OGH 14Os83/01

OGH14Os83/014.9.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. September 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Schmucker und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kristöfel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Karl B***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 207 Abs 1 und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 13. Feber 2001, GZ 10 Vr 507/00-18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Karl B***** des Verbrechens des teils nur versuchten sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 und (§ 15) StGB schuldig erkannt, weil er im Zeitraum von 1996 bis zum Frühherbst 1998 in Hieflau außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an einer unmündigen Person vorgenommen bzw teils vorzunehmen versucht hat, indem er die am 14. Oktober 1984 geborene Renate M***** in mehrfachen Angriffen an den Brüsten und am Oberschenkel streichelte und versuchte, sie im Genitalbereich zu betasten.

Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde, der jegliche Berechtigung fehlt.

Rechtliche Beurteilung

Eine Beeinträchtigung seiner Verteidigungsrechte (Z 4) erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung seines zum Beweis der eingeschränkten Aussagefähigkeit und Aussagetüchtigkeit der Zeugin Renate M***** gestellten Antrags auf "Beiziehung eines Kinderpsychologen" (AS 177 iVm AS 143).

Dazu ist vorweg festzuhalten, dass die Beweiswürdigung gemäß § 258 StPO ausschließlich dem Gerichtshof zukommt und die Richter sich auf Grund des Beweisverfahrens, des persönlichen Eindrucks von Zeugen und Angeklagten sowie ihrer Berufs- und Lebenserfahrung über die Verlässlichkeit der Aussagen schlüssig zu werden haben; dies gilt grundsätzlich auch in Ansehung unmündiger oder jugendlicher Zeugen. Das Gutachten eines Kinder-(Jugend-)psychologen ist nur in besonders gelagerten Fällen einzuholen, wenn abwegige Veranlagungen in psychischer oder charakterlicher Hinsicht, Entwicklungsstörungen etc zu Tage treten und es deshalb geboten erscheint, Angaben dieses Zeugen unter einem dem Gericht nicht zugängigen Aspekt zu überprüfen. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer derartigen Ausnahmesituation sind dem Akt nicht zu entnehmen, wozu noch kommt, dass die belastenden Angaben des Mädchens im wesentlichen Kern (zumindest in objektiver Sicht) vom Angeklagten selbst bestätigt wurden. Dieser hat nämlich vor allem vor der Gendarmerie ausdrücklich eingestanden, "der damals unmündigen Renate M***** - wenngleich ohne deliktischen Vorsatz - mehrmals auf die Oberschenkel, auf den nackten Bauch und auf die Brust gegriffen und auch gestreichelt" (AS 45) bzw in einem Fall unter dem Pullover auf die nackte Brust des Mädchens gegriffen zu haben (AS 47). Angesichts dieser Beweislage konnte das Erstgericht ohne Verletzung von Verteidigungsrechten von der begehrten (für die subjektive Tatseite bedeutungslosen) Beweisaufnahme Abstand nehmen.

Unberechtigt ist der Vorwurf der Undeutlichkeit der schuldspruchrelevanten Urteilsbegründung (Z 5), ist den Entscheidungsgründen doch unmissverständlich zu entnehmen, welche Tatsachen als erwiesen angenommen wurden und aus welchen Gründen dies geschah. Danach hat der Beschwerdeführer die unmündige Renate M***** wiederholt sexuell motiviert am Oberschenkel in Richtung Genitalbereich gestreichelt bzw wiederholt versucht, auf die Brüste und den Genitalbereich des Mädchens zu greifen, wobei es wegen deren Abwehrhandlungen nur zu flüchtigen Berührungen gekommen ist; in einem Fall hat der Angeklagte dem Mädchen unter dem Pullover auf die nackte Brust gegriffen (US 5 ff). Diese Feststellungen wurden vom Erstgericht im Wesentlichen auf die für glaubwürdig erachteten Angaben des Mädchens und die zumindest in objektiver Sicht damit weitestgehend übereinstimmende Darstellung des Beschwerdeführers, sohin auf eine tragfähige Grundlage gestützt; die einen deliktischen Willen in Abrede stellende Verantwortung des Beschwerdeführers wurde in freier Beweiswürdigung als bloße Schutzbehauptung verworfen (US 9 f).

Gleichermaßen versagt die Tatsachenrüge (Z 5a), da die Beweislage keinerlei Platz für erhebliche Bedenken an der Richtigkeit des Schuldspruchs offen lässt. Die Beschwerdeinterpretation der Tathandlungen als Ausdruck freundschaftlicher oder väterlicher Gefühle für das Mädchen ist evident haltlos, diesbezüglich bedarf es keiner weiteren Erörterung.

In rechtlicher Sicht (Z 9 lit a) spricht der Beschwerdeführer den festgestellten Tathandlungen die Eignung zur Herstellung des Tatbildes nach § 207 Abs 1 StGB ab. Mangels Orientierung am entscheidungswesentlichen Urteilssachverhalt gelangt dieser Nichtigkeitsgrund jedoch nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Mit dem an sich zutreffenden Einwand, der Bereich der Oberschenkel stelle nach gesicherter Rechtsprechung eine geschlechtlich neutrale Zone dar, negiert der Beschwerdeführer, dass das Streicheln der Oberschenkel nach Überzeugung des Schöffensenates dem Ziele diente, den Genitalbereich des Mädchens zu berühren, was nur zufolge Gegenwehr unterblieben ist. Das festgestellte Angreifen der nackten Brust des Mädchens (US 6 f) durch den Angeklagten wird vom Beschwerdeführer übergangen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Graz zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

Stichworte