OGH 10ObS200/01m

OGH10ObS200/01m10.7.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hoch sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Erwin Blazek (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Bernhard Rupp (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franz M*****, vertreten durch Mag. Gerhard Eigner, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei Versicherungsanstalt der Österreichischen Eisenbahnen, Linke Wienzeile 48-52, 1061 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. April 2001, GZ 12 Rs 46/01y-42, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 23. Oktober 2000, GZ 17 Cgs 74/98f-38, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache, dass der Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Invaliditätspension nach § 255 Abs 1 ASVG nicht erfüllt, ist zutreffend, weshalb es ausreicht, darauf zu verweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Den Revisionsausführungen ist daher nur Folgendes zu erwidern:

Der Revisionswerber zieht nicht (mehr) in Zweifel, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten eines angelernten Berufskraftfahrers am Berufsbild des Lehrberufes "Berufskraftfahrer" zu messen sind (RIS-Justiz RS0084792 [T1]; SSV-NF 13/107), die er schon angesichts der Kürze des im Jahr 1982 absolvierten Lehrganges jedenfalls nicht erfüllte. Er beruft sich jedoch insoweit auf die von ihm schon in der Zeit vor 15 Jahren vor dem Stichtag erworbenen, damals in der Praxis von Berufskraftfahrern verlangten Kenntnisse und Fähigkeiten, als er die Lehrabschlussprüfung als Berufskraftfahrer bereits am 18. 2. 1992, also zum frühestmöglichen Zeitpunkt (im Rahmen eines Ausbildungsversuches seit 1991/1992) abgelegt habe. Auch wenn die theoretischen Anforderungen vor Einführung des Lehrberufes nicht so umfassend gewesen seien, wäre es unbillig, jenen Berufskraftfahrern, die den Beruf vorher angelernt hätten, den Berufsschutz zu verwehren. Der Kläger habe nach dem festgestellten Sachverhalt - zumindest im Zeitpunkt der Lehrabschlussprüfung - ohnehin über die für die Zulassung zu dieser Prüfung erforderlichen Kenntnisse verfügt, die sonst im Rahmen der Lehrausbildung verschafft würden. Nach der Entscheidung 10 ObS 221/94 (= SSV-NF 8/103) sei zwar zu berücksichtigen, dass die nachträgliche Ablegung einer Lehrabschlussprüfung ohne praktische Verwendung der erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten im Erwerbsleben keinen Berufsschutz begründe. Vorliegend habe der Kläger jedoch noch zwei Jahre nach der Prüfung als Buslenker bei den Wiener Verkehrsbetrieben gearbeitet, also eine berufsschutzerhaltende Teiltätigkeit ausgeübt. Außerdem sei er im Jahr 1995 noch über fünf Monate als Bus- und Kraftfahrer bei der Firma G***** beschäftigt gewesen. Der Kläger habe also auch nach Ablegung der Lehrabschlussprüfung eine praktische Verwendung in seinem erlernten Beruf gefunden und genieße daher nicht nur Berufsschutz als angelernter, sondern auch als gelernter Berufskraftfahrer.

Die allein strittige Frage, ob der Kläger Berufsschutz als gelernter (angelernter) Kraftfahrer iSd § 255 Abs 2 ASVG beanspruchen kann wurde jedoch - entgegen diesen Ausführungen vom Berufungsgericht zutreffend verneint. Ein solcher Berufsschutz würde nach § 255 Abs 1 ASVG erfordern, dass der Kläger überwiegend in seinem erlernten (angelernten) Beruf tätig gewesen wäre, wobei als überwiegend nach § 255 Abs 2 Satz 2 ASVG erlernte (angelernte) Berufstätigkeiten gelten, wenn sie in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach diesem Bundesgesetz während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag ausgeübt wurden. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates ist ein Beschäftigter während der Lehr- bzw Anlernzeit nicht im erlernten (angelernten) Beruf tätig; er übt also keine (qualifizierte) Berufstätigkeit im Sinn des § 255 Abs 2 Satz 2 ASVG aus, sodass die (Lehr-)Zeit bei Prüfung der Frage, ob in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG eine erlernte Berufstätigkeit ausgeübt wurde, außer Betracht zu bleiben hat (zuletzt: 10 ObS 157/01p mwN).

Davon ausgehend kann der Argumentation, der Kläger genieße Berufsschutz als gelernter Kraftfahrer, weil er nach der Lehrabschlussprüfung (18. 2. 1992) noch zwei Jahre als Buslenker bei den Wiener Stadtwerken gearbeitet habe und im Jahr 1995 über fünf Monate als Bus- und Kraftfahrer beschäftigt gewesen sei, jedenfalls nicht gefolgt werden; war der Kläger doch bereits seit dem 21. 2. 1983 (bis 28. 2. 1994) als Buslenker der Wiener Verkehrsbetriebe tätig, sodass den 29 Beitragsmonaten nach der Lehrabschlussprüfung neun Jahre (108 Beitragsmonate) gegenüberstehen, in denen er (in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag "überwiegend" iSd § 255 Abs 2 Satz 2 ASVG) in dieser (nicht qualifizierten) Tätigkeit gearbeitet hat. Dass für die Ausübung des Berufes eines Autobuslenkers im städtischen Liniendienst Kenntnisse und Fähigkeiten, die den in einem Lehrberuf erworbenen gleichzuhalten sind, nicht erforderlich waren (RIS-Justiz RS0084792 [T7] uva), wird in der Revision nämlich - zu Recht - nicht bestritten.

Den weiteren Revisionsausführungen ist daher nur noch zu erwidern, dass der erkennende Senat nicht nur in der in der Revision zitierten Entscheidung (SSV-NF 8/103), sondern auch in einem weiteren vergleichbaren, einen Autobuslenker mit nachträglich abgelegter Lehrabschlussprüfung betreffenden Fall ausgesprochen hat, dass ein Versicherter, der nur eine Teiltätigkeit eines Lehrberufes ausübte, die nicht als angelernte Tätigkeit anzusehen ist, durch einen nachträglichen Lehrabschluss ohne jede praktische Verwendung der dort erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten im Erwerbsleben keinen Berufsschutz erlangt (SSV-NF 12/64); wobei der Kläger in diesem Fall die Lehrabschlussprüfung am 6. 9. 1991 abgelegt hatte und - nach der vom Obersten Gerichtshof gebiligten Berurteilung des Berufungsgerichtes - "erst ab diesem Zeitpunkt in einem erlernten Beruf tätig gewesen" war (SSV-NF 12/64). Da auch ein angelernter Beruf - wie bereits dargelegt - erst ab dem Zeitpunkt ausgeübt wird, an dem die Anlernung abgeschlossen ist (RIS-Justiz RS0084450), liegt auch die vom Kläger erblickte Unbilligkeit nicht vor (vgl SSV-NF 8/103).

Das Verweisungsfeld des Klägers ist daher - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - nach § 255 Abs 3 ASVG zu beurteilen. Dass er die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Invaliditätspension nach dieser Gesetzesstelle nicht erfüllt, wird in der Revision nicht in Zweifel gezogen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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