OGH 2Ob148/01f

OGH2Ob148/01f21.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj Pirmin H*****, geboren am 1. Februar 1991, ***** vertreten durch Dr. Roger Haarmann und Dr. Bärbl Haarmann, Rechtsanwälte in Liezen, wider die beklagte Partei***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr. Helmut Valenta und Dr. Gerhard Gfrerer, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 150.000 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 3. April 2001, GZ 4 R 30/01m-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 29. Dezember 2000, GZ 26 Cg 251/99b-15, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S

8.370 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 1.395, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Gemäß § 510 Abs 3 ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die Eltern des am 1. 2. 1991 geborenen Klägers wurden am 28. 5. 1994 bei einem vom Lenker und Halter eines bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten Motorrades verschuldeten Verkehrsunfall getötet. Der Kläger ist seit seiner Geburt querschnittgelähmt. Nach dem Tod seiner Eltern fand er bei seinem Großvater und nach dessen Tod bei seiner Tante Aufnahme; dieser steht auch die Obsorge zu. Sie pflegt und erzieht ihn in ihrem Haus.

Zum Zeitpunkte des Unfalles wohnte der Kläger mit seinen Eltern im Haus des Großvaters in Altenmarkt. Seine Mutter war Hausfrau, sein Vater verdiente monatlich netto S 19.500. Die Tante hat für ihren Gatten und zwei Kinder zu sorgen, weshalb ihr eine Betreuung des Klägers nur in ihrem Haus in St. Gallen möglich ist. Die Tante ließ einen behindertengerechten Umbau ihres Hauses durchführen, was, da das Haus in einem hochwassergefährdeten Bereich steht, S 2,000.000 kostete. Nach dem normalen Lauf der Dinge hätten die Eltern etwa zum selben Zeitpunkt wie die Tante einen behindertengerechten Umbau des Hauses in Altenmarkt durchgeführt, was zumindest einen Aufwand in der Höhe des Klagsbetrages von S 150.000 erfordert hätte. Der Kläger erhielt von der beklagten Partei - ausgehend von einem fiktiven Lohn einer Wirtschafterin von S 19.931,26, einem fiktiven Unterhaltsbetrag des Vaters von S 2.370 und unter Anrechnung der Waisenrente - monatlich S 17.600 S.

Er begehrt die Zahlung von S 150.000 sA mit der Begründung, seine verunglückten Eltern hätten ihn im Rahmen ihrer Unterhaltsverpflichtung eine behindertengerechte Wohnmöglichkeit im Haus des Großvaters in Altenmarkt geschaffen. Nach deren Tod könne ihm eine solche bei einem Verbleib im Familienverband nur durch einen Ausbau des Wohnhauses der Tante geboten werden. Dieser Ausbau habe über S 2,000.000 gekostet.

Die beklagte Partei wendete ein, die Eltern des Klägers wären aufgrund des geringen Einkommens des Vaters nicht in der Lage gewesen, eine behindertengerechte, separierte Wohnmöglichkeit um den nun ausgegebenen Betrag zu finanzieren.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig.

Das Berufungsgericht führte aus, gemäß § 1327 ABGB sei im Falle der Tötung eines Menschen den Hinterbliebenen, für deren Unterhalt der Getötete nach dem Gesetz zu sorgen hatte, das, was ihnen dadurch entgangen sei, zu ersetzen. Der Hinterbliebene sei so zu stellen, wie er stünde, wenn der zum Unterhalt Verpflichtete nicht getötet worden wäre. Die Schadenersatzbemessung habe zunächst von den Verhältnissen zum Todeszeitpunkt auszugehen. Künftige Entwicklungen seien aber zu berücksichtigen. Der fiktive schädigungsfreie Verlauf sei den durch das schädigende Ereignis hervorgerufenen tatsächlichen Verhältnissen gegenüberzustellen. Die Verschaffung einer angemessenen Wohnung sei dem Begriff der Unterhaltsleistung zu unterstellen. Da Kinder einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch darauf hätten, von ihren Eltern gepflegt und erzogen zu werden, sei ihnen im Fall der Tötung der Eltern auch ein Anspruch auf Ersatz des durch den Entgang dieser Pflegeleistungen entstandenen Schadens zuzubilligen (EFSlg 36.211).

Im vorliegenden Fall hätten die Eltern nach dem normalen Lauf der Dinge eine der Behinderung des Klägers Rechnung tragende Wohnmöglichkeit im Hause des Großvaters in Altenmarkt geschaffen. Nach dem vom Versicherungsnehmer der beklagten Partei verschuldeten Tod der Eltern bestünden die Kosten der Deckung des Wohnbedarfes des Klägers aus den Errichtungskosten der zugebauten Wohnung auf der Liegenschaft in St. Gallen, weil der Kläger nach dem Tod seiner Eltern und seines Großvaters wegen der erforderlichen Pflege und Erziehung das Haus in Altenmarkt verlassen habe müssen. Da eine Betreuung des Klägers nur in einem Familienverband durch seine Tante in St. Gallen in Betracht komme, müsse er für die Beschaffung einer Wohnmöglichkeit Geld aufwenden; dieser Aufwand stelle einen Schadenersatzanspruch nach § 1327 ABGB dar. Der Umstand, dass das Familieneinkommen der getöteten Eltern ausgereicht hätte, die für einen behindertengerechten Ausbau des Hauses in Altenmarkt trotz Erbringung von Eigenleistungen und Inanspruchnahme der Hilfe von Verwandten und Nachbarn verbleibenden Kosten zumindest in der Höhe des Klagsbetrages aufzubringen, rechtfertige einen Zuspruch dieses Betrages.

Eine Anrechnung des Erbes des Klägers nach seinem Großvater komme nicht in Frage, weil auch sonstige freiwillige Zuwendungen Dritter an den Geschädigten dem Schädiger nicht zum Vorteil gereichen sollten (EFSlg 90.211).

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil die entscheidungswesentlichen Rechtsfragen im Zusammenhang mit § 1327 ABGB in einer Form an das Berufungsgericht herangetragen worden seien, für die es keine vergleichbaren Vorentscheidungen gebe. Die Lösung dieser Fragen gehe über den konkreten Rechtsstreit hinaus, weil die Kosten des Umbaus des Hauses der obsorgeberechtigten Person für den behinderten Kläger weit mehr als die eingeklagten S 150.000 betragen hätten.

Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise wird beantragt, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage - der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichtes ist nicht bindend - nicht zulässig.

Dass es zu der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsansicht Rechtsprechung gibt, ergibt sich aus dessen eigener Entscheidung, in der diese zitiert wurde. Dass die Kosten des Umbaus weit mehr als die eingeklagten S 150.000 ausgemacht haben, begründet keine erhebliche Rechtsfrage, weil diese weiteren Kosten nicht klagsgegenständlich sind.

Der vom Berufungsgericht für die Zulassung der ordentlichen Revision herangezogene Grund erfüllt sohin nicht die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO.

Aber auch in der Revision der beklagten Partei werden keine erheblichen Rechtsfragen geltend gemacht.

Insoweit in der Revision geltend gemacht wird, der Schluss des Berufungsgerichtes, dass das Familieneinkommen der getöteten Eltern ausgereicht hätte, die für den Ausbau des Hauses in Altenmarkt erforderlichen Kosten unter Einschränkung des Familieneinkommens zumindest in einer Höhe von S 150.000 aufzubringen, sei durch keine weiteren Feststellungen begründet, wird von den Feststellungen der Vorinstanzen abgegangen. Als erwiesen wurde nämlich angenommen, es wäre möglich gewesen, einen behindertengerechten Umbau des Hauses in Altenmarkt durchzuführen, was zumindest einen Aufwand in der Höhe des Klagsbetrages erfordert hätte.

Entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht, entspricht es auch

der Rechtsprechung, dass im Erbweg erworbenes Vermögen nicht als

Vorteil auf den Schadenersatzanspruch anzurechnen ist (EFSlg 90.211 =

ecolex 2000, 201 = ZVR 1999/127). Dass von der beklagten Partei keine

Zahlungen für die entgangene Wohnung geleistet wurden, ergibt sich aus deren Vorbringen im Verfahren erster Instanz.

Es ist auch nicht richtig, dass die nunmehrigen Baumaßnahmen einen mittelbaren Schaden der Tante darstellten. Vielmehr kann der Umstand, dass die Tante ihr Haus behindertengerecht umgestaltet hat, die beklagte Partei nicht entlasten, weil dies geschah, um dem Kläger, dem durch den Tod seiner Eltern (auch) der behindertengerechte Umbau seiner Wohnmöglichkeit im Hause der Großeltern entgangen ist, zu helfen, nicht aber, um den Schädiger bzw dessen Versicherung zu entlasten (s Reischauer in Rummel**2, ABGB, § 1312 Rz 9 mwN).

Die Revision der beklagten Partei war sohin wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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