Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Der am 27. 1. 1943 geborene Kläger stellte am 30. 5. 2000 bei der beklagten Pensionsversicherung der Angestellten den Antrag auf Gewährung der vorzeitigen Altespension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gemäß § 270 iVm § 253d ASVG. Maßgebender Stichtag für die Zuerkennung der beantragten Pensionsleistung ist somit der 1. 6. 2000.
Mit Bescheid der beklagten Partei vom 29. 9. 2000 wurde dieser Auftrag des Klägers mit der Begründung abgelehnt, dass gemäß § 587 Abs 4 ASVG idF SRÄG 2000, BGBl I 101, ein nach dem 23. 5. 2000 und vor dem 2. 6. 2000 gestellter Antrag auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit als Antrag auf Berufsunfähigkeitspension mit Stichtag 1. 6. 2000 zu werten sei, wobei § 273 Abs 2 idF SVÄG 2000, BGBl I 43, anzuwenden sei. Der vom Kläger am 30. 5. 2000 eingebrachte Antrag könne daher nicht mehr als Antrag auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit behandelt werden.
Das Erstgericht wies mit Urteil vom 26. 1. 2001 (auch Tag des Schlusses der mündlichen Verhandlung) das vom Kläger dagegen erhobene, auf die Gewährung der beantragten Leistung ab dem 1. 6. 2000 gerichtete Klagebegehren ab und folgte dabei dem von der beklagten Partei im angefochtenen Bescheid vertretenen Rechtsstandpunkt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers dahin Folge, dass es das Ersturteil aufhob und die Sozialrechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwies. Weiters sprach es aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Das Berufunggericht vertrat zusammengefasst die Rechtsansicht, § 587 Abs 4 ASVG idF SVÄG 2000, BGBl I 43, widerspreche als geschlechtsspezifische Diskriminierung dem Gemeinschaftsrecht und sei überdies aufgrund des Umstandes, dass der Kläger vor dem 22. 5. 1943 geboren sei, nicht anwendbar. Die vom Erstgericht für die Abweisung des Klagebegehrens herangezogene Bestimmung des § 587 Abs 4 ASVG idF SRÄG 2000, BGBl I 92 bzw 101, sei nicht anzuwenden, weil für die Beurteilung des geltend gemachten Anspruches die Rechtslage zum Stichtag und nicht zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz maßgebend sei. Rechtsänderungen im Zeitraum zwischen Antragstellung und Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz seien nur dann zu berücksichtigen, wenn dies dem Versicherten zum Vorteil gereiche. Im vorliegenden Fall würde jedoch die Berücksichtigung der Bestimmung des § 587 Abs 4 ASVG idF SRÄG 2000 für den Kläger insofern mit einem Nachteil verbunden sein, als - ausgehend von der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 587 Abs 4 ASVG idF SVÄG 2000 - dem Kläger ein Anspruch nach § 253d ASVG weiterhin offenstehe, währenddessen durch das SRÄG 2000 dieser Anspruch wieder beseitigt bzw eine Antragsumdeutung zum Nachteil des Klägers vorgenommen werde. Darüber hinaus sei die in § 587 Abs 4 ASVG idF SRÄG 2000 vorgesehene Antragsumdeutung ohne Auswirkung auf das gerichtliche Verfahren, da die Sozialgerichte nicht über einen Antrag, sondern über ein Klagebegehren des Versicherten zu entscheiden hätten und der vom Versicherten ursprünglich gestellte Antrag durch die Bescheiderlassung bereits erledigt sei. Da somit § 587 Abs 4 ASVG dem Klagebegehren nicht entgegenstehe, sei im fortzusetzenden Verfahren noch das Vorliegen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen nach § 253d ASVG zu prüfen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, das das Klagebegehren abweisende Ersturteil wiederherzustellen.
Der Kläger hat sich am Rechtsmittelverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Die beklagte Partei macht in ihren Rekursausführungen zunächst zutreffend geltend, dass das Sozialgericht Rechtsänderungen bis zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz in seiner Entscheidung zu berücksichtigen hat. Dem Grundsatz der sukzessiven Kompetenz entsprechend hat nämlich das Sozialgericht seine Entscheidung über die mit einer Klage vom Versicherten geltend gemachten sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche völlig neu und unabhängig vom Verwaltungsverfahren zu treffen. Das Gericht hat die Sache nach allen Richtungen selbständig zu beurteilen, wobei alle Änderungen (auch Gesetzesänderungen) jedenfalls bis zum Schluss der Verhandlung in erster Instanz zu berücksichtigen sind. Dieser Grundsatz gilt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes unabhängig davon, ob die Gesetzesänderung dem Versicherten zum Vorteil oder zum Nachteil gereicht (vgl SSV-NF 10/113 mwN). Dem Urteil eines Arbeits- und Sozialgerichtes ist somit auch in Sozialrechtssachen jene Sach- und Rechtslage zugrundezulegen, wie sie sich bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz (also nicht bloß zum Zeitpunkt des maßgebenden Stichtages oder der Bescheiderlassung) präsentiert (SSV-NF 12/154, 6/137, 3/134, 3/145 mwN ua; Fink, Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen 510 mwN).
Während eine Anwendung der Übergangsbestimmung des § 587 Abs 4 ASVG idF des Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2000 (SVÄG 2000, BGBl I 43), welche nur auf nach dem 22. 5. 1943 geborene männliche Versicherte Anwendung zu finden hat, im Falle des am 27. 1. 1943 geborenen Klägers von vornherein nicht in Betracht kommt, ist in die Beurteilung des Anspruches des Klägers nach den soeben dargelegten Ausführungen auch die Änderung dieser Übergangsbestimmung durch das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 (SRÄG 2000, BGBl I 92 bzw 101) einzubeziehen.
Der erkennende Senat hat sich bereits in mehreren Entscheidungen (10 ObS 43/01y, 10 ObS 54/01s, 10 ObS 56/01k ua) mit der auch hier entscheidungswesentlichen Frage, ob § 587 Abs 4 ASVG idF SRÄG 2000 im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht steht, befasst und dabei insbesondere zur Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung Folgendes ausgeführt:
"Während für die seinerzeit mit der 51. ASVG-Novelle mit Wirksamkeit ab 1. 7. 1993 eingeführte neue Leistung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) zunächst im Sinne der allgemein angestrebten Angleichung des Pensionsanfallsalters mit der Vollendung des 55. Lebensjahres ein einheitliches Anfallsalter für Männer und Frauen vorgesehen war, wurde durch das Strukturanpassungsgesetz 1996 (BGBl 1996/201) das Anfallsalter für Männer auf das vollendete 57. Lebensjahr hinaufgesetzt, während für weibliche Versicherte die Vollendung des 55. Lebensjahres weiterhin ausreichte.
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat mit Urteil vom 23. 5. 2000, Rs C-104/98 , Buchner - unter anderem veröffentlicht in DRdA 2000, 449 ff ((Panhölzl)) und WBl 2000, 313 - ausgesprochen, dass das unterschiedliche Pensionsanfallsalter für Männer und Frauen von 57 bzw 55 Jahren für die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit (§ 122c BSVG in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl 1996/201) gegen Art 7 der RL 79/7/EWG des Rates vom 19. 12. 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit verstößt. Die von der österreichischen Bundesregierung unter Hinweis auf die bedeutenden finanziellen Auswirkungen einer Aufhebung der diskriminierenden Maßnahmen gewünschte Begrenzung der zeitlichen Wirkungen der Entscheidung lehnte der EuGH unter Hinweis darauf, dass zum Zeitpunkt der Einführung der unterschiedlichen Zugangsalter bereits eine ständige Rechtsprechung des EuGH zu den relevierten Fragen vorlag, die es der Republik Österreich ermöglichte, die Vereinbarkeit dieser Regelung mit der RL zu prüfen, ab (RNr 40). Zudem rechtfertigten die finanziellen Konsequenzen, die sich aus einer Vorabentscheidung für einen Mitgliedsstaat ergeben können, für sich allein nicht die zeitliche Begrenzung der Wirkungen des betreffenden Urteils (RNr 41).
Da somit der EuGH keinen Anlass sah, die Wirkungen seiner Entscheidung zeitlich zu begrenzen, war sein Erkenntnis sofort wirksam und umfasste auch alle gleichartigen Tatbestände im ASVG und GSVG. Aufgrund des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechtes war daher die durch das Strukturanpassungsgesetz 1996 mit Wirksamkeit vom 1. 7. 1996 auch im Bereich der vorzeitigen Alterspensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (§ 253d ASVG) eingeführte Erhöhung des Anfallsalters für Männer von bisher 55 auf 57 Jahre unbeachtlich. Es konnten somit auch die Männer diese Pensionsart bis zum Wirksamwerden einer mit dem Gemeinschaftsrecht übereinstimmenden neuen Regelung bereits nach Vollendung des 55. Lebensjahres in Anspruch nehmen (10 ObS 200/00k ua; Tomandl, Gedanken zum Vertrauensschutz im Sozialrecht, ZAS 2000, 129 ff [138]; Resch, OLG Linz: Aufhebung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit nicht verfassungswidrig, RdW 2001, 28 f; Rudda, Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2000 - Wesentliche Änderungen beim Berufs-(Tätigkeits-)schutz, SozSi 2000, 554 f [555] ua).
Bereits zum Zeitpunkt der Verkündung des EuGH-Erkenntnisses vom 23. 5. 2000, Rs C 104/98 , Buchner, bestand die Absicht der Koalitionsparteien, die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) zur Gänze abzuschaffen. Es hatte nämlich auch die Erhöhung des Anfallsalters für Männer von 55 auf 57 Jahre für diese Pensionsart den Anstieg von 45.940 Zuerkennungen (Stand 1996) auf 86.596 Zuerkennungen dieser Leistung (Stand Juli 2000) nicht verhindern können. Die Bundesregierung hatte daher in ihrer Punktation vom 5. April 2000 und auch in dem vom Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ende April 2000 zur Begutachtung versendeten Entwurf zu einem Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 an der Aufhebung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) ab 1. Oktober 2000 festgehalten (Rudda aaO 554). Auch eine von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission in Pensionsfragen schlug eine Aufhebung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) vor (Tomandl aaO 138 f; derselbe, Die Vorschläge der Pensionskommission und ihre Aufnahme durch die Bundesregierung, SozSi 2000, 432 ff [435]; Rudda, Neuer Berufsschutz in der Pensionsversicherung, SozSi 2000, 852 ff). Das EuGH-Erkenntnis vom 23. 5. 2000 führte infolge des außerordentlichen Medieninteresses und von Aktionen seitens der Betriebs- und Interessenvertretungen vom 24. Mai bis 1. Juni 2000 zu einer Flut von Anträgen. Während in den letzten drei Jahren (1997 bis 1999) durchschnittlich pro Monat 1230 Anträge auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) bei allen Pensionsversicherungsträgern gestellt wurden, waren dies in der Woche nach Verkündung des EuGH-Urteils - vom 24. Mai bis 1. Juni 2000 - insgesamt 5388 Anträge, vor allem von 55 bis 57jährigen Männern. Stellten in den Jahren 1994 bis 1999 die Männer in der Regel rund drei Viertel aller Anträge auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit), betrafen diese in der Woche vom 24. Mai bis 1. Juni 2000 bei allen Pensionsversicherungsträgern gestellten Anträge zu über 92 % Männer und zu weniger als 8 % Frauen (vgl dazu die statistischen Tabellen 1 und 2 in Rudda, Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur unterschiedlichen Altersgrenze von Männern und Frauen bei vorzeitigen Alterspensionen wegen Erwerbsunfähigkeit und seine Folgen, SozSi 2001, 337 ff). Mit diesen überproportionalen Antragstellungen waren jährliche Mehraufwendungen von etwa S 1,4 Milliarden für den Bund zu befürchten (vgl Rudda aaO 337).
In der Sitzung des Sozialausschusses des Nationalrates vom 25. Mai 2000 wurde ein Abänderungsantrag der Regierungsparteien zu einem Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2000 eingebracht, der unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das am 23. 5. 2000 verkündete Urteil des EuGH eine Aufhebung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) nicht erst mit Wirksamkeit vom 1. Oktober 2000, sondern bereits mit Wirksamkeit vom 1. Juli 2000 vorsah. Für noch nicht 57-jährige männliche Versicherte, die nicht schon bis zum Ablauf des 22. Mai 2000 einen Antrag auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) gestellt hatten, sondern erst das am 23. Mai 2000 verkündete einschlägige Urteil des EuGH zum Anlass genommen hatten, einen solchen Antrag zu stellen, sollte die durch das Strukturanpassungsgesetz 1996 geschaffene Rechtslage weiterhin gelten. Als flankierende Maßnahme zur Abfederung von Härten infolge der Aufhebung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) sollte gleichzeitig der Berufsschutz für Personen ab dem vollendeten 57. Lebensjahr verbessert werden (AB 187 BlgNR XXI. GP, 3 f).
Im Plenum des Nationalrates wurde das Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2000 am 7. Juni 2000 beschlossen und am 7. Juli 2000 im BGBl I als Nr 43 (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2000 - SVÄG 2000) kundgemacht. Nach § 587 Abs 2 ASVG idF SVÄG 2000 tritt § 253d mit Ablauf des 30. Juni 2000 außer Kraft. Nach Abs 3 der zitierten Gesetzesstelle ist § 253d in der am 30. Juni 2000 geltenden Fassung auf Personen, die Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit mit Stichtag vor dem 1. Juli 2000 haben, weiterhin anzuwenden. Auf männliche Versicherte, die nach dem 22. Mai 1943 geboren wurden und die die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit nach dem 22. Mai 2000 beantragt haben, ist § 253d nicht mehr anzuwenden (§ 587 Abs 4 ASVG idF SVÄG 2000). Der verbesserte Berufsschutz nach § 255 Abs 4 in der in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Fassung ist nur auf Versicherungsfälle anzuwenden, in denen der Stichtag nach dem 30. Juni 2000 liegt (§ 587 Abs 5 ASVG idF SVÄG 2000).
Mit Erlass vom 15. Juni 2000, GZ 21.113/2-2/00 (vgl SozSi 2000, 556), ersuchte das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen die Sozialversicherungsträger, die am 7. Juni 2000 durch das Plenum des Nationalrates beschlossene Rechtslage bereits vor Verlautbarung im Bundesgesetzblatt anzuwenden, mit der bescheidmäßigen Erledigung aber bis zur Verlautbarung des Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes (SVÄG) 2000 im Bundesgesetzblatt zu warten.
Offensichtlich wegen europarechtlicher Bedenken wurde die Übergangsbestimmung des § 587 Abs 4 ASVG idF SVÄG 2000 in der Folge durch das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 (SRÄG 2000, BGBl I 92/2000) abgeändert. Nach § 587 Abs 4 idF SRÄG 2000 sind Anträge auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, die nach dem 23. Mai 2000 und vor dem 2. Juni 2000 gestellt wurden, als Anträge auf Invaliditäts-(Berufsunfähigkeits-)Pension mit Stichtag 1. Juni 2000 zu werten, wobei § 255 Abs 4 idF des Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2000, BGBl I Nr 43, anzuwenden ist. Nach den Gesetzesmaterialien (AB 254 BlgNR XXI. GP, 8) werden aus Gründen der EG-Konformität des österreichischen Dauerrechtes § 253d ASVG sowie die entprechenden Parallelbestimmungen mit Ablauf des 30. Juni 2000 aufgehoben und es wird zum selben Zeitpunkt eine neue Form der Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit geschaffen (§ 255 Abs 4 ASVG idF des SVÄG 2000). Die vorgeschlagene Bestimmung (§ 587 Abs 4 ASVG) soll diese Neuregelung ergänzen, indem diese Rechtsänderung für Anträge, die im Übergangszeitraum nach dem Tag des EuGH-Urteils, also dem 24. Mai 2000, und vor dem 2. Juni 2000 gestellt wurden und die damit einen Stichtag 1. Juni 2000 auslösten, vorgezogen werden soll. Für in diesem Zeitraum gestellte Anträge nach § 253d ASVG soll diese Bestimmung - geschlechtsneutral - nicht mehr zur Anwendung kommen (Vorgriff auf den Entfall) und es sollen diese Anträge bereits als Anträge nach § 255 Abs 4 ASVG gelten (Vorgriff auf das Inkrafttreten dieser neuen Leistungsvariante). Das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 (SRÄG 2000) wurde erstmals am 11. August 2000 im Teil I des Bundesgesetzblattes unter der Nr 92 kundgemacht. Am 24. August 2000 wurde es nochmals im Teil I des Bundesgesetzblattes unter der Nr 101 kundgemacht, wobei angefügt wurde, dass diese Kundmachung die erste Kundmachung ersetzen soll."
Weiters wurde vom erkennenden Senat in den Entscheidungen 10 ObS 43/01y, 10 ObS 54/01s und 10 ObS 56/01k darauf hingewiesen, dass nach § 587 Abs 2 ASVG idF SVÄG 2000 die Bestimmung über die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (§ 253d ASVG) erst mit Ablauf des 30. Juni 2000 außer Kraft tritt und § 253d ASVG in der am 30. Juni 2000 geltenden Fassung auf Personen, die Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit mit Stichtag vor dem 1. Juli 2000 haben, weiterhin anzuwenden ist (§ 587 Abs 3 ASVG idF SVÄG 2000). Dies bedeutet, dass die alte Regelung über die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit nach dem Übergangsrecht zum SVÄG 2000 erst für Stichtage ab 1. 7. 2000 aufgehoben wurde. Es wurde in den erwähnten Entscheidungen vom erkennenden Senat auch näher begründet, dass die - im gegenständlichen Fall aber ohnehin nicht anzuwendende - Übergangsbestimmung des § 587 Abs 4 ASVG idF SVÄG 2000 als geschlechtsspezifische unmittelbare Diskriminierung dem Gemeinschaftsrecht widerspricht und somit unbeachtlich ist.
Zur Frage der mehrfachen Kundmachung des SRÄG 2000 wurde auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. März 2001, G 152/00-11, verwiesen, wonach zwar das SRÄG 2000, BGBl I 101, auch im Umfang der hier maßgebenden Übergangsbestimmung des Art 1 Z 52c (betreffend § 587 Abs 4 ASVG) als verfassungswidrig aufgehoben wurde und diese Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist, der gegen die gleichlautende Bestimmung des SRÄG 2000, BGBl I 92, gerichtete Antrag jedoch abgewiesen wurde, weil die festgestellten Publikationsmängel diese gesetzliche Bestimmung nicht betreffen.
Zur Frage der EU-Konformität der Bestimmung des § 587 Abs 4 ASVG idF SRÄG 2000, BGBl I 92, wurde vom erkennenden Senat Folgendes ausgeführt:
"Die somit weiterhin anzuwendende Übergangsbestimmung des § 587 Abs 4 ASVG idF SRÄG 2000, BGBl I Nr 92, steht jedoch ebenfalls im Widerspruch zum Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art 4 Abs 1 der Richtlinie des Rates zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (RL 79/7/EWG - im Folgenden kurz RL). Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH haben die Mitglieder der benachteiligten Gruppe, solange keine mit dem Gemeinschaftsrecht übereinstimmende neue Regelung besteht, Anspruch auf die gleiche Behandlung und auf Anwendung der gleichen Regelung wie die Angehörigen der bevorzugten Gruppe, da dieses System das einzig gültige Bezugssystem für die Gleichbehandlung ist (Rs 384/85, Borrie Clarke, Slg 1987, 2865; Rs C-184/89 , Nimz, Slg 1991, I-297; Rs C-33/89 , Kowalska, Slg 1990, I-2591, 2612; Rs C-102/88 , Ruzius-Wilbrink, Slg 1989, 4311; Rs C-377/89 , Cotter und Dermott II, Slg 1991, I-1155; Rs C-343/92 , Roks, Slg 1994, I-571 ua). Der EuGH hat es den zuständigen Stellen in den Mitgliedstaaten überlassen, wie sie die Ungleichbehandlung beseitigen, sei es durch Abschaffung der Vergünstigung insgesamt, sei es durch Ausdehnung der Vergünstigung auf die bisher Ausgeschlossenen. Der Gerichtshof hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass das Gemeinschaftsrecht es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, im Rahmen der Kontrolle seiner Sozialausgaben Maßnahmen zu ergreifen, die bewirken, dass bestimmten Personengruppen Leistungen der sozialen Sicherheit entzogen werden, sofern bei diesen Maßnahmen der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Sinne des Art 4 Abs 1 RL beachtet wird (Rs C-343/92 , Roks, Slg 1994, I-571 mwN ua). Dabei ist es allerdings notwendig, dass auch das Übergangsrecht älteres diskriminierendes Recht nicht aufrechterhält. Die Richtlinie sieht nämlich keine Ausnahme von dem in Art 4 Abs 1 RL verankerten Gleichbehandlungsgrundsatz vor, um die Verlängerung der diskriminierenden Wirkungen früherer innerstaatlicher Vorschriften zu erlauben. Der Umstand, dass diese Ungleichbehandlung von Übergangsbestimmungen herrührt, die anlässlich der Einführung einer neuen Leistung erlassen wurden, kann dabei zu keiner anderen Beurteilung führen (Rs 384/85, Borrie Clarke, Slg 1987, 2865; Rs 80/87, Dik ua, Slg 1988, 1601; Rs C-31/90 , Johnson, Slg 1991, I-3754 ua). Verspätet getroffene nationale Durchführungsmaßnahmen müssen schließlich in vollem Umfang auch die Rechte der Einzelnen beachten, die in einem Mitgliedstaat auf Grund von Art 4 Abs 1 RL mit dem Ablauf der den Mitgliedstaaten für die Anpassung ihrer Vorschriften an die Richtlinie gesetzten Frist entstanden sind (Rs 80/87, Dik ua, Slg 1988, 1601; Rs C-377/89 , Cotter und Mc Dermott, Slg 1991, I-1155; Rs C-343/92 , Roks, Slg 1994, I-571 mwN ua).
Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 23. 5. 2000 bis zum Wirksamwerden einer mit dem Gemeinschaftsrecht übereinstimmenden neuen Regelung auch Männer eine vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit bereits nach Vollendung des 55. Lebensjahres in Anspruch nehmen konnten. Die diskriminierende (innerstaatliche) Rechtslage wurde erst durch die durch das SVÄG 2000 in gleicher Weise für Männer und Frauen vorgenommene Abschaffung dieser Pensionsleistung mit Ablauf des 30. 6. 2000 beseitigt. Es enthält zwar bereits die Übergangsbestimmung des § 587 Abs 4 ASVG idF des SRÄG 2000 auf Grund ihrer geschlechtsneutralen Fassung - anders als die Vorgängerbestimmung des § 587 Abs 4 ASVG idF SVÄG 2000 - keine unmittelbar auf dem Geschlecht beruhende Diskriminierung mehr, der Grundsatz der Gleichbehandlung gemäß Art 4 Abs 1 RL verbietet aber auch eine bloß mittelbare (indirekte) geschlechtsspezifische Diskriminierung. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH liegt eine mittelbare Diskriminierung bei Anwendung einer nationalen Maßnahme, die zwar neutral formuliert ist, tatsächlich aber wesentlich mehr Mitglieder eines Geschlechtes benachteiligt, vor (vgl Rs C-229/89 , Kommission/Belgien, Slg 1991, I-2205; Rs C-343/92 , Roks, Slg 1994, I-571; Rs C-444/93 , Megner und Scheffel, Slg 1995, I-4741 uva). Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH steht daher Art 4 Abs 1 der RL der Anwendung einer nationalen Maßnahme entgegen, die zwar neutral formuliert ist, tatsächlich aber in einem wesentlich höheren Prozentsatz die Angehörigen eines Geschlechtes gegenüber den Angehörigen des anderen Geschlechtes benachteiligt, sofern diese Maßnahme nicht durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, die nichts mit einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes zu tun haben (Rs C-317/93 , Nolte, Slg 1995, I-4625 uva; Egger, Das Arbeits- und Sozialrecht der EG und die österreichische Rechtsordnung 204 f mwN ua). Der EuGH hat sowohl für die Frage der ungleichen Betroffenheit eines Geschlechtes wie auch für die Frage der objektiven Rechtfertigung und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bzw Regelung immer wieder betont, es sei Aufgabe der nationalen Gerichte, das Vorliegen dieser Voraussetzungen im Einzelfall zu prüfen (vgl Rs C-1/95 , Gerster, Slg 1997, I-5253, 5258;
Rs C-100/95 , Kording, Slg 1997, I-5289, 5298; Rs C-243/95 , Hill, Slg 1998, I-3739, 3770; Rs C-167/97 , Seymour-Smith, Slg 1999, I-623;
Bieback in Fuchs, Kommentar zum Europäischen Sozialrecht2 578 ua).
Ausgehend von den bereits oben zitierten statistischen Erhebungsergebnissen betrifft die Übergangsbestimmung des § 587 Abs 4 ASVG idF SRÄG 2000, BGBl I 92, trotz ihrer geschlechtsneutralen Formulierung nahezu auschließlich männliche Versicherte, die nach dem Bekanntwerden des für sie günstigen Urteiles des EuGH in der Zeit vom 24. 5. bis einschließlich 1. 6. 2000 in großer Anzahl Anträge auf Zuerkennung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) zu dem letzten für die Gewährung dieser Leistung noch möglichen Stichtag 1. 6. 2000 gestellt haben. Diese Antragsflut männlicher Versicherter im Zuge des Bekanntwerdens des EuGH-Urteiles war auch Anlass für die Schaffung der Übergangsbestimmung des § 587 Abs 4 ASVG. Dass gerade männliche Versicherte durch diese Regelung getroffen werden sollten, zeigt auch die bereits wiedergegebene Entstehungsgeschichte des § 587 Abs 4 ASVG idF SRÄG 2000, insbesondere die nur kurz in Geltung gestandene Fassung dieser Bestimmung nach dem SVÄG 2000. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass bereits in der Vergangenheit die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) regelmäßig überwiegend von Männern in Anspruch genommen wurde, werden durch die Übergangsbestimmung des § 587 Abs 4 ASVG idF SRÄG 2000 prozentuell doch noch wesentlich mehr Männer als Frauen tatsächlich negativ beeinträchtigt. Außerdem hatten die durch die Abschaffung der genannten Pensionsleistung betroffenen Frauen die Möglichkeit, bei Vorliegen der sonstigen Pensionsvoraussetzungen nach Vollendung des 55. Lebensjahres auf die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer oder bei Arbeitslosigkeit auszuweichen, während den von der Übergangsbestimmung betroffenen Männern ein solches Ausweichen auf Grund des auch für diese Pensionsleistungen geltenden höheren Anfallsalters nicht möglich war und für sie auch die Zuerkennung einer Invaliditätspension nach § 255 Abs 4 ASVG nur bei Erfüllung der dafür vorgesehenen erschwerten Anspruchsvoraussetzungen in Betracht kommen konnte. Unter diesen Umständen trifft der vom Gesetzgeber durch diese Übergangsbestimmung angeordnete Ausschluss dieser Personengruppe vom Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) zu dem letzten für die Gewährung dieser Leistung noch möglichen Stichtag im Ergebnis die Männer deutlich stärker als die Frauen und stellt somit eine mittelbare Diskriminierung männlicher Versicherter im Sinn des Art 4 Abs 1 der RL dar, für die sich kein objektiv rechtfertigender Grund finden lässt, weil die vom Gesetzgeber damit verfolgten Haushaltserwägungen, wie der EuGH bereits in der Rechtssache Buchner ausgeführt hat, eine Diskriminierung nach dem Geschlecht nicht rechtfertigen können. Es ist schließlich auch noch darauf hinzuweisen, dass Frauen nach Vollendung des 55. Lebensjahres die Gewährung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit beantragen konnten, während Männer, die das 57. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, keinen Grund hatten, einen derartigen Antrag zu stellen, weil sie nach den nationalen Rechtsvorschriften keinen Anspruch auf eine solche Leistung hatten. Die Übergangsbestimmung des § 587 Abs 4 ASVG idF SRÄG 2000 bewirkt somit (dadurch, dass sie von diesen Männern verlangt, dass sie ihre Leistung vor dem Urteil des EuGH beantragt haben), dass die zuvor bestehende Diskriminierung bestätigt wird, weil die Männer, die durch das höhere Anfallsalter diskriminiert worden waren, nach diesem Zeitpunkt keinen Anspruch auf diese Pensionsleistung mehr erheben können, die ihnen doch auf Grund der unmittelbaren Wirkung des Art 4 Abs 1 der RL zustand (vgl Rs C-343/92 , Roks, Slg 1994, I-571; Rs C-31/90 , Johnson, Slg 1991, I-3723 ua). Es ist daher auch die Übergangsbestimmung des § 587 Abs 4 ASVG idF SRÄG 2000, BGBl I Nr 92, auf Grund des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechtes unbeachtlich."
Davon ausgehend hat unter Berücksichtigung des bereits dargelegten Umstandes, dass die Anwendung der gleichen Regelung auf Männer und Frauen, die sich in der gleichen Lage befinden, bis zu einer ordnungsgemäßen Durchführung der Richtlinie (hier durch die durch das SVÄG in gleicher Weise für Männer und Frauen vorgenommene Abschaffung der Pensionsleistung mit Ablauf des 30. 6. 2000) das einzig gültige Bezugssystem bleibt, die Übergangsbestimmung des § 587 Abs 4 ASVG idF SRÄG 2000 auch auf den vom Kläger zum Stichtag 1. 6. 2000 geltend gemachten Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit keine Anwendung zu finden (vgl auch 10 ObS 168/01f). Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist nämlich das nationale Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechtes anzuwenden hat, gehalten, für die volle Wirksamkeit dieser Normen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechtes aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (Rs C-184/89 , Nimz, Slg 1991, I-297 mwN ua).
Da somit die Abweisung des Klagebegehrens des Klägers entgegen der von der beklagten Partei in ihrem Rechtsmittel vertretenen Ansicht nicht mit Erfolg auf die Bestimmung des § 587 Abs 4 ASVG idF SRÄG 2000 gestützt werden kann, erweist sich die vom Berufungsgericht vorgenommene Aufhebung des Ersturteils und die Zurückverweisung der Sozialrechtssache an das Erstgericht zur Prüfung des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen für die begehrte Leistung als gerechtfertigt. Dem Rekurs musste daher ein Erfolg versagt bleiben.
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