00w-48, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Teilurteil des Bezirksgerichtes Linz vom 31. Oktober 2000, GZ 13 C 1497/97-44, über den Zwischenantrag auf Feststellung der beklagten Partei bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Teilurteil des Erstgerichtes über den Zwischenantrag auf Feststellung der beklagten Partei wie folgt zu lauten hat:

Es wird festgestellt, dass das im Mietvertrag zwischen der Rechtsvorgängerin der klagenden Partei und dem Beklagten vom 28. 6. 1994 (Beilage B) unter Punkt VII vereinbarte Aufrechnungsverbot insoweit unwirksam ist, als das Recht des Beklagten, seine Verbindlichkeiten gegenüber der klagenden Partei durch Aufrechnung aufzuheben, für den Fall der Zahlungsunfähigkeit der klagenden Partei oder für Gegenforderungen ausgeschlossen oder eingeschränkt wird, die im rechtlichen Zusammenhang mit einer Verbindlichkeit des Beklagten stehen, die gerichtlich festgestellt oder die von der klagenden Partei anerkannt worden sind.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei gründet ihre Ansprüche auf Zahlung rückständiger Mietzinse, Betriebskosten, von Benützungsentgelt sowie auf Räumung unter anderem auf einen zwischen ihrer Rechtsvorgängerin und dem Beklagten am 28. 6. 1994 abgeschlossenen Mietvertrag samt Zusatzvereinbarung (Beilage B). Der beklagte Arzt mietete in diesem Vertrag ein bestimmtes Bestandobjekt zu Wohnzwecken (Punkt V. des Bestandvertrages).

Der Beklagte bestritt und erhob eine Gegenforderung, weil es die klagende Partei schuldhaft unterlassen habe, den Parkplatz und den Zugang zu seiner Wohnung im Winter zu räumen und zu streuen, weshalb er zu Sturz gekommen sei. Darüber hinaus schulde die klagende Partei eine zur Zahlung zugesagte Investitionskostenablöse. Schließlich schulde ihm die klagende Partei die Kosten für die Beseitigung des Schimmelpilzes im Bestandobjekt.

Die klagende Partei bestritt die vom Beklagten erhobenen Gegenforderungen und berief sich auf das im Bestandvertrag vereinbarte Aufrechnungsverbot.

Der Beklagte stellte einen Zwischenantrag auf Feststellung, dass das im Mietvertrag Beilage B unter Punkt VII vereinbarte Aufrechnungsverbot zwischen den Streitteilen rechtsungültig sei. Zur Begründung führte er aus, dass selbst dann, wenn die Rechtsvorgängerin der klagenden Partei Verbraucherin gewesen wäre, der Mietvertrag durch den Eintritt der klagenden Partei in den Geltungsbereich des ersten Hauptstückes des KSchG falle, was zur Folge habe, dass das im Mietvertrag vereinbarte Kompensationsverbot zwischen den Streitteilen jedenfalls ungültig sei. Vom Bestand oder Nichtbestand des Kompensationsverbotes hänge die Entscheidung über das Klagebegehren ab.

Die klagende Partei erwiderte darauf, ihre Rechtsvorgängerin sei zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages nicht Unternehmerin gewesen, ebensowenig der Beklagte. Das KSchG sei daher nicht anzuwenden, weshalb wirksam ein Kompensationsverbot vereinbart werden hätte können. Der Parteiwechsel auf Vermieterseite ändere an dieser wirksamen Vereinbarung nichts. Überdies sei die Gegenforderung bereits aktiv geltend gemacht worden.

Das Erstgericht stellte mit Beschluss fest, dass das im Mietvertrag Beilage B unter Punkt VII vereinbarte Aufrechnungsverbot zwischen den Streitteilen rechtsunwirksam sei.

In rechtlicher Hinsicht führte es aus, dass der gegenständliche Mietvertrag jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Vertragsübernahme dem ersten Hauptstück des KSchG zu unterstellen sei und die Klagsansprüche sowie die Gegenforderungen aus der Zeit danach resultierten; es sei daher unbeachtlich, ob die ursprüngliche Vermieterin Unternehmerin im Sinne des KSchG gewesen sei oder nicht. Ab der Vertragsübernahme durch die nunmehrige Klägerin sei das vereinbarte Kompensationsverbot gemäß § 6 Abs 1 Z 8 KSchG rechtsunwirksam.

Das von der klagenden Partei angerufene Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes, es bewertete den Entscheidungsgegenstand in allen verbundenen Verfahren mit S 52.000,-- übersteigend und sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig.

Das Berufungsgericht führte zunächst aus, dass das Vergreifen in der Entscheidungsform durch das Erstgericht weder die Zulässigkeit noch die Behandlung des Rechtsmittels beeinflusse. Da der Zwischenfeststellungsantrag nicht wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen worden sei, sei über ihn urteilsmäßig zu entscheiden gewesen. Der Rekurs sei daher als Berufung zu behandeln.

Die Ansicht der klagenden Partei, der Beklagte habe den Zwischenfeststellungsantrag nicht hinreichend genau formuliert, sei unzutreffend. Aus seinem Vorbringen sei völlig klar, dass der Mietvertrag zwischen der Rechtsvorgängerin der klagenden Partei als Vermieterin und dem Beklagten als Mieter gemeint sei, dieser Vertrag sei auch als Beilage B zum Akt genommen worden.

Es fehle dem Beklagten auch nicht am rechtlichen Interesse, weil, solange keine Feststellungsklage über die Wirksamkeit des Aufrechnungsverbotes erhoben worden sei, ein solches am Zwischenfeststellungsantrag bestehe. Die Einklagung der Gegenforderung als Hauptforderung aus dem Titel des Schadenersatzes in einem anderen Rechtsstreit schade nicht. Ob das generelle Aufrechnungsverbot wirksam sei oder nicht, sei von allgemeiner, über den konkreten Rechtsstreit hinausgehender Bedeutung.

Im Übrigen führte das Berufungsgericht aus, das erste Hauptstück des KSchG gelte für Verbrauchergeschäfte, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher als typisierten Vertragspartnern geschlossen worden seien. Zur Geltung des KSchG, wenn ein Verbrauchergeschäft erst durch Vertragsübernahme entstehe, vertrete die Lehre die Meinung, dass dann das erste Hauptstück des KSchG anzuwenden sei. Das bedeute, dass unter Umständen bisher gültige Vertragsklauseln ungültig werden könnten. Die Modifizierung des Vertragsinhaltes beruhe nicht auf vertraglicher Änderung des Schuldinhaltes, sondern unmittelbar auf gesetzlicher Anordnung. Diese Ansicht sei zutreffend. Es sei nämlich davon auszugehen, dass eine rechtswirksame Vereinbarung, so wie sie geschlossen sei, auch bei Vertragsübernahme bestehen bzw wirksam bleibe, außer es entstehe eine typische Ungleichgewichtslage zu Lasten des Verbrauchers. Eine solche sei dann anzunehmen, wenn einem Verbraucher durch Vertragsübernahme bzw Rechtsnachfolge plötzlich ein Unternehmer gegenüberstehe. Ob der Verbraucher im konkreten Fall tatsächlich benachteiligt sei, sei nicht ausschlaggebend. Bei anderer Betrachtung würde ein Unternehmer einen Vertragsinhalt, den er rechtlich wegen Rechtsunwirksamkeit eines zwischen Unternehmer und Verbraucher vereinbarten generellen Aufrechnungsverbotes nicht erreichen könne, durch Rechtsnachfolge erwirken. Dies stelle eine Umgehung dar, weil die Vereinbarung eines Aufrechnungsverbotes bei gesondertem Vertragsschluss zwischen Unternehmer und Verbraucher rechtsunwirksam wäre.

Das bedeute, dass das generelle Aufrechnungsverbot zwischen den Streitteilen nicht gelten könne.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil bei der zu lösenden Rechtsfrage, welche Auswirkungen eine Vertragsübernahme bzw Rechtsnachfolge auf die Anwendbarkeit der konsumentenschutzrechtlichen Bestimmungen habe, keine oberstgerichtliche Rechtsprechung existiere.

Dagegen richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass der Zwischenfeststellungsantrag der beklagten Partei zurückgewiesen werde; hilfsweise wird beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass ausgesprochen werde, dass das Aufrechnungsverbot rechtswirksam sei; in eventu wolle die Entscheidung dahin abgeändert werden, dass der Zwischenfeststellungsantrag abgewiesen werde; hilfsweise wird weiter ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der klagenden Partei nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig und zum Teil auch berechtigt.

Die klagende Partei macht in ihrem Rechtsmittel geltend, es sei davon auszugehen, dass ein ursprünglich rechtswirksam vereinbartes Aufrechnungsverbot nicht dadurch rechtsungültig werde, weil nachfolgend ein Unternehmer in ein Dauerschuldverhältnis eintrete. Es sei unzweifelhaft die Zielsetzung des KSchG, den Verbraucher auf Grund seiner wirtschaftlichen Ungleichstellung vor Vertragsklauseln zu schützen, die für ihn besonders nachteilig seien. Dies sei jedoch auf den Zeitpunkt der Begründung des Schuldverhältnisses zu beziehen. Der Gesichtspunkt der Ungleichstellung sei jedoch dann irrelevant, wenn nachträglich in ein Dauerschuldverhältnis an die Stelle des Nicht-Unternehmers ein Unternehmer eintrete.

In einem solchen Fall bestehe kein relevantes Schutzbedürfnis des Konsumenten. Von einem Umgehungsgeschäft sei im vorliegenden Fall keine Rede, insbesondere wenn man bedenke, dass der Vertragseintritt von Gesetzes wegen und ca zwei Jahre nach Mietvertragsabschluss erfolgt sei.

Schließlich sei noch zu berücksichtigen, dass der Wertung des § 2 Abs 1 MRG zu entnehmen sei, dass bei Übergang der Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis auf den Erwerber einer Liegenschaft ein spezielles Schutzbedürfnis des Erwerbers gegeben sei. All dies führe zu dem Ergebnis, dass das Aufrechnungsverbot lediglich davon abhänge, ob die Rechtsvorgängerin der klagenden Partei Unternehmer gewesen sei oder nicht.

Überdies sei der Zwischenfeststellungsantrag nicht hinreichend genau formuliert worden, weshalb er zurückzuweisen sei.

Schließlich habe die beklagte Partei im gegenständlichen Verfahren als Gegenforderung geltend gemachte Schadenersatzansprüche bereits selbständig eingeklagt. Es fehle sohin ein rechtliches Interesse am streitgegenständlichen Zwischenantrag auf Feststellung, insbesondere gehe auch die Bedeutung der Feststellung nicht über den konkreten Rechtsstreit hinaus.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurden erwogen:

Nach ständiger Rechtsprechung setzt der Zwischenantrag auf Feststellung einen prozessökonomischen Zweck voraus; daher können einzelne Rechtsfragen, die die Entscheidung über den Anspruch notwendigerweise in sich begreift, nicht Gegenstand eines Zwischenantrages auf Feststellung sei (RIS-Justiz RS0039696; SZ 51/96). Im vorliegenden Fall begreift die Entscheidung über den Hauptanspruch nicht notwendigerweise die Entscheidung über die Zulässigkeit der Aufrechnung in sich, weil die Aufrechnungseinrede lediglich Eventualcharakter hat, sie wird also nur für den Fall erklärt, dass das Gericht das Bestehen der Klageforderung bejaht (Rechberger in Rechberger2, ZPO, § 392 Rz 10). Sollte also die klageweise geltend gemachte Forderung nicht zu Recht bestehen, wäre über die Zulässigkeit des Aufrechnungsverbotes nicht zu entscheiden.

Das Rechtsverhältnis, dessen Feststellung die beklagte Partei begehrt, ist auch für die Entscheidung in der Hauptsache präjudiziell und geht im Hinblick auf die mehreren eingewendeten Gegenforderungen über den konkreten Rechtsstreit hinaus. Dass die beklagte Partei eine der mehreren Gegenforderungen bereits selbständig eingeklagt hat, nimmt ihr nicht das rechtliche Interesse an ihrem Zwischenfeststellungsantrag.

Auch eine allfällige undeutliche Formulierung des Zwischenfeststellungsantrages kann nicht zu dessen Abweisung führen. Diesem Einwand der beklagten Partei wird durch eine deutlichere Formulierung Rechnung getragen.

Die Ansicht des Berufungsgerichtes, dass dann, wenn sich infolge eines durch Vertragsübernahme hervorgerufenen Parteiwechsels nun ein Unternehmer und Verbraucher gegenüberstehen, es durch die Vertragsübernahme zur Unterstellung des Vertrages unter das erste Hauptstück des KSchG kommt, entspricht ganz einhelliger Lehre (Krejci in Krejci, Handbuch zum KSchG, 225; derselbe, Komm z KSchG, § 1 Rz 38; derselbe in Rummel2, ABGB, § 1 KSchG, Rz 38; Deixler-Hübner, Konsumentenschutz2, Rz 5; Feil, KSchG3, § 1 Rz 11), der sich auch der erkennende Senat anschließt. Es kommt nicht darauf an, ob die Gefahr der Umgehung der Bestimmungen des KSchG besteht oder nicht. Das KSchG stellt nicht darauf ab, ob ein Vertrag neu geschlossen wird und zu diesem Zeitpunkt die typische Ungleichgewichtslage gegeben ist, sondern gilt das I. Hauptstück dieses Gesetzes für Rechtsgeschäfte, an denen ein Unternehmer und ein Verbraucher beteiligt sind (§ 1 Abs 1 KSchG). Diese Voraussetzung ist hier gegeben und zwar unabhängig davon, ob die Rechtsvorgängerin der klagenden Partei Unternehmerin war oder nicht. Die Modifizierung des Vertragsinhaltes beruht nicht auf einer vertraglichen Änderung des Schuldverhältnisses, sondern auf gesetzlicher Anordnung.

Allerdings enthält § 6 Abs 1 Z 8 KSchG kein generelles Aufrechnungsverbot. Vertragliche Aufrechnungsverbote sind lediglich in den vom Gesetz aufgezählten Fällen untersagt: Bei Zahlungsunfähigkeit des Unternehmers; für Forderungen die im rechtlichen Zusammenhang mit der Verbindlichkeit des Verbrauchers stehen, die gerichtlich festgestellt oder vom Unternehmer anerkannt worden sind. Allgemein formulierte vertragliche Aufrechnungsverbote, welche - wie hier - auf die Tatbestandsmerkmale des § 6 Abs 1 Z 8 KSchG nicht ausdrücklich eingehen, gelten in den Fällen dieser Bestimmung nicht; sie behalten darüber hinaus im Rahmen des Zulässigen aber ihre Gültigkeit (Krejci, Komm z KSchG, § 6 Rz 102). Vertragsbestimmungen, die innerhalb gewisser Schranken zulässig sind, sind auf dieses Ausmaß einzuschränken, sie fallen also bei Überschreitung der Grenze des Erlaubten nicht ganz dahin (Welser in Krejci, Handbuch8 KSchG, 367 f).

Daraus folgt, dass die Unwirksamkeit des vertraglich vereinbarten Konkurrenzverbotes lediglich im Ausmaß der Überschreitung der Grenze des nach § 6 Abs 1 Z 8 KSchG Erlaubten auszusprechen und das darüber hinausgehende Begehren im Zwischenantrag des Beklagten abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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