OGH 13Os78/01

OGH13Os78/0122.8.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. August 2001 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Ratz und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Albel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Prof. Oswald O***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. November 2000, GZ 5e Vr 4867/00-103, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Prof. Oswald O***** (in Abweichung von der wegen § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB erhobenen Anklage) des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien zwischen Jänner 1993 und Jänner 1994 die ihm durch Rechtsgeschäft bzw behördlichen Auftrag eingeräumte Befugnis über fremdes Vermögen zu verfügen wissentlich missbraucht und dadurch der *****Stiftung einen Vermögensnachteil in nachgenannter Höhe zugefügt, indem er zunächst als Bevollmächtigter des Stiftungskurators, danach als Vorsitzender der Stiftungskommission und somit Einzelzeichnungsberechtigter vom Stiftungskonto (Nr ***** bei der CA-BV) Behebungen in Höhe von insgesamt ca 570.000,-- S vornahm, dieses Geld jedoch nicht für den alleinigen Stiftungszweck (der Auszahlung von Stipendien) verwendete, und zwar

1.) am 28. Jänner 1993 2.064,88 S

2.) am 15. Februar 1993 300.000,-- S

3.) am 22. Juli 1993 100.000,-- S

4.) am 09. Dezember 1993 70.000,-- S

5.) am 10. Jänner 1994 78.000,-- S

Dagegen richtet sich die auf die Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

Bevor auf die umfänglichen Anfechtungspunkte eingegangen wird, scheint es geboten, hier aktuelle Grundsätze voranzustellen, wodurch eine gesonderte und detaillierte Behandlung jedes einzelnen Beschwerdeargumentes (zur Z 5) weitgehend entbehrlich wird.

Rechtliche Beurteilung

Ein Urteil ist unvollständig begründet, wenn das Gericht bei Feststellung entscheidender Tatsachen wichtige und in der Hauptverhandlung vorgeführte Verfahrensergebnisse mit Stillschweigen übergeht, Widersprüche zwischen den vernommenen Personen nicht würdigt oder die seinen Feststellungen widerstreitenden Beweisergebnisse nicht erörtert oder die Gründe nicht angibt, aus denen es diese Beweise nicht für stichhältig erachtet. Kein Begründungsmangel im Sinne der Z 5 liegt vor, wenn das Gericht nicht den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen wie überhaupt alle Verfahrensergebnisse in extenso erörtert und darauf untersucht, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen, oder/und sich nicht mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen Einwand im Voraus auseinandersetzt (EvBl 1972/17). Es genügt vielmehr, wenn der Gerichtshof im Urteil in gedrängter Darstellung (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) die entscheidenden Tatsachen bezeichnet und logisch einwandfrei und zureichend begründet, warum er von der Richtigkeit dieser Annahme überzeugt ist, ohne dagegen sprechende wesentliche Umstände mit Stillschweigen zu übergehen. Dabei berechtigt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung das Gericht nicht nur "zwingende", sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse zu Tatsachenfeststellungen zu ziehen, und müssen die Beweismittel auch in ihrer Gesamtheit berücksichtigt werden (§ 258 Abs 2 StPO), weshalb Einwendungen, die nur auf einzelne, isoliert betrachtete Gesichtspunkte abstellen, von vornherein kein Erfolg beschieden sein kann.

Wenn daher aus den formell einwandfrei ermittelten Prämissen auch für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich wären, sich die Erkenntnisrichter aber dennoch für die den Angeklagten ungünstigeren entschieden haben, liegt ein mit der Mängelrüge unanfechtbarer Akt der freien richterlichen Beweiswürdigung vor.

Weil die Nichtigkeitsbeschwerde unter Hervorhebung einzelner Passagen aus den Aussagen der Zeugen Dir. Walter H*****, eines Schreiben dieses Zeugen an Prof. Dr. W***** vom 6. Dezember 1991 und unter Hinweis auf einen Teil der Aussage der Zeugin Dr. S***** darzulegen trachtet, dass nicht der Angeklagte, sondern Prof. Dr. W***** als Kurator der Stiftung am 5. Dezember 1991 bei Dir. H***** das Stiftungskonto ohne Beisein des Angeklagten eröffnet und diese Zeugen es unrichtig mit "Hochschule für angewandte Kunst" bezeichnet hätten, sodass der Angeklagte später in den Irrtum verfallen sei, es handle sich um ein Drittmittelkonto der Hochschule, und nach Erkennung der unrichtigen Kontobezeichnung Dir. H***** und Prof. Dr. W***** ihren Fehler mit Schutzbehauptungen vertuschen haben wollen, zeigt sie mit aus dem Zusammenhang gerissenen Beweisergebnissen keine Unvollständigkeit der zu diesen Themen - und entgegen der Beschwerde unter ausdrücklicher Bezugnahme auch auf die genannten Beweisergebnisse (siehe insbesondere US 17, 18, 19/20) - ausführlichst angestellten Erwägungen und somit keine Begründungsmängel zu Feststellungen entscheidender Tatsachen auf, sondern versucht bloß nach Art einer (im kollegialgerichtlichen Verfahren) unzulässigen Schuldberufung die tatrichterliche Beweiswürdigung in Zweifel zu ziehen.

Einer prozessordnungsgemäßen Darstellung entbehrt die Tatsachenrüge (Z 5a), die einmal mehr trachtet, die Verantwortung des Angeklagten, er habe geglaubt, bei dem verfahrensgegenständlichen Konto handle es sich um ein Drittmittelkonto, zum Durchbruch zu verhelfen, ohne jedoch sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde liegenden entscheidenden, und auf zahlreiche Beweismttel (Zeugen, vor allem auch Urkunden) gestützten, Tatsachenfeststellungen zu erwecken.

Hinweise auf die Ausführungen zur Mängelrüge verfehlen gleichfalls ihr Ziel, weil die Tatsachenrüge eigenständig und wesensmäßig von dieser verschieden ist.

Letztlich ist auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie nicht dem unabdingbaren Erfordernis des Festhaltens am gesamten Tatsachensubstrat des angefochtenen Urteils entspricht.

So bestreitet die Beschwerde die konstatierte subjektive Tatseite (US 7, 12, 43/44), vermisst die ohnedies auf US 44 getroffene Feststellung, wer bereichert wurde, obwohl dies - am Rande bemerkt - gar kein Tatbestandserfordernis ist, und bezweifelt zu wiederholten Malen das Wissen des Angeklagten vom Vorliegen des Stipendienkontos (siehe hiezu US 38, 40, 41) und letztlich auch die Konstatierung der Bescheidzustellung (als tatsächlich zugekommen: US 9).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285d StPO), sodass über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft das Oberlandesgericht zu entscheiden hat (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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