OGH 9ObA149/01d

OGH9ObA149/01d5.9.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Scheuch und Dr. Anton Wladar als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Franz H*****, vertreten durch Dr. Helmut Engelbrecht und Mag. Werner Piplits, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei W***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Bichler und Zrzavy, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 4,324.831,-- brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Februar 2001, GZ 9 Ra 316/00g-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 16. Juni 2000, GZ 13 Cga 175/99w-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 31.702,06 (darin S 5.283,68 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger schloss mit der beklagten Partei am 16. Februar 1998 einen auf fünf Jahre befristeten Angestelltendienstvertrag und sollte als Geschäftsführer der beklagten Partei tätig sein. Eine Kündigungsmöglichkeit war nur für den Fall dauernder Berufsunfähigkeit bzw verminderter Erwerbsfähigkeit vorgesehen. Unbeschadet dieser Bestimmungen sollte eine vorzeitige Auflösung aus wichtigen Gründen im Sinne des § 27 AngG möglich sein. Der Kläger wurde mit Wirkung vom 25. Juni 1999 als Geschäftsführer abberufen und dienstfrei gestellt. Mit Schreiben vom 11. August 1999 wurde ihm mitgeteilt, dass das Dienstverhältnis aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung vorzeitig aufgelöst werde, weil er die Erfüllung von Handlungs- sowie Berichtspflichten unterlassen habe. Der Kläger ist nunmehr Alleingesellschafter der "G*****gesellschaft mbH", welche seit 6. Oktober 1999 im Firmenbuch eingetragen ist. Er ist auch handelsrechtlicher Geschäftsführer dieser Gesellschaft. Aus Geschäften mit dem Hauptkunden S***** erzielte die Gesellschaft bis Anfang Juni 2000 ca S 600.000 an Honorareingängen, von anderen Kunden im Jahre 1999 zwischen S 80.000 und S 100.000, bis Anfang Juni 2000 weitere ca S 200.000. Der Jahresumsatz 1999 lag bei ca S 180.000. Die "G*****gesellschaft mbH" hat monatliche Ausgaben zwischen S 40.000 und S 50.000, zu den Gründungskosten zählten auch die Entrichtung der Stammeinlage von S 500.000 sowie weitere Kosten von ungefähr S 100.000.

Der Kläger bestritt die Berechtigung der vorzeitigen Auflösung seines Dienstverhältnisses und begehrte aus dem Titel entgangener Gehälter sowie eines Teiles der Abfertigung den Betrag von S 4,324.831,-- brutto.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und ersuchte im Hinblick auf den Umfang des Bestreitungsvorbringens um den Auftrag zur Erstattung eines Schriftsatzes. Sie brachte weiters vor, dass der Kläger seit seinem Ausscheiden eine höher dotierte Tätigkeit in der Schweiz ausübe und daher die Anrechnungsregelung des § 29 AngG zum Tragen komme. Die beklagte Partei brachte in der ihr eingeräumten Frist von vier Wochen keinen vorbereitenden Schriftsatz ein und erstattete auch in der folgenden Tagsatzung vom 10. April 1999 kein weiteres (mündliches) Vorbringen. In dieser Tagsatzung wurde ihr erneut ein Bestreitungsvorbringen mittels Schriftsatzes binnen vier Wochen unter Androhung von Präklusion aufgetragen. Diese Frist verstrich neuerlich ungenützt.

In der Tagsatzung vom 16. Juni 2000 ersuchte die beklagte Partei, umfangreiches Gegenvorbringen erstatten zu dürfen. Dieses wurde jedoch vom Erstgericht gemäß § 179 Abs 1 ZPO für unstatthaft erklärt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (mit Ausnahme einer rechtskräftig gewordenen Teilabweisung des Zinsenbegehrens) statt. Es vertrat die Rechtsansicht, dass der beklagten Partei - mangels rechtzeitigen Vorbringens - der ihr obliegende Beweis für die Verwirklichung eines Entlassungsgrundes durch den Kläger nicht gelungen sei. Desgleichen sei sie ihrer Behauptungs- und Beweislast hinsichtlich eines anderweitigen Verdienstes des Klägers im Sinne des § 29 Abs 1 AngG nicht nachgekommen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und vertrat die Rechtsauffassung, dass das Erstgericht unter richtiger Anwendung des § 179 Abs 1 ZPO das verspätete Vorbringen der Beklagten für unstatthaft erklärt habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Grunde der Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie der Aktenwidrigkeit mit einem Aufhebungsantrag.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die von der beklagten Partei geltend gemachten Mängel des Verfahrens erster Instanz sowie die behauptete Aktenwidrigkeit wurden geprüft, sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Lediglich ergänzend ist den Ausführungen in der Revision entgegenzuhalten:

Zur Aktenwidrigkeit:

In der Tagsatzung vom 10. April 2000 (AS 33) wurde der beklagten Partei die Erstattung eines bereits einmal aufgetragenen Bestreitungsvorbringens bei sonstiger Präklusion mittels Schriftsatzes binnen vier Wochen aufgetragen und überdies die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung zur weiteren Beweisaufnahme durch Parteienvernehmung des Klägers auf den 16. Juni 2000 erstreckt. Da zu diesem Zeitpunkt (mangels Vorbringens der beklagten Partei) keine weiteren Beweismittel unerledigt waren, entsprach es dem Verfahrensstand, die Tagsatzung "zur Parteieinvernahme" zu erstrecken. Da der beklagten Partei jedoch gleichzeitig die Möglichkeit zu weiterem Tatsachen- und Beweisvorbringen eingeräumt worden war, ist der Schluss der beklagten Partei, die Tagsatzung vom 16. Juni 2000 wäre nur zur Parteienvernehmung des Klägers anberaumt worden, ein unzutreffender. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, dass fristgerechtes Vorbringen der beklagten Partei in der erstreckten Tagsatzung Berücksichtigung hätte finden können, findet daher in der Aktenlage Deckung.

Zur Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens:

Das Berufungsgericht hat die Rechtsrüge in der Berufung zutreffend als nicht gesetzesgemäß ausgeführt beurteilt. In dieser führt die beklagte Partei nämlich nur die Höchstgrenze (der nur ungefähr feststellbar gewesenen) Einkünfte der Einmann-GmbH des Klägers und die durchschnittlichen monatlichen Ausgaben an, vernachlässigt aber zur Gänze die ebenfalls festgestellten Gründungskosten, welche allein schon die angeblichen Bruttoeinnahmen des Klägers erreichen. Somit geht die beklagte Partei in ihrer Rechtsrüge nicht vom (gesamten) festgestellten Sachverhalt aus.

Auch die Beweisrüge in der Berufung wurde zu Recht als nicht dem Gesetz entsprechend gewertet. Die beklagte Partei führte zwar aus, dass auf Grund der Aussage des Klägers ein bestimmtes Einkommen festzustellen gewesen wäre, lässt aber Ausführungen dazu vermissen, welche konkrete Feststellung bekämpft wird (Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 8 zu § 471). Dies wäre im vorliegenden Fall schon deshalb erforderlich gewesen, weil das Erstgericht konkrete Feststellungen über die Einnahmen und Ausgaben der vom Kläger beherrschten Einmann-Gesellschaft getroffen hat.

Letztlich können auch die weitwendigen Ausführungen zur unrichtigen Anwendung des § 179 Abs 1 ZPO durch die Vorinstanzen auf sich beruhen. Hat nämlich das Berufungsgericht einer auf eine unrichtige Anwendung des § 179 Abs 1 ZPO gestützten Mängelrüge nicht stattgegeben, so ist damit über die Zurückweisung eines Prozessvorbringens als verspätet nach ständiger Rechtsprechung endgültig abgesprochen, das heißt, die Anfechtung des Berufungsurteils unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens ist deshalb ausgeschlossen. Dies gilt auch für die seit der WGN 1997 bestehende Rechtslage (RIS-Justiz RS0036897, insbesondere 10 Ob 308/99p).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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