OGH 2Ob166/01b

OGH2Ob166/01b9.7.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am 20. November 1982 geborenen mj Selma F*****, über den Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. Mai 2001, GZ 43 R 199/01k-64, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 8. März 2001, GZ 3 P 2225/95v-51, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Antrag auf Gewährung eines Unterhaltsvorschusses in der Höhe von S

2.700 monatlich für die Zeit vom 1. Jänner 2001 bis 30. November 2001 abgewiesen wird.

Text

Begründung

Die Pflegebefohlene begehrt die Gewährung eines Unterhaltsvorschusses in der Titelhöhe von monatlich S 2.700 für die Zeit vom 1. 1. 2001 bis 30. 11. 2001 mit der Begründung, die zu 65 E 6084/98p des BG Innere Stadt Wien geführte Exekution auf das Arbeitseinkommen zur Sicherstellung habe, auch unter Anrechnung hereingebrachter Rückstände auf den laufenden Unterhalt, diesen für die letzten sechs Monate vor Antragstellung nicht gedeckt.

Das Erstgericht gewährte die beantragten Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig.

Auszugehen ist von folgendem Sachverhalt:

Die durch den Unterhaltssachwalter vertretene Pflegebefohlene brachte am 6. 11. 1998 zur Hereinbringung des Unterhaltsrückstandes und des laufenden Unterhaltes den Antrag auf Forderungsexekution nach § 294a EO und - zur Hereinbringung des Unterhaltsrückstandes - auf Fahrnisexekution ein. Die Exekution wurde mit Beschluss vom 27. 11. 1998 bewilligt. Die eingeholte Drittschuldneranfrage ergab, dass der Unterhaltspflichtige nicht zur Sozialversicherung gemeldet war. Die Fahrnispfändung konnte am 2. 2. 1999 am Wohnort des Verpflichteten wegen versperrter Eingangstür nicht vollzogen werden, doch konnten in der Folge einige den Einrichtungs- und Gebrauchsgegenständen zuzuzählende Fahrnisse am 9. 3. 1999 gepfändet werden. Am 9. 3. 1999 gab der Unterhaltspflichtige ein Vermögensverzeichnis nach § 47 Abs 2 EO ab, wonach er als "Mitgesellschafter" eines Restaurants, dessen Bilanz 1998 ca S 9.000 im Minus gewesen sei, tätig sei und überdies ein Nebeneinkommen von ca S 50.000 brutto pro Jahr als Dolmetscher beziehe. Die Versteigerung der gepfändeten Fahrnisse unterblieb, weil die vorgesehene Überstellung nicht vollzogen wurde; der Unterhaltssachwalter stimmte der Einstellung der Exekution nach § 200 Z 3 EO zu, die Einstellung erfolgte mit Beschluss vom 17. 6. 1999.

In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, dass sich aus dem Pflegschaftsakt Hinweise auf eine selbständige Tätigkeit des unterhaltspflichtigen Vaters ergäben. § 3 UVG unterscheide zwischen Selbständigen und Unselbständigen, wobei hinsichtlich dieser beiden Gruppen der Unterhaltspflichtigen jeweils nur die ihr speziell zugeordnete Exekutionsführung verlangt werde, und zwar bei Unselbständigen die nach § 291c Abs 1 EO und bei Selbständigen die nach § 372 EO. Im vorliegenden Fall sei der Unterhaltsschuldner als selbständig erwerbstätig anzusehen. Wenngleich hier nur ein auf § 3 Z 2 UVG gestütztes Antragsvorbringen erstattet worden sei, sei zu beachten, dass der Unterschied zwischen den Vorschussgründen nach § 3 Z 2 UVG und nach § 4 Z 1 UVG nur darin liege, dass bei letzterem das Erfordernis des erfolglosen Versuchs einer Exekution wegfalle. Nach § 4 Z 1 UVG seien dem mj Kind auf den gesetzlichen Unterhalt Vorschüsse auch zu gewähren, wenn zwar ein im Inland vollsteckbarer Exekutionstitel bestehe, aber die Führung einer Exekution nach § 3 Z 2 UVG aussichtslos erscheine, besonders, weil im Inland ein Drittschuldner oder ein Vermögen, dessen Verwertung einen die laufenden Unterhaltsbeiträge deckenden Betrag erwarten lasse, nicht bekannt sei. Nach § 4 Z 1 UVG bleibe die Exekutionsführung als Voraussetzung einer Vorschussgewährung dann erspart, wenn bereits aufgrund der objektiven Lage zur Zeit der Beschlussfassung erster Instanz eine Exekutionsführung für jedermann aussichtslos erscheinen müsse (RIS-Justiz RS0108900). Demnach sei aufzugreifen, dass im vorliegenden Fall nicht nur die zufolge der eingeleiteten Forderungsexekution eingeholte Drittschuldneranfrage erfolglos geblieben sei, sondern dass auch mit der Fahrnisexekution im Ergebnis keine Befriedigung erzielbar gewesen sei und dass überdies dem nach § 47 Abs 2 EO vom Unterhaltsschuldner erstatteten Vermögensverzeichnis keine einer Exekutionsführung zugänglichen Vermögenswerte zu entnehmen seien.

Der Unterhaltssachwalter hätte auch vor der Antragstellung auf Gewährung der Unterhaltsvorschüsse vom 31. 1. 2001 keinen Antrag auf neuerliche Vorlage eines Vermögensverzeichnisses nach § 47 Abs 2 EO zu stellen gehabt, weil sich weder dem Akteninhalt noch dem Rechtsmittelvorbringen Anhaltspunkte dafür entnehmen ließen, dass der Unterhaltsschuldner nach der Verfassung seines Vermögensverzeichnisses nach § 47 Abs 2 EO Vermögen erworben habe. Maßgeblich für die Beurteilung, ob der Anschein der Aussichtslosigkeit der Exekutionsführung gegeben sei, sei die objektive Lage zur Zeit der Fassung des Beschlusses erster Instanz; sie sei dann anzunehmen, wenn nach der Aktenlage jedermann in Kenntnis der aktenkundigen Verhältnisse eine Exekutionsführung aussichtslos erachten müsse. Dies sei hier der Fall. Es könne einem Unterhaltsberechtigten, der bereits eine Exekutionsführung erfolglos versucht habe, die Vorschussgewährung nicht mit der Begründung verwehrt werden, er hätte ausdrücklich einen Vorschuss nach § 4 Z 1 UVG beantragen müssen. Vielmehr solle dem antragstellenden Kind gemäß § 4 Z 1 UVG die Exekutionsführung erspart bleiben, wenn - wie hier - bereits aufgrund der objektiven Lage zur Zeit der Beschlussfassung erster Instanz eine Exekutionsführung für jedermann aussichtslos erscheinen müssen.

Den ordentlichen Revisionsrekurs erachtete das Rekursgericht für zulässig, weil keine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage vorliege, ob bzw inwieweit die nach § 47 Abs 2 EO im Zuge einer Fahrnisexekution erfolgte Vorlage eines Vermögensverzeichnisses eines selbständig erwerbstätigen Unterhaltsschuldners, auch unter Bedachtnahme auf § 49 Abs 1 EO, die gemäß § 4 Z 1 UVG geforderte Annahme der Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung zu begründen vermöge.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass der Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen abgewiesen werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.

In dem Rechtsmittel wird geltend gemacht, dass derjenige, der ein Vermögensverzeichnis nach § 47 Abs 2 EO vorlege, zur neuerlichen Vorlage und Unterfertigung nur dann verpflichtet sei, wenn glaubhaft gemacht werde, dass er später Vermögen erworben habe. Der Glaubhaftmachung bedürfte es jedoch nicht, wenn seit der Vorlage des Vermögensverzeichnisses und dessen Unterfertigung mehr als ein Jahr vergangen sei (§ 49 Abs 1 EO). Bevor angenommen werden könne, dass eine bewilligte Exekution fehlgeschlagen sei, müsse das Kind alle ihm nach dem Gesetz möglichen, zumutbaren und richtigen Schritte setzen. Dazu gehöre auch ein Antrag auf neuerliche Vorlage und Unterfertigung eines Vermögensverzeichnisses nach § 47 Abs 2 EO, sobald ein solcher Antrag möglich sei. Da das Vermögensverzeichnis vom 9. 3. 1999 vorgelegt und unterfertigt worden sei, wäre es dem Unterhaltssachwalter möglich und zumutbar gewesen, vor Antragstellung auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen (am 31. 1. 2001) einerseits einen Antrag auf Exekution zur Sicherstellung, anderseits aber auch einen Antrag auf neuerliche Vorlage eines Vermögensverzeichnisses nach § 47 Abs 2 EO zu stellen und das Ergebnis abzuwarten. Entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes könne ohne die zumutbare Stellung eines Antrags auf neuerliche Vorlage und Unterfertigung eines Vermögensverzeichnisses nach § 47 Abs 2 EO auch nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass eine Exekutionsführung für jedermann objektiv aussichtslos erscheinen müsse. Nach den Bestimmungen der EO bedürfe es eben der Glaubhaftmachung des späteren Erwerbs von Vermögen nicht, wenn seit der Vorlage des Vermögensverzeichnisses und dessen Unterfertigung mehr als ein Jahr vergangen sei. Erst nach Abgabe des neuen Vermögensverzeichnisses werde beurteilt werden können, ob gegebenenfalls eine weitere Exekutionsführung für jedermann aussichtslos erscheine.

Hiezu wurde erwogen:

Gemäß § 4 Z 1 UVG sind Vorschüsse auch dann zu gewähren, wenn zwar die Voraussetzungen des § 3 Z 1 UVG (ein im Inland vollstreckbarer Titel) gegeben sind, aber die Führung einer Exekution nach § 3 Z 2 UVG aussichtslos scheint. Maßgeblich für die Beurteilung, ob der Anschein für die Aussichtslosigkeit der Exekutionsführung gegeben ist, ist die objektive Lage zur Zeit der Fassung des Beschlusses erster Instanz. Sie ist dann anzunehmen, wenn nach der Aktenlage jedermann in Kenntnis der aktenkundigen Verhältnisse eine Exekutionsführung aussichtslos erscheinen muss (EFSlg 75.673). Im vorliegenden Fall sind zwischen der Abgabe des Vermögensverzeichnisses im Sinne des § 47 Abs 2 EO durch den unterhaltspflichtigen Vater und der Beschlussfassung erster Instanz nahzu zwei Jahre verstrichen. Bei einer so langen Zeitdauer kann aus der Ergebnislosigkeit früherer Exekutionsschritte und dem Umstand, dass das seinerzeitige Vermögensverzeichnis keine einer Exekutionsführung zugänglichen Vermögenswerte enthielt, nicht ohne weiteres geschlossen werden, eine neuerliche Exekutionsführung wäre aussichtslos. Eine Aussichtslosigkeit im Sinne des § 4 Z 1 UVG kann in einem solchen Fall vielmehr erst dann angenommen werden, wenn vom Schuldner die Vorlage und Unterfertigung eines neuen Vermögensverzeichnisses verlangt worden ist. Da seit der letzten Offenlegung eine Frist von mehr als einem Jahr verstrichen ist, bedarf es dazu auch keiner weiteren Bescheinigungen (Deixler-Hübner in Burgstaller/Deixler-Hübner, KommzEO, § 49 Rz 5). Die Voraussetzungen des § 4 Z 1 UVG waren daher zum Zeitpunkte der Beschlussfassung durch das Erstgericht nicht gegeben, weshalb der Antrag auf Gewährung eines Unterhaltsvorschusses abzuweisen war.

Stichworte