Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 6.086,40 S (darin 1.014,40 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Stiefvater der Beklagten wollte im Sommer 1997 bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin einen Kredit über 70.000 S aufnehmen. Wegen seiner schlechten finanziellen Verhältnisse wurde sein Ansuchen abgelehnt. Er ersuchte die Beklagte, für ihn die Bürgschaft zu übernehmen. Sie war damit einverstanden. Die Beklagte stand damals in einem befristeten Dienstverhältnis (Urlaubsvertretung). Am 22. 7. 1997 begab sich die Beklagte mit ihrem Stiefvater in eine Filiale der Bank zu einem Abschlussgespräch, an dem ein Angestellter der Rechtsvorgängerin der Klägerin teilnahm. Die Beklagte fertigte einen schon vorbereiteten Abstattungskreditvertrag über 70.000 S unter der Rubrik "Kreditnehmer" und weiters einen Blankowechsel und eine Selbstauskunft. Ihr Stiefvater fertigte einen Bürgschaftsvertrag. Ihm wurde das Geld zugezählt. Die Rückzahlungsraten betrugen 5.000 S monatlich. Der Stiefvater bezahlte nur die zwei ersten Raten.
Mit der am 1. 12. 1999 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die Klägerin die Rückzahlung des gewährten Kredits samt Zinsen. Nach Ablehnung eines Kreditansuchens des Stiefvaters habe man sich geeinigt, dass der Beklagten ein Kredit gewährt werde und der Stiefvater für diesen Kredit die Bürgschaft übernehme. Am 22. 7. 1997 sei der Beklagten ausdrücklich erklärt worden, dass sie als Kreditnehmerin fungieren müsse. Die Kreditvaluta sei der Beklagten ausbezahlt worden. Die Beklagte habe der Klägerin verschwiegen, dass sie nur als Urlaubsvertretung beschäftigt gewesen sei. Bei einer Vorsprache der Beklagten im Oktober 1998 sei ihr erklärt worden, dass sie sich erkundigen müsse, ob ihr Stiefvater tatsächlich Ratenzahlungen leiste, andernfalls müsse sie die monatlichen Raten bezahlen. Die Beklagte habe die Kreditunterlagen erhalten. Der Prokurist der Klägerin sei mit dem Stiefvater der Beklagten nur bekannt, aber nicht befreundet gewesen. Das Bekanntschaftsverhältnis habe auf den Abschluss des Kreditvertrags keinen Einfluss gehabt. Selbst wenn davon ausgehe, dass die Beklagte für den Abstattungskredit nur als Bürgin hafte, schulde sie die Rückzahlung. Der Bürgschaftsvertrag wäre nicht sittenwidrig, weil die Beklagte über die finanziellen Verhältnisse ihres Stiefvaters genau Bescheid gewusst habe.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte im Wesentlichen vor, dass der Kreditvertrag wegen Irrtums und Arglist ungültig sei. Die Beklagte sei nur mit einer Bürgschaftsübernahme einverstanden gewesen. Sie sei über die Bürgenhaftung und die Kreditbedingungen nicht aufgeklärt worden. In der Filiale der Klägerin sei anlässlich der Unterschriftsleistung überhaupt kein Gespräch geführt worden. Die Beklagte sei der Auffassung gewesen, als Bürgin zu unterschreiben. Sie sei deshalb auch nicht verwundert gewesen, dass ihrem Stiefvater der Kreditbetrag ausbezahlt worden sei. Sie habe keine Urkunden erhalten. Von Rückständen habe sie erst erfahren, als sie am 5. 5. 1998 bei ihrer Hausbank selbst einen Überziehungskredit beantragen habe wollen. Dies sei unter Hinweis auf eine offene Kreditschuld von 68.000 S abgelehnt worden. Daraufhin habe sie Rücksprache mit dem Angestellten der Klägerin gehalten. Dabei sei ihr erstmals eine Kopie des Kreditvertrags übergeben und erklärt worden, dass der Stiefvater den Kredit nicht zurückbezahlt habe. Die Beklagte sei zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht in der Lage gewesen, den Kreditverpflichtungen zu entsprechen und hätte bei Kenntnis des wahren Sachverhalts auch nie einen Abstattungskreditvertrag unterfertigt. Bei entsprechender Aufklärung über die Verhältnisse des Stiefvaters hätte sie auch keine Bürgenhaftung übernommen. Die Übervorteilung der Klägerin sei sittenwidrig. Es seien Bestimmungen des Konsumentenschutzes verletzt worden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf über den schon wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch folgende wesentliche Feststellungen:
Der Stiefvater habe der Beklagten erklärt, er benötige ihre Bürgschaft. Die Unterschrift sei eine formelle Sache. Er werde den Kredit zurückzahlen. Die Unterschriften auf den vorbereiteten Urkunden seien in einer Mittagspause der Beklagten in einer Filiale der Klägerin geleistet worden. Die Selbstauskunft der Beklagten sei vom Stiefvater ausgefüllt worden. Wer den Eintrag über das Nettoeinkommen ausgefüllt habe, sei nicht feststellbar. Die Beklagte sei nicht nach einem "fixen" Arbeitsplatz gefragt worden. Der nähere Inhalt der Gespräche anlässlich der Leistung der Unterschriften könne nicht festgestellt werden. Alle drei am Gespräch Beteiligten hätten aber beim Abschluss den Willen gehabt, dem Stiefvater der Beklagten einen Kredit über 70.000 S zu verschaffen, den er bedienen sollte. Er habe den Betrag auch erhalten. Die Beklagte habe weder das Original noch einen Durchschlag des Kreditvertrags erhalten. Ihr sei auch keine Urkunde per Post zugestellt worden. Die Bank habe Rückzahlungen nur beim Stiefvater der Beklagten urgiert. Die Beklagte sei über den Rückstand nicht informiert worden und habe erst im Mai 1998 davon Kenntnis erlangt, als sie selbst einen Kredit aufnehmen habe wollen.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass nur formell ein Abstattungskreditvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten abgeschlossen worden sei. Der Zweck habe darin bestanden, nach außen hin den bankinternen Vorschriften bei der Kreditvergabe zu entsprechen. Willenserklärungen, die einem anderen gegenüber mit dessen Einverständnis zum Schein abgegeben werden, seien gemäß § 916 ABGB nichtig. Das Geschäft sei nach der wahren Beschaffenheit zu beurteilen. Hier sei allen Parteien zum Zeitpunkt des Abschlusses bewusst gewesen, dass von diesem Vertrag kein Gebrauch gemacht werden sollte, also tatsächlich nicht die als Kreditnehmerin aufscheinende Beklagte, sondern ihr Stiefvater den Kredit zugezählt erhalten und zurückzahlen sollte. Das Scheingeschäft sei nichtig. Der Kreditvertrag sei zwischen der Klägerin und dem Stiefvater der Beklagten zustande gekommen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es beurteilte den vom Erstgericht übernommenen Sachverhalt rechtlich im Wesentlichen dahin, dass nicht von einem Scheingeschäft im Sinne des § 916 ABGB ausgegangen werden könne. Die Beklagte sei bereit gewesen, für ihren Stiefvater eine Bürgschaft zu übernehmen, habe dann aber einen Kreditvertrag unterfertigt, in dem sie selbst als Kreditnehmerin ausgewiesen sei. Wenn sie die Unterschrift ohne Lesen des Vertrags geleistet habe, stünde dies der Annahme eines rechtsgültigen Vertrages nicht entgegen. Dennoch sei die Abweisung des Klagebegehrens berechtigt. Nach § 25c KSchG müsse der Gläubiger, wenn ein Verbraucher einer Verbindlichkeit als Mitschuldner, Bürge oder Garant beitrete, auf die wirtschaftliche Lage des Schuldners hinweisen, wenn er erkenne oder erkennen müsse, dass der Schuldner seine Verbindlichkeit voraussichtlich nicht oder nicht vollständig erfüllen werde. Wenn der Unternehmer diese Information unterlasse, hafte der Interzedent nur dann, wenn er seine Verpflichtung trotz einer solchen Information übernommen hätte. Auch wenn die Beklagte den Kreditvertrag als Kreditnehmerin unterfertigt habe, so entspreche die gewählte Konstruktion der ratio der angeführten Gesetzesbestimmung. Der Verbraucherschutz komme auch der Beklagten als alleiniger Kreditnehmerin zugute, zumal wirtschaftlicher Hauptschuldner ihr Stiefvater gewesen sei. Seine finanziellen Verhältnisse seien solche gewesen, dass er für die Klägerin als Kreditnehmer nicht in Frage gekommen sei. Nach den Feststellungen sei davon auszugehen, dass die Beklagte annehmen habe können, dass ihr Stiefvater den Kredit bedienen werde. Die Klägerin hätte der Beklagten über die wirtschaftliche Lage des Hauptschuldners (des Stiefvaters) Informationen geben müssen. Die Klägerin habe zwar ein Aufklärungsgespräch behauptet, dieses aber nicht nachgewiesen. Sie habe nicht einmal behauptet, dass die Beklagte selbst im Falle einer Aufklärung die Haftung übernommen hätte. Das Erstgericht habe daher im Ergebnis zu Recht das Klagebegehren abgewiesen.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es fehle eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des § 25c KSchG auf einen lediglich "wirtschaftlichen Interzedenten".
Mit ihrer ordentlichen Revision beantragt die Klägerin die Abänderung dahin, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde.
Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Den Gläubiger trifft nach § 25c KSchG eine Warnpflicht. Er hat den einer Verbindlichkeit als Mitschuldner, Bürge oder Garanten Beitretenden (Interzedenten) auf die wirtschaftliche Lage des Hauptschuldners hinzuweisen, wenn er erkennt oder erkennen muss, dass der Schuldner seine Verbindlichkeit voraussichtlich nicht oder nicht vollständig erfüllen wird. Obwohl das Berufungsgericht von einer wirksamen Verbindlichkeit der Beklagten als Hauptschuldnerin des Kreditvertrages ausgeht, erachtet es die Bestimmung des § 25c KSchG auf den vorliegenden Fall für anwendbar. Dazu ist Folgendes auszuführen:
Eine allfällige Aufklärungs- und Warnpflicht des Gläubigers gegenüber dem Hauptschuldner über die schlechten finanziellen Verhältnisse eines Beitrittsschuldners kann wegen der unterschiedlichen Interessenlage nicht ohne weiteres der im Gesetz ausdrücklich normierten Warnpflicht gegenüber einem Interzedenten gleichgehalten werden. Die Interzession dient primär der Sicherheit des Gläubigers. Diesen treffen Aufklärungspflichten zugunsten des Interzedenten. Ein Hauptschuldner bleibt unabhängig von der Bonität seines Interzedenten zur Zurückzahlung des zugezählten Darlehens verpflichtet. Eine Aufklärung des Hauptschuldners über die schlechten Verhältnisse seines Bürgen ist in der Regel schon deshalb entbehrlich, weil der Kreditwerber an der Kreditgewährung, nicht aber an der Besicherung dieses Kredits durch Dritte interessiert ist und auch ohne Beistellung von Sicherheiten den Kreditvertrag abschließt. Da die Interzession in aller Regel nur die Interessensphäre des Kreditgebers betrifft, erscheint die analoge Anwendung der Spezialbestimmung des § 25c KSchG auf den Hauptschuldner nicht leicht begründbar. Diese Bestimmung ist aber im vorliegenden Fall nach den festgestellten Umständen unmittelbar anwendbar:
Die festgestellten, gleichzeitig geschlossenen Verträge (Kreditvertrag und Bürgschaftsvertrag) sind als Einheit zu beurteilen. Für den Vertragsinhalt ist über den Wortlaut hinaus die Parteienabsicht entscheidend. Ob ein Vertrag inhaltlich der gewählten Bezeichnung des Vertragstyps entspricht, ist eine Auslegungsfrage, die von den festgestellten Begleitumständen bei Vertragsabschluss abhängt. Hier haben die Vorinstanzen einen Sachverhalt festgestellt, nach dem der Stiefvater der Beklagten entgegen dem Wortlaut des schriftlichen Bürgschaftsvertrages wenn schon nicht als Hauptschuldner, so doch zumindest als Mitschuldner eines gemeinsam aufgenommenen Kredits zu qualifizieren ist. Allen drei beim Vertragsabschluss mitwirkenden Personen war klar, dass der Stiefvater den Kredit erhalten sollte. Sie hatten den vom Erstgericht ausdrücklich festgestellten Abschlusswillen, dem Stiefvater und nicht der Beklagten den Kredit zu verschaffen. Er sollte den Kredit bedienen, ihm wurde der Betrag zugezählt, er erhielt die Vertragsurkunde. Er bezahlte zwei Raten. Die Rückstände wurden nur bei ihm eingemahnt. Die Beklagte erlangte dem gegenüber von der mangelnden Bedienung des Kredits erst Kenntnis, als sie nach neun Monaten selbst einen Kredit aufnehmen wollte. Bei diesem Sachverhalt ist die Beklagte nicht nur wirtschaftlich - wie das Berufungsgericht ausführte - sondern auch rechtlich als Mitschuldnerin einer eigenen Verbindlichkeit des Stiefvaters zu qualifizieren. Diese Rechtsauffassung kann die Klägerin nicht überraschen, weil sie weitgehend den Einwendungen der Beklagten entspricht und die Klägerin dazu ein Gegenvorbringen erstattet hat. Die Sache ist daher auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts spruchreif. Die Informationspflicht des Gläubigers nach § 25c KSchG besteht auch dann, wenn der Mitschuldner als Interzedent über die finanziellen Situationen des anderen Schuldners Bescheid weiß. Zur Vermeidung seines Risikos bedarf es einer nachdrücklichen Mahnung. Der Interzedent wird von seiner Haftung trotz unterbliebener Information und Warnung nur dann nicht befreit, wenn er seine Verpflichtung ungeachtet entsprechender Information und Warnung übernommen hätte. Dies hat der Gläubiger zu behaupten und zu beweisen (1 Ob 107/00t = EvBl 2001/10). Dieser Beweis ist der Klägerin nicht gelungen, die Abweisung des Klagebegehrens erfolgte daher ohne Rechtsirrtum.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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