OGH 13Os105/01 (13Os111/01)

OGH13Os105/01 (13Os111/01)14.8.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. August 2001 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker und Dr. Habl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Albel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen DI Dkfm. Manfred S***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 33 Vr 335/00 des Landesgerichtes Wr. Neustadt, über die Grundrechtsbeschwerden des Beschuldigten DI Dkfm. Manfred S***** gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichtes Wien als Beschwerdegericht vom 22. Juni 2001, AZ

20 Bs 214, 215/01 (= ON 160 des Vr-Aktes) und vom 6. Juli 2001, AZ 20

Bs 241/01 (= ON 171 des Vr-Aktes), nach Anhörung der

Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch die angefochtenen Beschlüsse wurde DI Dkfm. Manfred S***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerden werden abgewiesen.

Text

Gründe:

Gegen den deutschen Staatsangehörigen DI Dkfm. Manfred S***** ist beim Landesgericht Wiener Neustadt eine Voruntersuchung wegen der Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB, der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB und wegen des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (als leitender Angestellter) nach §§ 159 Abs 1 und Abs 2, 161 Abs 1 StGB anhängig, weil er dringend verdächtig ist, in Weikersdorf und anderen Orten

1: von September 1995 bis Dezember 1999 als Verantwortlicher der R***** GmbH im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Peter B***** und Lars Bertil St***** die Befugnis, über das Vermögen der R***** GmbH und der R***** Holding AG zu verfügen und diese Unternehmen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und der R***** GmbH sowie deren Gläubigern durch regelmäßige und wiederholte Überweisung von management fees in unverhältnismäßiger Höhe ohne adäquate Gegenleistung einen Vermögensschaden von etwa 22 Mio S und der R***** Holding AG sowie deren Gläubigern einen solchen von etwa 7,7 Mio S zugefügt und durch das wissentliche Beiseiteschaffen von Vermögen eine Vereitelung, jedenfalls aber Schmälerung von Gläubigeransprüchen in Kauf genommen zu haben;

2: von November 1995 bis 2. Juni 1997 den damaligen Geschäftsführer der R***** GmbH Peter B***** dazu angestiftet zu haben, dass dieser die ihm eingeräumte Befugnis als Geschäftsführer der R***** GmbH wissentlich missbrauchte, indem B***** die von DI Dkfm. S***** wiederholt vorgelegten "Spesenabrechnungen" akzeptiert und durch die Auszahlung der dem Genannten nicht zustehenden Beträge eine wiederholte und fortlaufende Vermögensschädigung der R***** GmbH zumindest in Kauf genommen hat, wodurch diesem Unternehmen und deren Gläubigern ein Schaden - und entsprechend DI Dkfm. S***** eine persönliche Bereicherung - von rund 4,7 Mio S entstand;

3: von 2. Juni 1997 bis Jänner 2000 die ihm eingeräumte Befugnis als Geschäftsführer der R***** GmbH wissentlich missbraucht zu haben, indem er wiederholt und permanent dem bezeichneten Unternehmen und deren Gläubigern einen Vermögensnachteil zufügte, weil er sich ihm nicht zustehende "Spesen" ausbezahlt hat, wodurch der R***** GmbH und deren Gläubigern ein Schaden von etwa 7,66 Mio S entstanden ist.

Am 4. Mai 2001 wurde auf Grund eines entsprechenden Antrages der Staatsanwaltschaft über DI Dkfm. Manfred S***** die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 2 und 3 lit a und b StPO verhängt (ON 71, 72). Mit Beschluss vom 15. Mai 2001 ordnete der Untersuchungsrichter nach Durchführung einer Haftverhandlung die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den genannten Haftgründen mit Wirksamkeit bis 15. Juni 2001 an (ON 97, 98).

Gegen die Beschlüsse auf Verlängerung und Fortsetzung der Untersuchungshaft erhob DI Dkfm. Manfred S***** Beschwerde (ON 104), welcher das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 22. Juni 2001 nicht Folge gab, die Gesetzmäßigkeit der Verhängung der Untersuchungshaft feststellte und die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO verfügte (ON 160).

Zwischenzeitig ordnete der Untersuchungsrichter nach Durchführung einer weiteren Haftverhandlung mit Beschluss vom 15. Juni 2001 ebenfalls die weitere Fortsetzung der Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO mit Wirksamkeit bis 16. August 2001 an (ON 149, 150). Der dagegen vom Beschuldigten erhobenen Beschwerde (ON 152) gab das Oberlandesgericht Wien mit Entscheidung vom 6. Juli 2001 nicht Folge und bestimmte abermals die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus dem angeführten Haftgrund mit einem Ende der Haftfrist am 6. September 2001 (ON 171).

Die genannten Beschlüsse des Gerichtshofes zweiter Instanz bekämpft DI Dkfm. Manfred S***** mit Grundrechtsbeschwerden vom 2. und 18. Juli 2001 (bei Gericht am 9. und 20. Juli 2001 eingelangt, ON 170 und 180), deren gemeinsame Behandlung wegen gleichartiger Anfechtungspunkte und nahezu unveränderter Grundlage der zeitlich kurz aufeinanderfolgenden Beschlüsse angezeigt ist (vgl Mayerhofer StPO4 § 56 E 24a; 13 Os 24/98).

Beiden Grundrechtsbeschwerden kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Zur Grundrechtsbeschwerde vom 2. Juli 2001:

Den Beschwerdeausführungen zuwider hat das Oberlandesgericht die Annahme des dringenden Tatverdachtes hinsichtlich der dem Beschuldigten zur Last liegenden strafbaren Handlungen mit ausführlicher und aktenkonformer Begründung auf die belastenden Beweisergebnisse, insbesondere die umfangreichen Erhebungsergebnisse des Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich-Kriminalabteilung, den Inhalt der beschlagnahmten und zum Teil ausgewerteten Urkunden (wie Buchhaltungsunterlagen, Korrespondenzen, Verträge), die Aussagen des Mitbeschuldigten Peter B***** vor der Sicherheitsbehörde und dem Untersuchungsrichter sowie der Auskunftspersonen DI Walter R*****, Gerhard K*****, Anneliese V*****, Martina F***** und Berta Sch***** mängelfrei gestützt (ON 160, S 4 bis 12; § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO iVm § 10 GRBG).

Demgegenüber sucht der Beschwerdeführer in weitwendigem Vorbringen (S 3 bis 17 der Beschwerde) aus isoliert betrachteten Details und spekulativen Erwägungen seiner leugnenden Verantwortung zum Durchbruch zu verhelfen und nimmt solcherart nur eine eigenständige, zu seinen Gunsten gelöste Beweiswürdigung vorweg, die jedoch ausschließlich dem später erkennenden Gericht vorbehalten ist (Mayerhofer/Steininger RN 43 f, Hager/Holzweber E 15 jeweils GRBG § 2).

Im Übrigen vermögen die Beschwerdeargumente die nach der Aktenlage gegebene qualifizierte Verdachtslage nicht zu entkräften. Insbesondere der oftmalige Verweis auf eine Umsatzsteigerung in den Jahren 1995 bis 1997 von 350 Mio S auf 396 Mio S, der zu einem Bonus der Gläubigerbank von 2 Mio S geführt habe, kann keinen Widerspruch zum Verdacht der Untreue des Beschwerdeführers durch Veranlassung der Überweisung von exorbitant hoher management fees ohne entsprechender Gegenleistung und von überhöhten Spesen aufzeigen. Außerdem lassen die Beschwerdeausführungen die (trotz vorübergehender Umsatzsteigerung) eine schlechte Wirtschaftslage der R***** GmbH attestierenden Beweisergebnisse, wie beispielsweise Steigerung der Verbindlichkeiten von 140 Mio S im Juli 1995 auf 325 Mio S im Februar 2000 (ON 4, S 67/I und ON 27, S 205/II) und die damit übereinstimmende Angabe des Mitbeschuldigten St*****, wonach es ab 1995 schlechte Jahresergebnisse gegeben habe (S 380/V), außer Acht. Soweit der Beschwerdeführer auf Vorbringen in der Haftverhandlung vom 15. Juni 2001 hinweist, ist dies schon deshalb unbeachtlich, weil es nicht Grundlage für den (erst) angefochtenen Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien gebildet hat.

Was die Tatvorwürfe hinsichtlich ungerechtfertigten Spesenbezuges (2 und 3) anlangt, hat das Oberlandesgericht zutreffend zum Ausdruck gebracht, dass es angesichts der Gesamtschadenssumme für die Beurteilung der Haftfrage ohne Belang ist, ob und in welchem Umfang allenfalls eine Reduzierung einzelner Teilschadensbeträge zu erfolgen hat.

Die Beschwerdekritik, wonach der Beschuldigte vor Verhängung der Untersuchungshaft nicht zu allen Tatvorwürfen detailliert vernommen worden sei, kommt bereits im Hinblick auf die sich aus den Akten ergebenden materiellen Haftvoraussetzungen keine grundrechtsrelevante Bedeutung zu.

Auch hinsichtlich des angenommenen, durch gelindere Mittel nicht substituierbaren Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO vermag die Grundrechtsbeschwerde weder eine mangelhafte Begründung noch eine fehlerhafte Beurteilung aufzuzeigen; hat doch der Gerichtshof zweiter Instanz die bestimmten Tatsachen, die die Annahme einer entsprechenden Intensität der Gefahr neuerlicher qualifizierter Delinquenz rechtfertigen, mit zutreffenden Argumenten, insbesondere der niedrigen Hemmschwelle des Beschuldigten, trotz sonst gesicherter Einkommenssituation Malversationen zu Lasten des von ihm zu sanierenden Betriebes zu begehen, und seiner weiterhin bestehenden Involvierung in anderen aktiven Gesellschaften, nachvollziehbar belegt.

Insoweit sich das weitere umfängliche Beschwerdevorbringen (S 23 bis 32) auf den Beschluss des Untersuchungsrichters vom 15. Juni 2001 bezieht, ist es einer sachlichen Erörterung nicht zugänglich, weil die Entscheidung auf Fortsetzung der Untersuchungshaft bis 16. August 2001 nicht Gegenstand des (erst) angefochtenen Beschlusses des Oberlandesgerichtes Wien vom 22. Juni 2001 war.

Zur Grundrechtsbeschwerde vom 18. Juli 2001:

Unter Hinweis auf Art 5 Abs 4 MRK sowie §§ 181 Abs 1 und Abs 2 Z 2; 182 Abs 4 StPO versucht der Beschwerdeführer mit sich überwiegend wiederholenden Argumenten seinen Standpunkt zu untermauern, der Untersuchungsrichter wäre zur Durchführung der Haftverhandlung vom 15. Juni 2001 und zur Anordnung der Fortsetzung der Untersuchungshaft nicht zuständig gewesen, letztere Kompetenz einschließlich der Bestimmung einer neuen Haftfrist wäre vielmehr zufolge der gegen den vorangegangenen Haftfortsetzungsbeschluss vom 15. Mai 2001 erhobenen Beschwerde dem Gerichtshof zweiter Instanz zugekommen, welcher zwingend vor Ablauf der festgesetzten Haftfrist (hier: 15.Juni 2001) entscheiden hätte müssen. Weil jedoch das Oberlandesgericht Wien erst mit Beschluss vom 22. Juni 2001 zu AZ 20 Bs 214, 215/01 erkannt habe, wäre der Beschuldigte ohne Durchführung einer Haftverhandlung spätestens mit Ablauf des 15. Juni 2001 auf freien Fuß zu setzen gewesen. Das Oberlandesgericht Wien hätte daher schon aus diesem Grund seiner Beschwerde Folge geben und die Enthaftung des DI Dkfm. Manfred S***** veranlassen müssen.

Mit zutreffender Begründung hat jedoch der Gerichtshof zweiter Instanz die Rechtsauffassung des Beschwerdeführers verworfen und festgehalten, dass der Untersuchungsrichter im Sinne der Bestimmung des § 181 Abs 1 letzter Satz StPO völlig zu Recht vor Ablauf der letztgültigen Haftfrist im Rahmen einer Haftverhandlung über die Voraussetzungen der Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft abgesprochen hat, sodass diesbezüglich weder eine Gesetzes- noch eine Grundrechtsverletzung vorliegt. Im Übrigen können die Beschwerde und die gleichlautend agierenden weitwendigen Äußerungen gem § 35 Abs 2 StPO zur kursorischen Stellungnahme der Generalprokuratur nicht darlegen, wieso sich aus § 6 StPO und der dort genannten Fristberechnung eine Fristsetzung für die Rechtsmittelentscheidung ergibt. Der Hinweis auf den Entwurf eines Strafprozessreformgesetzes (§ 177) versagt schon mangels Geltung.

An der Dringlichkeit des Tatverdachtes hat sich, wie das Oberlandesgericht entgegen der Beschwerde richtigerweise anführt, infolge der zeitlich nur zwei Wochen auseinanderliegenden angefochtenen Beschlüsse - auch unter Berücksichtigung des Vorbringens in der Haftverhandlung vom 15. Juni 2001, welches im Wesentlichen die bereits bekannte Version des Beschwerdeführers wiedergibt, ohne eine sofortige entscheidende Abschwächung der angelasteten Vorwürfe zu beinhalten - keine Veränderung ergeben. Gleiches gilt für den durch gelindere Mittel nicht substituierbaren Haftgrund der Tatbegehungsgefahr.

Beide Grundrechtsbeschwerden waren daher ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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