OGH 7Ob152/01f

OGH7Ob152/01f11.7.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Z***** AG, *****, vertreten durch Dr. Arne Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung (Streitwert S 270.000,--), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 16. März 2001, GZ 4 R 42/01k-14, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 5. Dezember 2000, GZ 10 Cg 105/00g-8, infolge Berufung der beklagten Partei bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass (auch) das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass die Versicherungsverträge zu den

Polizzen-Nr. 25/03909-3, 25/03928-0, 25/03925-5, 25/03921-2, 25/03917-4, 15/04506-9, 25/03933-6, 25/03922-0, 25/03914-0, 25/28188-9, 25/28190-0, 25/28196-0, 25/28198-6, 25/28201-0, 25/28202-8, 25/28206-0, 25/28186-6, 25/28207-9, 25/201491-8, 25/01724-3, 25/201489-6, 25/201487-0, 25/201490-0, 25/201488-8, 25/28209-5, 25/29195-1, 25/32462-6, 25/28210-9, 25/03542-0, 25/28199-4, 25/14934-4, 25/28203-6, 25/60081-0, 25/23192-7, 25/03929-8, 25/28194-3 und 25/29195-1

auf Grund der Kündigung der klagenden Partei vom 24. September 1999 zum 31. Dezember 1999 aufgelöst seien, abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 91.803,90 (darin enthalten S 11.325,65 USt und S 23.850,-- Barauslagen) bestimmten Prozesskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Als Verwalterin von in ganz Tirol von ihr errichteten Wohnanlagen schloss die Klägerin Bündelversicherungen ab, die jeweils Feuer-, Haftpflicht-, Leitungswasser- und Sturmwasserversicherungen enthielten. Sämtlichen Versicherungsverträgen gingen Einladungen der Klägerin zur Anbotsstellung an diverse Versicherungsunternehmen voraus, wobei jeweils der Bestbieter den Zuschlag erhielt. Nach den schriftlichen Vorgaben der Klägerin, die sich in allen Versicherungsfragen professioneller Makler als Berater bediente, sollte die Versicherung ua jeweils - wie für derartige Versicherungsverträge (vor der VersVG-Novelle 1994) in Österreich üblich - eine Laufzeit von 10 Jahren haben und während dieser Zeit auch eine Teilkündigung (etwa der für den Versicherer bei älteren Bauten erfahrungsgemäß weniger attraktiven Leitungswasserversicherung) nicht möglich sein. An - grundsätzlich möglichen - kürzeren Laufzeiten war die Klägerin nicht interessiert, weil dann Ausschreibungen entsprechend öfter notwendig gewesen wären, was den Verwaltungsaufwand erhöht hätte. Kürzere Laufzeiten hätten - ebenso wie ebenfalls mögliche Einzelspartenversicherungen - auch höhere Versicherungsprämien zur Folge gehabt, weil der Klägerin dann Rabatte nicht gewährt worden wären (bei der Beklagten: pro Jahr bzw pro Sparte 20 %).

Mit der Beklagten schloss die Klägerin von 1992 bis 22. 4. 1996 insgesamt 36 derartige Versicherungsverträge ab, wobei - offenbar über Initiative der Beklagten - jeweils auch vereinbart wurde, dass sich die (10 Jahre lang für beide Seiten unkündbaren) Verträge jeweils um ein Jahr verlängerten, wenn sie nicht gekündigt würden.

Durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union kam es zu einem Sinken der Prämien für derartige Versicherungen. Dieses war - zumindest von Insidern - erhofft und auch erwartet worden, wobei das Ausmaß des Rückganges der Prämienhöhen aber insofern überraschend war, als vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union Prämien von 1 bis 1,2 Promille (in dieser Höhe auch den gegenständlichen Versicherungsverträgen zugrundegelegt) auf jetzt 0,5 bis 0,6 Promille - jeweils bezogen auf den Jahresvertrag - sanken, wobei zumindest der gleiche oder sogar besserer Versicherungsschutz geboten wird.

Mit der Behauptung, die in den Versicherungsverträgen von der Beklagten eingeräumten Konditionen seien nicht mehr marktkonform, kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 24. 9. 1999 sämtliche (im Spruch angeführte) Versicherungsverhältnisse zum 30. 9. 1999 per 31. 12. 1999 auf. Diese Kündigung wurde von der Beklagten mit dem Hinweis, dass die Verträge nur zum jeweiligen Vertragsablauf kündbar seien, nicht angenommen.

Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass sämtliche, im Einzelnen angeführten Versicherungsverträge nichtig seien; hilfsweise, dass die Verträge durch die Kündigung vom 24. 9. 1999 aufgelöst seien. Eine zehnjährige Bindungsfrist für derartige Versicherungen mit automatischer Verlängerung um jeweils ein Jahr sei sowohl nach dem österreichischen VersVG als auch nach dem früheren Art 85 EG-V sowie den damit im Zusammenhang stehenden Verordnungen der Kommission Nr 1983/83, 1984/83 und 3932/92 rechtsunwirksam. Die Vorgangsweise der Beklagten sei mit anderen Versicherungsunternehmungen abgesprochen, zumindest aber abgestimmt worden, weshalb sich die Nichtigkeit der Versicherungsverträge nach dem Gemeinschaftsrecht ergebe.

Die Beklagte beantragte die Klage abzuweisen. Von einer abgestimmten Verhaltensweise der Versicherungsunternehmungen könne keine Rede sein, sodass kein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht vorliege. Im Übrigen sei eine zehnjährige Laufzeit der Versicherungsverträge rechtens, zumal EU-Recht erst seit 1. 1. 1995 in Österreich Geltung erlangt habe, die Verträge jedoch bereits zuvor abgeschlossen worden seien. Die Klägerin habe selbst ausdrücklich eine zehnjährige Laufzeit gewünscht, wiewohl vorhersehbar gewesen sei, dass durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft sich die Marktverhältnisse auch bei Versicherungsverträgen zu Gunsten der Versicherungsnehmer ändern würden. Im Übrigen sei bereits 1998 eine Prämienreduzierung im Ausmaß von 20 % vorgenommen worden. Letztlich biete die zehnjährige Laufzeit auch für den Versicherungsnehmer erhöhte Sicherheit und geringere Prämienzahlungen.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren auf Feststellung der Nichtigkeit der Versicherungsverträge ab, gab aber dem Eventualbegehren auf Feststellung, dass die Versicherungsverträge durch Kündigung aufgelöst seien, statt. Da beiden Parteien Kaufmannseigenschaft zukomme, finde § 8 Abs 3 VersVG keine Anwendung. Da die gegenständlichen Verträge aber wegen der Abrede, dass sie sich nach 10 Jahren ohne ausdrückliche Kündigung jeweils um ein Jahr verlängerten, als auf unbestimmte Zeit eingegangen zu betrachten seien, bestehe für die Klägerin eine prinzipielle Kündigungsmöglichkeit iSd § 8 Abs 2 VersVG. Dies gelte auch für jene Verträge, die schon vor dem Beitritt Österreichs zur EU am 1. 1. 1995 abgeschlossen worden seien. Es bedürfe daher nicht der Heranziehung europarechtlicher Grundsätze, um zu einer Kündigungsmöglichkeit zu gelangen. Lediglich zur Abrundung sei darauf verwiesen, dass auf Grund des Umstands, dass in ganz Österreich von sämtlichen Versicherungsunternehmungen derartige Verträge üblicherweise, bevorzugt und überwiegend nur mit einer zehnjährigen Laufzeit angeboten würden, die Bestimmungen des Art 81 EG auch auf den gegenständlichen Rechtsstreit anzuwenden seien, was dazu führe, dass auch nach dieser Bestimmung die gegenständlichen Versicherungsverträge durch die Klägerin kündbar seien. Die Annahme eines Kündigungsverzichtes der Klägerin scheide nach § 15a VersVG aus. Nachdem nicht einmal behauptet worden sei, dass die Kündigungsfrist bzw auch der Kündigungstermin von der Klägerin nicht eingehalten worden sei und auch nicht feststehe, dass einer der Verträge zum Zeitpunkt der Kündigung eine Laufzeit von weniger als zwei Jahren gehabt hätte, ergebe sich, dass die Klägerin die Versicherungsverträge zu Recht aufgekündigt habe. Von einer grundsätzlichen Nichtigkeit der Verträge sei nicht auszugehen, da nach der österreichischen und der europäischen Rechtsordnung das Bestreben bestehe, Vertragswerke prinzipiell aufrechtzuerhalten und die Nichtigkeit einzelner Bestimmungen nicht die Nichtigkeit des gesamten Vertrages zur Folge habe. Es sei kein Grund zu erkennen, warum es einer gänzlichen Rückabwicklung der Versicherungsverträge bedürfte. Sie seien daher lediglich "vernichtbar", nämlich durch Kündigung auflösbar, sodass nicht dem Haupt-, sondern dem Eventualbegehren stattzugeben gewesen sei.

Die Abweisung des Hauptbegehrens durch das Erstgericht blieb unbekämpft und ist in Rechtskraft erwachsen.

Das Berufungsgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung über das Eventualbegehren, wobei es aussprach, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes hinsichtlich jedes einzelnen Versicherungsvertrages S 52.000,-- übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht führte dazu im Wesentlichen aus: Es teile die Rechtsansicht des Erstgerichtes, dass es sich bei den streitgegenständlichen Versicherungsverträgen in Wahrheit um auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Verträge handle. Es sei kein wie immer gearteter sachlicher Unterschied zu erkennen zwischen einem auf 10 Jahre abgeschlossenen, sich jedoch ohne ausdrückliche Kündigung jeweils um ein Jahr verlängernden Versicherungsvertrag und einem auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen, frühestens nach 10 Jahren erstmals kündbaren Versicherungsvertrag, wobei die Versicherungsperiode jeweils ein Jahr dauere. Bei Abschluss eines Versicherungsverhältnisses auf unbestimmte Zeit sei jedoch (gemäß § 8 Abs 2 Satz 3 VersVG) ein einvernehmlicher Verzicht auf das Kündigungsrecht nur bis maximal zwei Jahre zulässig. Die hier vorliegende - offenbar von der Beklagten gewählte - Konstruktion eines zehnjährigen Versicherungsverhältnisses mit Kündigungspflicht bei Ablauf der Vertragsdauer bei sonstiger Verlängerungsautomatik stelle daher eine Umgehung der Bestimmung des § 8 Abs 2 VersVG dar, wobei diese Bestimmung nicht erst nach Abschluss der gegenständlichen Versicherungsverträge (ab 1992) in Kraft getreten sei. Die - bereits vom Erstgericht zitierte - Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu SZ 69/238 sei auf die gegenständlichen Versicherungsverträge anwendbar, auch wenn sie zu Bezugsverträgen erging, die aber gleich wie Versicherungsverträge Dauerschuldverhältnisse seien. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Klägerin geradezu den Abschluss derartiger Verträge begehrt habe, weil nach den Ausschreibungen der Klägerin zwar Versicherungen mit einer (befristeten) Laufzeit von 10 Jahren gewünscht worden seien und daher angeboten werden sollten, in den Ausschreibungen jedoch eine automatische Vertragsverlängerung nicht erwähnt worden sei. Hätte die Beklagte, wie in den Ausschreibungen gewünscht, nur Verträge mit einer Laufzeit von 10 Jahren angeboten, die danach automatisch geendet hätten, würde es sich um auf 10 Jahre befristete Verträge handeln, auf die die Bestimmungen des § 8 Abs 2 VersVG nicht zur Anwendung kämen. Für alle 36 gegenständlichen Versicherungsverträge habe der daher nur für zwei Jahre wirksame Kündigungsverzicht im Jahr 1999 nicht mehr bestanden. Die Klägerin habe die nach § 8 Abs 2 zweiter Satz VersVG maximal zulässige Kündigungsfrist von drei Monaten jedenfalls eingehalten. Dass die laufende Versicherungsperiode bei allen Versicherungsverträgen jeweils zum 31.

12. geendet habe, sei als von der Beklagten iSd § 267 ZPO zugestanden anzusehen. Bei Versicherungsverträgen, die als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen zu qualifizieren seien, sei ein vereinbarter Kündigungsverzicht auf 10 Jahre jedenfalls für den Versicherungsnehmer nachteilig, wenn dieser vor Verlauf dieser Zeit (und nach Ablauf von bereits mehr als zwei Jahren) den Versicherungsvertrag aus welchen Gründen immer beenden wolle. Es bedürfe daher keiner Abwägung aller Vor- und Nachteile eines zehnjährigen Kündigungsverzichtes. Der Versicherer könne sich daher nicht darauf berufen, dass ein derart langer, das gesetzliche Höchstausmaß um das Fünffache übersteigender Kündigungsverzicht nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers sei. Auf die Frage, ob auch ein Verstoß gegen Art 81 EG (vormals Art 85 EG-V) vorliege, müsse nicht mehr eingegangen werden.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der ordentlichen Revision seien deshalb gegeben, weil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob auf bestimmte Zeit abgeschlossene, jedoch mit einer Verlängerungsautomatik versehene Versicherungsverträge als iSd § 8 Abs 2 VersVG auf unbestimmte Zeit abgeschlossen zu qualifizieren seien, nicht vorliege und dieser Frage Bedeutung über den Einzelfall hinaus zukomme. Insbesondere bedürfe es auch der Stellungnahme des Obersten Gerichtshofes, ob die in SZ 69/238 unter Berufung auf Kommission und EuGH (zur Frage der Qualifizierung als unbefristete Verträge) vertretene Rechtsansicht auf andere Dauerschuldverhältnisse, wie etwa Versicherungsverträge, anzuwenden sei, oder sich nur auf (Allein-)Bezugsverträge beziehe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei, die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und die Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen im Sinne einer Abweisung auch des Eventualbegehrens beantragt.

Die klagende Partei stellt in ihrer Revisionsbeantwortung den Antrag, dem Rechtsmittel ihrer Prozessgegnerin keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Die Revisionswerberin tritt der Rechtsauffassung der Vorinstanzen entgegen, wonach die Entscheidung SZ 69/238 auf den vorliegenden Fall anwendbar sei und der in dieser Entscheidung vertretenen Rechtsansicht, bzw den Ausführungen Jaborneggs, Zur Kündbarkeit langfristiger Versicherungsverträge nach § 8 Abs 2 VersVG in WBl 1999, 443 folgend, die gegenständlichen Versicherungsverhältnisse als unbefristete anzusehen seien und daher gemäß § 8 Abs 2 Satz 3 VersVG eine unkündbare Bindung der Klägerin von mehr als zwei Jahren unzulässig gewesen sei, weshalb diese die Versicherungsverträge wirksam kündigen habe können.

Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:

Verfahrensgegenständlich sind 36 je auf zehn Jahre befristete "Unternehmer-Versicherungsverträge" mit einer sogenannten Verlängerungsklausel. Die zentrale, über den vorliegenden Prozess hinaus bedeutsame Rechtsfrage lautet, ob derartige Versicherungsverhältnisse im Hinblick auf § 8 Abs 2 Satz 3 VersVG ("Auf das Kündigungsrecht können die Parteien einverständlich bis zur Dauer von zwei Jahren verzichten") von beiden Seiten schon nach Ablauf von zwei Jahren ordentlich gekündigt werden können, oder nicht - im Ergebnis daher nach drei Jahren, da der Versicherungsvertrag erst nach dem Ablauf der Verzichtsdauer von zwei Jahren zum Ende der nächsten [laufenden] Versicherungsperiode [§ 8 Abs 2 Satz 1 VersVG], also zum Ende des dritten Versicherungsjahres [§ 9 VersVG] gekündigt werden kann - vgl Bruck-Möller VVG8 § 8 Rz 17; Gruber, Nochmals: Zur zulässigen Laufzeit von Versicherungsverträgen, VR 2000, 62 ua). Dies führt zunächst zur Frage, ob sich Satz 3 des § 8 Abs 2 VersVG der allgemeine Gedanke entnehmen lässt, dass eine unkündbare Bindung des Versicherungsnehmers von im Ergebnis mehr als drei Jahren unzulässig sein solle. Mit diesem Problem haben sich in Österreich vor allem Jabornegg (aaO) und Fenyves (Die Laufzeit von Versicherungsverträgen aus rechtswissenschaftlicher Sicht, VR 1991, 1) eingehend auseinandergesetzt; von den Genannten erstellte, ihren Prozessstandpunkt jeweils stützende Privatgutachten vom 25. 2. 1999 bzw 9. 2. 2001 haben die Parteien in diesem Verfahren vorgelegt.

Fenyves wendet sich aaO, 3 ff dagegen, aus der genannten Bestimmung eine generelle Laufzeitbegrenzungsregel dahin abzuleiten, dass im Ergebnis nur eine dreijährige Bindung des Versicherungsnehmers zulässig sei. Es sei zwar zuzugeben, dass ein Kündigungsverzicht in einem Dauerschuldverhältnis auf unbestimmte Zeit dieselbe Wirkung habe, wie wenn das Schuldverhältnis auf bestimmte Zeit, nämlich auf den Zeitraum, in dem der Kündigungsverzicht wirke, abgeschlossen worden wäre: Während dieses Zeitraums könne nicht ordentlich gekündigt werden. Insofern scheine es in der Tat ein - genereller, nicht nur im Hinblick auf Unternehmerverträge bestehender - Wertungswiderspruch zu sein, wenn § 8 Abs 2 Satz 3 im Ergebnis nur dreijährige Bindungen des Versicherungsnehmers zulasse, während § 8 Abs 3 VersG von der Zulässigkeit von Bindungen ausgehe, die drei Jahre übersteigen. Dieser vermeintliche Widerspruch lasse sich im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte des VersVG aber dadurch auflösen, dass dem gesetzgeberischen Konzept in Wahrheit nur eine "Rechtsformenvorgabe" zugrundeliege: Bindungen bis zu einer bestimmten Zeitspanne seien auch mit Hilfe eines Versicherungsvertrages auf unbestimmte Zeit zu erreichen, längere hingegen nur mit Hilfe eines "Zeitvertrages". Auf wie lange Zeitverträge gültig abgeschlossen werden können, könne dem § 8 Abs 2 Satz 3 VersVG daher nicht entnommen werden, da er ein ganz anderes Regelungsprogramm habe.

Jabornegg kommt (aaO 447), ausgehend von der Rechtslage vor der VersVG-Novelle 1994 aus rechtsdogmatischen Überlegungen (dazu gleich im Folgenden) hingegen zum Ergebnis, dass § 8 Abs 2 Satz 3 VersVG nicht nur unbefristete, sondern analog auch befristete Versicherungsverhältnisse betreffe. Er muss aber einräumen, dass dieses Auslegungsergebnis durch die VersVG-Novelle 1994 angesichts der Anfügung des neuen Abs 3 in § 8 VersVG "nachhaltig erschüttert" wurde. Wie Fenyves, der aaO, 5 f darlegt, dass auf 10 Jahre befristete Versicherungsverträge aus der Sicht des § 879 Abs 1 ABGB unbedenklich seien, kommt daher auch Jabornegg zur Ansicht, dass "echte" auf 10 Jahre befristete Versicherungsverträge im Prinzip zulässig seien.

Allen von Jabornegg aaO angestellten Überlegungen liegt die Meinung zugrunde, dass für die Unterscheidung befristeter und unbefristeter Versicherungsverträge, wie allgemein bei Dauerschuldverhältnissen, allein entscheidend und typusprägend sei, ob das Verhältnis mit vereinbartem Zeitablauf automatisch ende. Werde zusätzlich vereinbart, dass für bestimmte Zeiträume das ordentliche Kündigungsrecht ausgeschlossen sein soll, bewirke dies zwar eine weitergehende Vertragsbindung, ändere aber nichts am unbefristeten Charakter des Rechtsverhältnisses im Ganzen. Ausgehend von diesem Unterscheidungskriterium könne ein auf bestimmte Dauer abgeschlossenes, aber mit Verlängerungsklausel versehenes Vertragsverhältnis nicht den befristeten Dauerschuldverhältnissen zugeordnet werden, sondern bilde einen - freilich mit einer zusätzlichen Bindungsklausel ausgestatteten - Anwendungsfall eines unbefristeten Vertragsverhältnisses. Jabornegg, der damit der in Deutschland verbreiteten Auffassung widerspricht, dass eine Verlängerungsklausel den befristeten Versicherungsvertrag nicht zu einem solchen auf unbestimmte Zeit mache (Prölss in Prölss/Martin VVG26 § 8 Rz 4a; Gruber in BK § 8 VVG Rz 10 und 16), kommt daher zur Ansicht, dass die kündigungsrechtliche Beschränkung des § 8 Abs 2 dritter Satz VersVG generell auch für befristete Versicherungsverträge mit Verlängerungsklausel Geltung habe.

Er nimmt - in Verfolgung seiner streng-dogmatischen Linie, nur jedenfalls automatisch endende Dauerschuldverhältnisse als befristete zu behandeln - damit in Kauf, dass also über die zulässige Dauer der Bindung des Versicherungsnehmers allein die Verlängerungsklausel entscheidend sein solle. Gruber (VR 2000, 62 [63]) wendet dagegen ein, dies sei aus der Sicht eines anerklärten typischen Versicherungsnehmers schon deshalb nicht einsichtig, weil für den Versicherungsnehmer bei Abschluss des Versicherungsvertrages jedenfalls die Befristung und nicht die Verlängerungsklausel von vorrangiger Bedeutung sei. Die Stichhältigkeit dieses auch von Fenyves in seinem erwähnten Privatgutachten vom 9. 2. 01 erhobenen Einwandes unterstreicht gerade der vorliegende Fall: Steht doch fest, dass die gegenständlichen Verträge alle über Initiative der klagenden Partei zustandegekommen sind, deren - offenbar durch Aspekte der Verwaltungsvereinfachung motivierter, in den Vergabebedingungen schriftlich niedergelegter - ausdrücklicher Wunsch und Wille es war, eine zehnjährige Bindung der Partner der angestrebten Versicherungsverträge zu erreichen. Daran ändert nichts, dass eine zehnjährige Bindung eine Reihe von Vorteilen vor allem für den Versicherer mit sich bringt und daher bei einer Gesamtschau wohl für den Versicherungsnehmer eher als nachteilig angesehen werden kann.

Eine von Schauer (Versicherungsvertragsrecht3 304) erwogene analoge Anwendung des § 8 Abs 2 VersVG auf befristete Versicherungsverträge mit Verlängerungsklausel ist aus den von Fenyves (im Privatgutachten) vorgetragenen Argumenten abzulehnen. Zu bedenken ist, dass eine analoge Anwendung des § 8 Abs 2 Satz 3 VersVG auf befristete Versicherungsverträge mit Verlängerungsklausel nur für Unternehmerverträge Bedeutung hätte, da Verbraucherverträge ja ohnehin nach § 8 Abs 3 VersVG gekündigt werden können, und zwar lege non distinguente ("... ein Versicherungsverhältnis, das er für eine Dauer von mehr als drei Jahren eingegangen ist ...") bei allen Typen von befristeten Verträgen, also unabhängig davon, ob diese mit oder ohne Verlängerungsklausel abgeschlossen wurden. Der Gesetzgeber der VersVG-Novelle 1994 hat nun aber sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er Unternehmer für fähig hält, die Tragweite der von ihnen eingegangenen langfristigen Verträge richtig einzuschätzen (RV 1553 BlgNR 18. GP, 16) und ihnen daher - anders als den Verbrauchern - bewusst kein Kündigungsrecht eingeräumt. Diese Wertung trifft, wie Fenyves richtig fortfährt, ersichtlich auf alle befristeten Verträge zu, da es in dieser Hinsicht keinen Unterschied machen kann, ob sie mit oder ohne Verlängerungsklausel abgeschlossen wurden. Mit Fenyves ist daher zu konstatieren, dass eine analoge Anwendung des § 8 Abs 2 Satz 3 VersVG auf Unternehmerverträge mit Verlängerungsklausel die sehr deutliche Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers der VersVG-Novelle 1994 konterkarieren würde. Abgesehen davon würde es, wie Fenyves noch zutreffend bemerkt, einen Wertungswiderspruch bedeuten, wenn sich ein Unternehmer mit zumindest potentiell längerfristigem Bindungswillen früher vom Versicherungsvertrag lösen dürfen sollte als ein Versicherungsnehmer mit von vornherein befristetem Bindungswillen (vgl Gruber, VR 2000, 63).

Eine vom letztgenannten Autor vorgeschlagene analoge Anwendung des § 8 Abs 3 VersVG auf derartige Versicherungsverträge muss, wie Fenyves ebenfalls beizupflichten ist, schon daran scheitern, dass der Gesetzgeber der VersVG-Novelle 1994 diese Bestimmung ganz bewusst als Verbrauchervorschrift konzipiert hat, da er, wie bereits betont, Unternehmer als ausreichend in der Lage angesehen hat, die Tragweite langfristiger vertraglicher Bindungen einzuschätzen.

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände und insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Respektierung des (weil den Bestimmungen des § 8 Abs 2 und 3 VersVG ja damit entsprochen wird) im Hinblick auf § 15a VersVG unbeschränkten und daher maßgeblichen Parteiwillens erscheint demnach die von Fenyves in seinem Privatgutachten vom 9. 2. 2001 vertretene Lösung sachgerecht: Danach kann es nicht allein auf ein jedenfalls automatisches Ende des Versicherungsvertrages als typusbildend ankommen, sondern ist auch die Intensität des Bindungswillens der Parteien zu beachten. Wird - wie hier - ein Unternehmer-Versicherungsvertrag, getragen vom Bestreben beider Partner nach einer entsprechenden Bindung, auf bestimmte Zeit geschlossen, so ist das Versicherungsverhältnis während dieser Zeit als befristet anzusehen und kann die Vereinbarung einer Verlängerungsklausel am Charakter eines "Dauerschuldverhältnisses auf bestimmte Zeit" nichts ändern. Verlängert sich das Versicherungsvertragsverhältnis vereinbarungsgemäß mangels gegenteiliger Willensäußerung nach Ablauf der Zeit, für die die Partner eine Bindung angestrebt und vereinbart haben, so ist es sodann als Dauerschuldverhältnis auf unbestimmte Zeit zu behandeln.

Zu betonen ist in diesem Zusammenhang, dass diese Überlegungen von einem Fall, wie dem vorliegenden ausgehen, in dem die Laufzeit zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer "im Einzelnen ausgehandelt" wurde (vgl Fenyves VR 1999, 1 [9]). Auf die Frage allfälliger Schranken bei Verwendung von AGB oder Vertragsformblättern, insbesondere einer dabei gemäß § 879 Abs 3 ABGB zu beachtenden Inhaltskontrolle (vgl Fenyves aaO 6 ff) muss hier nicht eingegangen werden.

Das hiemit erzielte Ergebnis, dass die gegenständlichen Versicherungsverhältnisse mangels Ablaufs der jeweils zehnjährigen Bindungsfrist als befristete Versicherungsverhältnisse anzusehen sind und daher von § 8 Abs 2 Satz 3 VersVG nicht tangiert werden, wird durch die Entscheidung 1 Ob 2362/96a = SZ 69/238 bzw die darin erwähnte Bekanntmachung der Kommission zu den Verordnungen Nr 1983/83 und Nr 1984/83 sowie die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes EuGHSlg 1995, 1533 [1537]; EuGHSlg 1995, 1611 [1613]) nicht in Frage gestellt. Dort ging es vornehmlich um mit Alleinbezugsverträgen verbundene wettbewerbsrechtliche Aspekte. Dass die dort in Rede stehenden bzw behandelten, eine feste Laufzeit vorsehenden, sich ohne Kündigung automatisch verlängernden Verträge als auf unbestimmte Zeit geschlossen anzusehen sind, hat mangels Vergleichbarkeit der dort relevanten Sachverhalte und auch der rechtlichen Zielsetzungen für den vorliegenden Rechtsfall keine beispielgebende Bedeutung.

Schließlich kann entgegen der von der klagenden Partei in ihrer Revisionsbeantwortung noch vertretenen Ansicht, in der festgestellten, in Österreich (damals) gegebenen bloßen Üblichkeit, Versicherungsverträge mit einer Laufzeit von 10 Jahren abzuschließen, schon im Hinblick auf die ebenfalls festgestellte Möglichkeit, für derartige Bündelversicherungen auch kürzere Laufzeiten zu vereinbaren, keine abgestimmte Verhaltensweise iSd Art 85 EG-V, nunmehr Art 81 EG, erblickt werden. Aus kartellrechtlichen Gesichtspunkten ist daher für die Revisionsgegnerin nichts zu gewinnen. Auch sonst bestehen gegen die 10-jährige Befristung der gegenständlichen Versicherungsverträge aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht keine Bedenken (vgl die Ausführungen von Fenyves VR 1999, 1 [10 f]).

Das Vorliegen eines "wichtigen" Grundes, der zur vorzeitigen Auflösung (außerordentliche Kündigung) der gegenständlichen Versicherungsverträge berechtigt hätte, hat die Klägerin gar nicht behauptet. Da die von ihr erklärte ordentliche Kündigung von der Beklagten nicht akzeptiert wurde und sich, wie dargestellt, als unwirksam erweist, waren die Entscheidungen der Vorinstanzen in Stattgebung der Revision spruchgemäß in klagsabweislichem Sinn abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Auch die Kosten des Revisionsverfahrens waren auf der Basis des Revisionsinteresses von S 270.000,-- (und nicht, wie vom Beklagtenvertreter verzeichnet, S 1,908.000,--) zu bestimmen.

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