OGH 3Ob140/01m

OGH3Ob140/01m20.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Maximilian Sampl, Rechtsanwalt in Schladming, gegen die beklagten Parteien 1) Wienczyslawa S***** und 2) Ing. Norbert S*****, beide vertreten durch Dr. Ulrike Ch. Walter, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unzulässigkeit einer Exekution sowie Erlöschens eines vollstreckbaren Räumungsanspruchs (Streitwert je 50.000 S) über die "außerordentliche Revision" der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 21. Dezember 2000, GZ 1 R 216/00g-60, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Schladming vom 26. Juni 2000, GZ 1 C 848/98x-45, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zur gesetzmäßigen Behandlung der "außerordentlichen Revision" zurückgestellt.

Text

Begründung

Die klagende Partei - eine Gesellschaft mbH - begehrte zunächst nur den Ausspruch, dass die Exekution durch zwangsweise Räumung eines Wohnungseigentumsobjekts, die den beklagten Parteien gegen eine Aktiengesellschaft als verpflichtete Partei bewilligt wurde, unzulässig sei, weil sie - die klagende Partei - zufolge eines Bestandvertrags mit der verpflichteten Partei und einer anderen Gesellschaft Mieterin des Wohnungseigentumsobjekts sei. Aufgrund einer späteren Klageänderung machte die klagende Partei überdies einen Oppositionsanspruch geltend und begehrte die "Einstellung der Exekution". Dazu brachte sie vor, dass seit dem 25. 3. 1999 nicht mehr die betreibenden Parteien, sondern ein Ferienclub Eigentümer des Wohnungseigentumsobjekts sei. Der Eigentümerwechsel habe einen "Wegfall der Sachbefugnis" der betreibenden Parteien bewirkt, sei doch deren Räumungsanspruch auf "den neuen Eigentümer" übergegangen.

Das Erstgericht wies beide Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 52.000 S, aber nicht 260.000 S übersteige und die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO - vorbehaltlich des § 508 ZPO - nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die "außerordentliche Revision" der klagenden Partei an den Obersten Gerichtshof. Dieses Rechtsmittel legte das Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.

Der erkennende Senat hat erwogen:

1. Die Geltendmachung eines Exszindierungs- und eines Oppositionsanspruchs in einem Verfahren ist, wie schon das Berufungsgericht erkannte, als objektive Klagenhäufung zu qualifizieren. Werden in einer Klage zwei oder mehrere Ansprüche geltend gemacht, so sind sie gemäß § 55 Abs 5 JN für die Beurteilung der Zulässigkeit von Rechtsmitteln jedenfalls dann nicht zusammenzurechnen, wenn jeder der Ansprüche unabhängig von den anderen besteht, also die Ansprüche - wie hier - weder aus (allen Ansprüchen) gemeinsamen Tatsachen noch aus einem gemeinsamen Rechtsgrund abgeleitet werden (Mayr in Rechberger, ZPO2 § 55 JN Rz 2 mN aus der Rsp). Somit ist den weiteren Erwägungen voranzustellen, dass der Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts so zu verstehen ist, dass der Wert jedes der geltend gemachten Ansprüche 52.000 S, aber nicht 260.000 S übersteigt.

2. Der Oberste Gerichtshof sprach bei Exszindierungsklagen gegen Räumungsexekutionen, die auf ein Bestandrecht gestützt wurden, schon wiederholt aus, dass die behauptete Unzulässigkeit einer bestimmten Exekution als Streitgegenstand der im Exszindierungsprozess zu lösenden Hauptfrage keine Rechtssache im Sinne des § 49 Abs 2 Z 5 JN ist, weil das Bestehen oder Nichtbestehen eines Bestandvertrags insofern bloß eine Vorfrage bildet. Solche Streitigkeiten seien daher nicht unter den Ausnahmetatbestand des § 502 Abs 3 Z 2 ZPO - nunmehr § 502 Abs 5 Z 2 ZPO idF WGN 1997 BGBl I 140 - zu subsumieren (3 Ob 152/97t; 3 Ob 5/97z; so etwa auch Kodek in Rechberger aaO § 502 Rz 2 ((ua unter Berufung auf die Entscheidung 3 Ob 5/97z)). Daran ist festzuhalten.

3. Der Oberste Gerichtshof erläuterte ferner am Beispiel einer Oppositionsklage, mit der das Erlöschen eines betriebenen Anspruchs auf Wiederherstellung des früheren Zustands einer Mietwohnung nach Auflösung des Bestandvertrags durch Untergang des Bestandobjekts geltend gemacht wurde, dass es sich dabei nicht um eine Streitigkeit gemäß § 502 Abs 3 Z 2 ZPO - nunmehr § 502 Abs 5 Z 2 ZPO idF WGN 1997 BGBl I 140 - handelt, bei der über das Bestehen oder Nichtbestehen des Bestandvertrages abgesprochen wird. Eine solche Streitigkeit setze vielmehr voraus, dass über die in § 502 Abs 3 - nunmehr § 502 Abs 5 ZPO - "genannten Streitsachen und Rechtsverhältnisse im Urteilsspruch" entschieden werde. Die Lösung einer solchen Frage als Vorfrage in den Entscheidungsgründen genüge nicht.

Hier ist das Bestehen oder Nichtbestehen eines Bestandvertrags bei der Entscheidung über den Oppositionsanspruch nicht einmal als Vorfrage zu beurteilen, ist doch nach dem behaupteten Klagegrund nur von Bedeutung, ob der vollstreckbare Räumungsanspruch auch nach Übertragung des Wohnungseigentums an einen Dritten weiterhin den betreibenden Parteien zusteht.

4. Gemäß § 505 Abs 4 ZPO kann eine außerordentliche Revision nach einem Ausspruch des Berufungsgerichts, dass die ordentliche Revision nicht nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig ist, nur in Streitigkeiten nach § 502 Abs 5 ZPO und in solchen, in denen der Entscheidungsgegenstand insgesamt 260.000 S übersteigt, erhoben werden. Vor dem Hintergrund des zweitinstanzlichen Bewertungsausspruchs und der voranstehend erörterten Rechtslage ist somit im Anlassfall nur die Einbringung eines Antrags an das Berufungsgericht gemäß § 508 Abs 1 ZPO verbunden mit einer ordentlichen Revision zulässig. Ein derartiger, mit einer ordentlichen Revision verbundener Antrag ist gemäß § 507b Abs 2 ZPO sofort dem Berufungsgericht vorzulegen, das über ihn nach § 508 Abs 3 oder 4 ZPO abzusprechen hat.

Nach den soeben behandelten gesetzlichen Bestimmungen widerspricht die direkte Vorlage der "außerordentlichen Revision" an den Obersten Gerichtshof der geltenden Rechtslage, ist doch der Oberste Gerichtshof derzeit nicht kompetent, über das Rechtsmittel der klagenden Partei zu entscheiden. Daran kann seine Bezeichnung als "außerordentliche Revision" nichts ändern. Die klagende Partei richtete ihr Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof und stellte deshalb keinen Antrag an das Berufungsgericht gemäß § 508 Abs 1 ZPO, den Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision abzuändern. Liege darin ein Mangel, könnte demgemäß § 84 Abs 3 ZPO im Rahmen eines Verbesserungsverfahrens abgeholfen werden. Ob ein solches Verfahren durchzuführen ist, bleibt der Beurteilung durch die Vorinstanzen vorbehalten. Das Erstgericht wird daher die "außerordentliche Revision" entweder sofort oder erst nach einem Verbesserungsverfahren dem Berufungsgericht vorzulegen haben.

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