OGH 3Ob201/01g

OGH3Ob201/01g29.8.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Angst als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der betreibenden Partei Edeltraud J*****, vertreten durch Kolarz & Donnerbauer Rechtsanwaltspartnerschaft in Stockerau, gegen die verpflichtete Partei Willibald J*****, vertreten durch Dr. Gerald Hausar, Rechtsanwalt in Wien, wegen 222.546,95 S (Unterhalt) über den ordentlichen Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 3. Mai 2001, GZ 21 R 148/01i-25, womit über den Rekurs der verpflichteten Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Laa/Thaya vom 7. September 2000, GZ E 631/00h-9, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird mit der Maßgabe bestätigt, dass er am Ende von Pkt. I. A) 1. zu lauten hat:

"... wird gemäß § 39 Abs 1 Z 2 EO hinsichtlich der Pfändung des Kostenersatzes für die vom Verpflichteten entrichteten und künftig zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge gegen den Drittschuldner O***** eingestellt, soweit solche Beiträge der Finanzierung von Leistungen dienen, die nach Art und Umfang jenen der gesetzlichen Sozialversicherung entsprechen."

Das Kostenersatzbegehren der betreibenden Partei für den Revisionsrekurs wird abgewiesen.

Text

Begründung

Mit Beschluss vom 20. 6. 2000 wurde der Betreibenden aufgrund des gerichtlichen Vergleichs vom 29. 6. 1993 zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstands von 8.844,42 S und des laufenden Unterhalts von 6.163 S ab 1. 6. 2000 die - später eingeschränkte - Exekution durch Pfändung der dem Verpflichteten gegen einen bestimmten Drittschuldner "zustehenden Forderungen auf Überbrückungszahlung und Kostenersatz für Sozialversicherung" und deren Überweisung zur Einziehung bis zur Höhe des betriebenen Anspruchs bewilligt.

Der Verpflichtete beantragte die Einstellung der Exekution soweit, als deren Bewilligung auch wegen der ihm "zustehenden Forderung auf Kostenersatz für Sozialversicherung" gegen den Drittschuldner erfolgte. Er brachte vor, vom Drittschuldner als seinem ehemaligem Arbeitgeber wie andere Arbeitnehmer aus Rationalisierungsgründen abgebaut worden zu sein. Nach einer Betriebsvereinbarung habe der Drittschuldner diesen ehemaligen Arbeitnehmern "Überbrückungszahlungen bis zum Pensionseintritt" zu leisten. Überdies müsse der Drittschuldner noch einen "Kostenersatz für Sozialversicherung" zahlen, der sich auf die Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung (Pensions- und Krankenversicherung) beziehe. Diesen Kostenersatz habe der Drittschuldner allerdings nur gegen den Nachweis der Beitragszahlung zu leisten. Er sei daher reiner Aufwandersatz, der "von Gesetzes wegen unpfändbar" sei. Er werde gewährt, um den ehemaligen "Arbeitnehmern letztlich im Zuge der Weiterversicherung vor Eintritt in die Pension eine höhere Bemessungsgrundlage zu garantieren als wenn sie arbeitslos wären".

Das Erstgericht wies den "Einstellungsantrag ... zurück". Der Drittschuldner habe "die Pfändbarkeit bzw Unpfändbarkeit einer Forderung von sich aus zu beachten". Er sei im Falle einer "bewilligten unbeschränkten Pfändung" auch berechtigt, "die Unzulässigkeit der Exekution anzuzeigen".

Das Rekursgericht gab dem Einschränkungsantrag statt und stellte die Exekution in Ansehung "der Pfändung des Kostenersatzes für die (geleisteten) Sozialversicherungsbeiträge" ein. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 52.000 S, nicht aber 260.000 S übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Nach seiner Ansicht sind die unpfändbaren Forderungen in § 290 EO abschließend geregelt. § 290 Abs 1 Z 1 EO, der sich auf Aufwandsentschädigungen beziehe, enthalte aber "eine Reihe von allgemeinen Umschreibungen der unpfändbaren Forderungen, die der konkretisierenden Auslegung" bedürften. Insofern sei der "taxative Charakter dieser Bestimmung ... relativiert". Sei eine Forderung unpfändbar, so sei sie der Zwangsvollstreckung entzogen. Eine dennoch bewilligte Exekution sei gemäß § 39 Abs 1 Z 2 EO einzustellen bzw gemäß § 41 Abs 1 EO "auf pfändbare Forderungen einzuschränken". Aufwandsentschädigungen seien "echte Durchgangsposten" ohne Entgeltcharakter. Bei der hier maßgebenden Forderung des Verpflichteten sei auch zu beachten, dass gemäß § 291 Abs 1 Z 4 EO Beiträge, die der Verpflichtete zu einer Versicherung, deren Leistungen nach Art und Umfang jenen der gesetzlichen Sozialversicherung entsprechen, für sich oder seine unterhaltsberechtigten Angehörigen zahle, in Ermangelung einer gesetzlichen Pflichtversicherung bei Ermittlung der Berechnungsgrundlage für den unpfändbaren Freibetrag vom Gesamtbezug abzuziehen seien. Der vom Drittschuldner aufgrund einer Betriebsvereinbarung zu ersetzende Beitragsaufwand für die freiwillige Weiterversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung sei als Einkommensbestandteil - auf dem Boden einer "zulässigen Analogie" - gemäß § 290 Abs 1 Z 1 EO unpfändbar, weil er "auch bei Ermittlung der Berechnungsgrundlage nach § 291 Abs 1 Z 4 EO entsprechend zu berücksichtigen" wäre. Andernfalls würden ehemalige gegenüber gegenwärtigen Dienstnehmern des Drittschuldners nach exekutionsrechtlichen Gesichtspunkten benachteiligt. Bei letzteren wären gemäß § 291 Abs 1 Z 1 EO Beträge, die unmittelbar aufgrund steuer- oder sozialrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen des Verpflichteten abzuführen seien, bei Ermittlung der Berechnungsgrundlage für den unpfändbaren Freibetrag vom Gesamtbezug abzuziehen. Bei ersteren wäre dagegen die Überbrückungszahlung samt dem Aufwandersatz für Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung beschränkt pfändbar. Das sei nicht sachgerecht. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs noch nicht "zur Frage der Unpfändbarkeit von seiten des Drittschuldners geleisteter Ersatzzahlungen für vom Dienstnehmer geleistete Beiträge zur Pflichtversicherung" Stellung genommen worden sei und eine solche Entscheidung über den vorliegenden Einzelfall hinaus Bedeutung habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Betreibenden ist aus dem vom Gericht zweiter Instanz angeführten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

1. Eingangs ist anzumerken, dass bei einer Exekution zur Hereinbringung von Geldunterhalt ein Bewertungsausspruch durch das Gericht zweiter Instanz nicht erforderlich ist, weil sich dessen Entscheidungsgegenstand aus dem Dreifachen der Jahresleistung (§ 58 Abs 1 JN) der betriebenen, im zweitinstanzlichen Verfahren noch streitverfangenen laufenden Unterhaltsforderung unter Hinzurechnung eines allenfalls zusätzlich betriebenen Unterhaltsrückstands ergibt (vgl 3 Ob 10/01v mwN [Oppositionsklage]). Danach hatte das Rekursgericht im Anlassfall über einen Entscheidungsgegenstand von 222.546,95 S abzusprechen, betrug doch der betriebene Unterhaltsrückstand im Entscheidungszeitpunkt nur noch 678,95 S.

2. Als Aufwandsentschädigungen gemäß § 290 Abs 1 Z 1 EO gelten nur Leistungen des Drittschuldners zur Abgeltung eines dem Arbeitnehmer in Ausübung der Berufstätigkeit tatsächlich entstandenen finanziellen Aufwands (Oberhammer in Angst, EO § 290 Rz 3; Zechner, Forderungsexekution § 290 Rz 6). Tatbestandsmäßig sind somit nur Zahlungen ohne Entgeltcharakter, die bloß einen im Zuge der Berufstätigkeit entstandenen konkreten Auwand ersetzen (Oberhammer aaO, Resch in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 290 Rz 15; Zechner aaO).

Eine unmittelbare Anwendung des § 290 Abs 1 Z 1 EO auf den im Anlassfall maßgebenden Kostenersatz scheitert daran, dass es sich dabei nicht um die Abgeltung eines in Ausübung einer Berufstätigkeit tatsächlich entstandenen finanziellen Aufwands handelt, erhält doch der Verpflichtete, der nach seinen Behauptungen im Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung nicht mehr Arbeitnehmer des Drittschuldners ist, den erörterten Kostenersatz aus anderen Gründen. Somit ist zunächst die im angefochtenen Beschluss aufgeworfene Analogiefrage zu beantworten.

3. Ein Analogieschluss wäre nur im Falle einer planwidrigen und daher ungewollten Gesetzeslücke geboten. Eine solche Gesetzeslücke ist dann anzunehmen, wenn Wertungen und Zweck der konkreten gesetzlichen Regelung die Annahme rechtfertigen, der Gesetzgeber habe einen nach denselben Maßstäben regelungsbedürftigen Sachverhalt übersehen. Das Gesetz müsste also, gemessen an seiner eigenen Absicht und Teleologie ergänzungsbedürftig sein, ohne dass diese Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspräche (EvBl 1999/78 mwN).

4. Nach § 291 Abs 1 Z 4 EO, einer Regelung, die auch die Erwägungen des Rekursgerichts mitbestimmte, sind Beiträge, die der Verpflichtete zu einer Versicherung, deren Leistungen nach Art und Umfang jenen der gesetzlichen Sozialversicherung entsprechen, für sich oder seine unterhaltsberechtigten Angehörigen leistet, bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage für den unpfändbaren Freibetrag vom Gesamtbezug abzuziehen, sofern kein Schutz aus der gesetzlichen Pflichtversicherung besteht. Darunter fallen auch Beiträge für die (freiwillige) Weiterversicherung in der gesetzlichen Kranken- und Pensionsversicherung (Resch aaO § 291 Rz 20; Zechner aaO § 291 Rz 5). Solche vom Verpflichteten entrichteten Beiträge hat der Drittschuldner gegen Vorlage eines Zahlungsnachweises bei Ermittlung der Berechnungsgrundlage für den unpfändbaren Freibetrag von der beschränkt pfändbaren Forderung des Verpflichteten - hier gemäß § 290a Abs 1 Z 4 EO ("Bezüge für frühere Arbeitsleistungen") - abzuziehen. Der auf diesen Aufwand entfallende Teil der Leistung des Drittschuldners ist dem Verpflichteten auszuzahlen (Resch aaO § 291 Rz 22).

Der erörterte Aufwand wird demnach von den Pfändungswirkungen auf einer anderen rechtlichen Ebene als nach § 290 Abs 1 Z 1 EO ausgeklammert. Somit besteht eine spezifische Norm, die nach ihrem Regelungsgehalt auch auf den hier maßgebenden "Kostenersatz für Sozialversicherung" anwendbar ist. Es mangelt also an der Erfüllung der unter 3. erörterten Voraussetzung für einen aus einer anderen Norm abzuleitenden Analogieschluss.

Das soeben erzielte Ergebnis wird durch § 291 Abs 1 Z 2 EO gestützt, wonach bei Ermittlung der Berechnungsgrundlage für den unpfändbaren Freibetrag auch "die der Pfändung entzogenen Forderungen und Forderungsteile" vom Gesamtbezug abzuziehen sind. Da Beitragszahlungen, die gemäß § 291 Abs 1 Z 4 EO vom Gesamtbezug gleichfalls abzuziehen sind, besonders geregelt sind, kann der auf den Ersatz solcher Beitragsleistungen entfallende Anspruch des Verpflichteten gegen den Drittschuldner nicht zugleich eine nach § 290 EO unpfändbare Forderung sein. Ein derartiger Ersatzanspruch ist vielmehr eine Abzugspost, die der Drittschuldner bei Ermittlung der Berechnungsgrundlage für den unpfändbaren Freibetrag zu berücksichtigen hat. Dieser Umstand ändert jedoch nichts daran, dass Pfändungswirkungen den erörterten Aufwand nicht erfassen können, ist doch der Befriedigungsfonds der betreibenden Gläubiger auf die Differenz zwischen der gemäß § 291 EO ermittelten Berechnungsgrundlage und dem gemäß § 291a bzw § 291b EO jeweils maßgebenden unpfändbaren Freibetrag beschränkt. Das wird im Revisionsrekurs der Betreibenden verkannt. Hat aber der Gesetzgeber (auch) die vom Verpflichteten gemäß § 291 Abs 1 Z 4 EO entrichteten Beiträge im Weg über die Ermittlung der Berechnungsgrundlage für den unpfändbaren Freibetrag einem Zugriff durch betreibende Gläubiger entzogen, so verwirklicht eine Exekution auf solche Beiträge gleichfalls den Tatbestand des § 39 Abs 1 Z 2 EO, betrifft doch die Exekution soweit ebenso eine Forderung, die "nach den geltenden Vorschriften der Exekution überhaupt" entzogen ist (allgemein dazu Jakusch in Angst aaO § 39 Rz 21).

Die im Anlassfall beantragte und bewilligte Exekution bezieht sich ausdrücklich auch auf den "Kostenersatz für Sozialversicherung", also auf eine Forderung des Verpflichteten gegen den Drittschuldner, die nach den voranstehenden Erwägungen nicht zur Tilgung des betriebenen Anspruchs herangezogen werden darf, weshalb das Rekursgericht die Exekution insoweit gemäß § 39 Abs 1 Z 2 EO iVm § 41 Abs 1 EO im Ergebnis zutreffend einschränkte.

4. 1. Unter § 291 Abs 1 Z 4 EO fallen allerdings, was auch die Betreibende hervorhebt, nur Beitragszahlungen des Verpflichteten für eine Versicherung, deren Leistungen nach Art und Umfang jenen der gesetzlichen Sozialversicherung entsprechen. Das bedeutet im Anlassfall, dass der Drittschuldner den "Kostenersatz für Sozialversicherung" bei Ermittlung der Berechnungsgrundlage für den unpfändbaren Freibetrag vom Gesamtbezug des Verpflichteten nur soweit abziehen darf, als er die Beitragsgrundlage für eine freiwillige Weiterversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung nach dem letzten Arbeitseinkommen des Verpflichteten beim Drittschuldner nicht übersteigt, geht doch eine freiwillige Höherversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung nicht zu Lasten des betreibenden Gläubigers (Oberhammer aaO § 291 Rz 1; Resch aaO § 291 Rz 27; Zechner aaO § 291 Rz 5).

Hätte daher der Drittschuldner nach der getroffenen Betriebsvereinbarung den Kostenersatz für eine freiwillige Weiterversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung nach einer höheren Bemessungsgrundlage als nach dem letzten Arbeitseinkommen des Verpflichteten zu leisten, so würde der Differenzbetrag die Berechnungsgrundlage für den unpfändbaren Freibetrag nicht verringern.

5. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass der erörterte Ersatzanspruch zwar nicht als unpfändbare Forderung nach § 290 EO einzustufen, jedoch der Exekution gemäß § 291 Abs 1 Z 4 EO entzogen ist. Darauf ist vom Drittschuldner bei Ermittlung der Berechnungsgrundlage für den unpfändbaren Freibetrag Bedacht zu nehmen. Der Drittschuldner darf jedoch die Beitragsleistungen des Verpflichteten gemäß § 291 Abs 1 Z 4 EO vom "Kostenersatz für Sozialversicherung" nur soweit abzuziehen, als sie der Finanzierung von Leistungen dienen, die nach Art und Umfang jenen der gesetzlichen Sozialversicherung entsprechen. Das ist im Einschränkungsbeschluss zu verdeutlichen, sodass der angefochtene Beschluss mit der aus dem Spruch dieser Entscheidung ersichtlichen Maßgabe zu bestätigen ist.

6. Die Betreibende verzeichnete für den Revisionsrekurs, der am 20. 7. 2001 beim Erstgericht einlangte, keine Kosten. Erst in einem "Kostenverzeichnis" vom 8. 8. 2001 (Einlangen) begehrte sie für den Revisionsrekurs 5.500,80 S an Kosten, weil deren Verzeichnung im Rechtsmittelschriftsatz wegen eines Versehens unterblieben sei.

Wenn eine Beschlussfassung wie im Verfahren über einen Revisionsrekurs ohne vorangehende mündliche Verhandlung erfolgt, sind die Rechtsmittelkosten gemäß § 78 EO iVm § 54 Abs 1 ZPO bei sonstigem Verlust des Ersatzanspruchs bereits im Rechtsmittelschriftsatz zu verzeichnen. Das ist hier unterblieben, weshalb das nachträgliche Kostenersatzbegehren abzuweisen ist, ohne dass noch der mangelnde Erfolg des Revisionsrekurses für die Entscheidung im Zwischenstreit über den Einschränkungsantrag von Bedeutung wäre.

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