Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S
9.900 (darin enthalten S 1.650 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht hat die Frage, ob sich der Kläger dasjenige, was er in der Zeit zwischen Entlassung und erstgerichtlicher Stattgebung der Anfechtungsklage bei zwei anderen Arbeitgebern erworben hat, nach § 1155 Abs 1 ABGB anrechnen lassen müsse, zutreffend bejaht, sodass es ausreicht, auf die Richtigkeit der Begründung der Berufungsentscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers Folgendes entgegenzuhalten:
Nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen wurde der ab 3. 8. 1995 bei der C***** Gesellschaft mbH (seit 21. 7. 2000 im Konkurs; im Folgenden Gemeinschuldnerin genannt) als Sicherheitsinspektor beschäftigte Kläger am 14. 11. 1995 gekündigt und am 16. 11. 1995 entlassen, beides im Zusammenhang mit seiner Absicht, einen Betriebsrat zu gründen. Der Kläger erhob dagegen eine Anfechtungsklage. Mit Urteil des Erstgerichts vom 11. 11. 1997, GZ 23 Cga 230/95a-35, zugestellt an den damaligen Beklagtenvertreter am 26. 2. 1998, wurde der vom Kläger erhobenen Anfechtungsklage stattgegeben und es wurden die Kündigung und die Entlassung für unwirksam erklärt. Die dagegen von der Gemeinschuldnerin erhobene Berufung sowie die gegen die Berufungsentscheidung (10 Ra 141/98y) erhobene Revision blieben erfolglos (9 ObA 285/98x). In der Zeit zwischen Kündigung bzw Entlassung und Zustellung des Ersturteils lagen neben Zeiten des Krankengeldbezugs und der Arbeitslosigkeit auch zwei Arbeitsverhältnisse des Klägers bei dritten Arbeitgebern, und zwar vom April bis Dezember 1996 und vom Mai bis Juli 1997. Dabei brachte der Kläger - soweit unter Berücksichtigung der korrespondierenden Zeitabschnitte und des Gehalts bei der Gemeinschuldnerin anrechnungsrelevant - insgesamt S 182.508 brutto ins Verdienen.
Strittig ist im Revisionsverfahren ausschließlich die Frage, ob sich der Kläger das im vorgenannten Zeitraum bezogene Entgelt von S
182.508 brutto auf seine Entgeltansprüche im korrespondierenden Zeitraum gegen die Gemeinschuldnerin anrechnen lassen muss. Dies wurde von den Vorinstanzen mit zutreffender Begründung bejaht. Dem hält der Revisionswerber unter Hinweis auf die Entscheidung des OGH zu 8 ObA 2046/96g entgegen, dass die Berufung der Gemeinschuldnerin auf die Anrechnungsbestimmung des § 1155 Abs 1 ABGB im vorliegenden Fall rechtsmissbräuchlich sei. Die Arbeitgeberin habe nämlich ihr Kündigungs- und Entlassungsrecht in grob missbräuchlicher Weise ausgeübt, um ihn daran zu hindern, einen Betriebsrat zu gründen. Schon bei grundloser Dienstfreistellung könne sich ein Arbeitgeber nicht auf die Anrechnungsbestimmung berufen; der vorliegende Fall sei jedoch noch krasser. Der Arbeitgeber könne sich nicht durch eine sittenwidrige Handlung seiner Entgeltzahlungspflicht entziehen und gleichzeitig Vorteile erlangen.
Vorauszuschicken ist, dass dem Arbeitnehmer auch für Arbeitsleistungen, die nicht zustande gekommen sind, das Entgelt gebührt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seite des Arbeitgebers liegen, daran verhindert worden ist; er muss sich jedoch anrechnen lassen, was er infolge Unterbleibens der Arbeitsleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat (§ 1155 Abs 1 ABGB). Im vorliegenden Fall geht es von diesen drei Varianten der Anrechnung nur um die zweite, also um die Frage der Anrechnung dessen, was der Arbeitnehmer durch anderweitige Verwendung erworben hat. Nach der Rechtsprechung und überwiegenden Lehre unterliegen auch die Fälle des schuldhaften Annahmeverzugs des Arbeitgebers dieser Bestimmung (Arb 9.883; ZAS 1983/5; Schrammel, ZAS 1983, 63; Holzer, DRdA 1983, 7; Binder, Vorteilsanrechnung im Arbeitsverhältnis, FS Schwarz [1991] 35 [47]; Krejci in Rummel, ABGB3 Rz 9 zu § 1155). Auf dieses Recht der Anrechnung kann sich der Arbeitgeber jedoch dann nicht berufen, wenn die Berufung hierauf rechtsmissbräuchlich wäre. Rechtsmissbrauch liegt dann vor, wenn unlautere Motive der Rechtsausübung augenscheinlich im Vordergrund stehen und daher andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten bzw wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen Teils ein krasses Missverhältnis besteht (Mader, JBl 1998, 677 [679]; RIS-Justiz RS0026271).
Einen derartigen Rechtsmissbrauch erblickte der OGH im Fall der Berufung des Arbeitgebers auf die Anrechnungsbestimmung des § 1155 Abs 1 ABGB bei grundloser Dienstfreistellung des Arbeitnehmers. Eine Vereinbarung, die bei der Umsatzprovision nur auf die Anwesenheitszeiten abstelle und Abwesenheitszeiten etwa infolge Dienstfreistellung nicht berücksichtige, sei unwirksam. Dem Arbeitnehmer verbleibe in einem solchen Fall der volle Entgeltanspruch; der Arbeitgeber könne sich nicht auf eine Anrechnung berufen, weil dies einen Rechtsmissbrauch darstellen würde (SZ 70/20 = ZAS 1997/19 ((Risak)); Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht8 470). Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich jedoch grundlegend vom hier zu beurteilenden:
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass jede Entlassung das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet, gleichgültig, ob ein Entlassungsgrund vorliegt oder nicht (Kuderna, Entlassungsrecht**2 30; Schwarz/Löschnigg aaO 645 mwN). Das Risiko der Nichtbeschäftigung eines Arbeitnehmers bei rechtsunwirksamer Kündigung oder Entlassung trägt der Arbeitgeber (Arb 9.883). Wurde eine von ihm ausgesprochene Kündigung oder Entlassung vom Arbeitnehmer angefochten und wurde der Anfechtung rechtskräftig stattgegeben, so wird durch dieses Urteil das Arbeitsverhältnis reaktiviert. Der inzwischen aufgelaufene Verdienst ist dem Arbeitnehmer nach § 1155 ABGB nachzuzahlen (Schwarz/Löschnigg aaO 467).
Ging es in der Entscheidung SZ 70/20 um eine grundlose Dienstfreistellung während eines noch laufenden, aufrechten Arbeitsverhältnisses, so geht es im vorliegenden Fall um die Zeit eines für beide Teile unsicheren Schwebezustands zwischen Entlassung und Ergebnis des Anfechtungsprozesses, also um die Zeit eines (jedenfalls zunächst) fehlenden Arbeitsverhältnisses. Trotz rückwirkender Reaktivierung des Arbeitsverhältnisses nach erfolgreicher Anfechtung kann daher die Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers in der Zeit davor nicht mit einer Dienstfreistellung während eines aufrechten Arbeitsverhältnisses verglichen werden. Die Gemeinschuldnerin unterließ die Beschäftigung des Klägers nicht grundlos, sondern im Hinblick auf die von ihr ausgesprochene Beendigungserklärung und das hieraus resultierende Fehlen eines Arbeitsverhältnisses. Es wird dabei nicht verkannt, dass Kündigung und Entlassung des Klägers - nach den bindenden Feststellungen - aus einem verpönten Motiv erfolgten und der Wegfall des Arbeitsverhältnisses ausschließlich auf Handlungen der Gemeinschuldnerin zurückzuführen war. Das Motiv entfaltete jedoch keine absolute Wirkung im Sinne einer Nichtigkeit, sondern bloße Anfechtbarkeit (Kuderna aaO 33). Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers geht es hier nicht darum, ob die Gemeinschuldnerin das Kündigungs- oder Entlassungsrecht missbräuchlich ausgeübt hat, sondern darum, ob ihre spätere Berufung auf das Recht, vom Arbeitnehmer nach § 1155 Abs 1 ABGB die Anrechnung eines allfälligen, in der Zwischenzeit bei Dritten bezogenen Entgelts auf seinen Entgeltanspruch gegen den Arbeitgeber zu verlangen, rechtsmissbräuchlich ist. Dies ist nach den vorstehenden Erwägungen zu verneinen. Es kann nämlich nicht gesagt werden, dass andere (als unlautere) Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten bzw zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen Teils ein krasses Missverhältnis besteht (RIS-Justiz RS0026271).
Inwieweit das verpönte Motiv beim anderen Anrechnungsfall des Versäumens eines Erwerbs und der damit zusammenhängenden Beurteilung der Zumutbarkeit eines Erwerbs stärker durchschlägt (vgl Holzer aaO; Binder aaO 48; Krejci aaO Rz 25 zu § 1155; Risak in ZAS 1997/19), kann hier, weil nicht streitgegenständlich, dahingestellt bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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