OGH 8ObA163/01f

OGH8ObA163/01f5.7.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Stefan Schöller und Brigitte Augustin als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei I*****, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Ing. G*****, vertreten durch Dr. Helmut Grubmüller, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 102.767,38 brutto abzüglich S 3.600 netto sA, infolge Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse S 102.407,38 brutto abzüglich S 3.600 netto sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Februar 2001, GZ 9 Ra 319/00y-31, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 29. März 2000, GZ 9 Cga 153/98d-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.086 (darin enthalten S 1.014,40 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Der geltend gemachte Revisionsgrund der Nichtigkeit des Berufungsurteiles wegen mangelhafter Begründung wäre nur dann gegeben, wenn die Entscheidung nicht oder so unzureichend begründet wäre, dass sie nicht überprüfbar ist (vgl RIS-Justiz RS0007484 mwN). In der Berufung wurde die Beweiswürdigkeit des Erstgerichtes auch als "Mangelhaftigkeit des Verfahrens" bekämpft, weil die Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden könne. Das Berufungsgericht hat sich ausführlich mit der Beweisrüge und der Begründung der Beweiswürdigung des Erstgerichtes auseinandergesetzt und diese als zutreffend beurteilt. Damit hat es auch einen Begründungsmangel verneint.

Entgegen den Ausführungen der Revision hat sich die Klägerin auch schon in ihrer Klage ausdrücklich auf den Kollektivvertrag für Angestellte im Gewerbe berufen. Die Beklagte erstattete dazu kein Vorbringen.

Auch eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens gemäß § 503 Z 2 ZPO ist nicht gegeben. Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens, die schon in der Berufung geltend gemacht, vom Berufungsgericht aber verneint wurden, können nach ständiger Rechtsprechung nicht mehr mit Erfolg in der Revision gerügt bzw die Unterlassung der Rüge in der Berufung auch nicht in der Revision nachgetragen werden (Kodek in Rechberger, ZPO**2 Rz 3 zu § 503 mwN; RIS-Justiz RS0042963, RS0043055 ua).

Auch die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Vorwurf des rechtlichen Feststellungsmangels (= Feststellungsmangel auf Grund unrichtiger rechtlicher Beurteilung; Kodek aaO Rz 1 zu § 496) kann nicht erfolgreich erhoben werden, wenn zu einem bestimmten Thema von den Tatsacheninstanzen ohnehin Feststellungen getroffen wurden. Hier hat das Erstgericht - wenngleich im Rahmen der rechtlichen Beurteilung - festgestellt, dass die Beklagte als Betrieb des chemischen Gewerbes dem Kollektivvertrag für die Angestellten des Gewerbes zugehörig ist. Dies umfasst aber auch die Feststellung, dass die Beklagte Mitglied der den Kollektivvertrag auf Arbeitgeberseite abschließenden Kollektivvertragspartei ist (vgl auch § 8 Z 1 ArbVG). Diese Feststellung blieb in der Berufung unbekämpft.

Der nunmehr erstmals in der Revision erhobene nicht näher substantiierte Einwand, dass sich die Klägerin bei der Kündigungsentschädigung ab dem 3. Monat gemäß § 29 AngG anrechnen lassen müsse, was sich infolge des Unterbleibens der Dienstleistung ersparte, anderweitig erworben oder zu erwerben absichtlich unterlassen habe, verstößt gegen das Neuerungsverbot (vgl Kodek in Rechberger aaO § 504 Rz 3).

Ausgehend von den Feststellungen kommt auch der erstmals in der Revision geäußerten Ansicht der Beklagten, dass es sich bei dem Beschäftigungsverhältnis der Klägerin nicht um ein Arbeitsverhältnis sondern ein freies Dienstverhältnis gehandelt habe, keine Berechtigung zu. Es unterscheidet sich der Arbeitsvertrag von anderen Vertragstypen vor allem durch die persönliche Arbeit, die Abhängigkeit des Arbeitnehmers, also dessen Unterworfenheit unter die funktionelle Autorität des Arbeitgebers, die sich in organisatorischer Gebundenheit, insbesondere hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und Kontrolle (vgl RIS-Justiz RS0021284, RS0021306, etwa zuletzt OGH DRdA 1999, 392 = RdW 1999, 673 mwN, insbesondere Arb 10.944, SZ 70/52 uva); dabei müssen die Bestimmungsmerkmale der persönlichen Abhängigkeit nicht alle gemeinsam vorliegen, sondern können durchaus in unterschiedlicher Ausprägung gegeben sein, wenn sie nur insgesamt überwiegen. Beim freien Dienstvertrag hingegen wird die Arbeit ohne persönliche Abhängigkeit, weitgehend selbständig frei von Beschränkungen des persönlichen Verhaltens geleistet. Der freie Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, den Ablauf der Arbeit selbständig zu regeln und jederzeit zu ändern, sodass also keine persönliche Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit vorliegt (vgl DRdA 1999, 392 aaO mit Hinweis auf Arb 10.697 = ZAS 1988/11 und SZ 70/52). Die Klägerin sollte Büroarbeiten verrichten, lehnte ausdrücklich eine selbständige Tätigkeit ab, war in den Bürobetrieb eingegliedert und hatte grundsätzlich auch feste Arbeitszeiten einzuhalten. Dafür war ein regelmäßiges monatliches Entgelt vereinbart. Insgesamt sind bei ihr daher keine für das Vorliegen eines freien Dienstverhältnisses sprechende Merkmale ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 2 ASGG, 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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