OGH 10ObS158/01k

OGH10ObS158/01k12.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter OLWR Dr. Peter Hübner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Johann Holper (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Elisabeth T*****, Verkäuferin, *****, vertreten durch Mag. Markus Hager, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. März 2001, GZ 12 Rs 51/01h-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 5. Oktober 2000, GZ 19 Cgs 312/99x-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 5. 4. 1955 geborene Klägerin absolvierte von 1970 bis 1973 eine Einzelkauffraulehre, die sie mit der Kaufmannsgehilfenprüfung abgeschlossen hat. Anschließend war sie als Verkäuferin in verschiedenen Branchen tätig, kurzzeitig auch als Näherin, als Serviererin, als Arbeiterin in der Strickwarenerzeugung, als Hilfsarbeiterin in der Stempelerzeugung und in einer Schuhfabrik, als Buffetkraft sowie als Regalbetreuerin und Kassiererin in Parfümerieketten. Zuletzt war die Klägerin von Oktober 1996 bis August 1998 als Verkäuferin in einem großen Möbelhaus beschäftigt, in dem sie Wohn- und Schlafzimmer verkauft hat. Dabei musste sie Kunden beraten, ihnen Möbelstücke zeigen bzw anhand von Katalogen erklären. Zusätzlich fielen als Nebentätigkeit in verhältnismäßig geringem Ausmaß manuelle Arbeiten an (Abbauen von Möbeln). Kerntätigkeit war die Beratung von Kunden und der Verkauf inklusive des Verkaufsabschlusses mittels Vertragsformulars. Die Klägerin arbeitete als Teilzeitbeschäftigte durchschnittlich 25 Stunden pro Woche; fallweise musste sie länger arbeiten, wenn der Arbeitsanfall sehr groß war.

Die Klägerin ist nur mehr in der Lage, leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung zu verrichten. Bei vorwiegend sitzender Tätigkeit sollte diese etwa alle 45 Minuten, spätestens aber stündlich durch kurz dauerndes Aufstehen oder Herumgehen unterbrochen werden können. Arbeiten, die eine zwanghafte Beugehaltung des Kopfes über längere Zeit erfordern, und Arbeiten, die sehr langdauernd oder häufig in gebückter Körperhaltung zu verrichten sind, scheiden aus. Weiters scheiden alle Arbeiten aus, die eine volle Bewegung im Bereich des rechten Schultergelenks erfordern, da der Arm nur bis maximal 60 - 70 Grad vorwärts oder seitwärts gehoben werden kann. Zu vermeiden sind Arbeiten unter extremer Kälte- und Nässebelastung, Schicht-, Akkord- und Nachtarbeit, sonstige Arbeiten unter häufig erhöhtem Zeitdruck sowie Arbeiten, die mit intensivem Parteien- und Kundenverkehr verbunden sind.

Die Klägerin ist nicht umschulbar, sondern nur anlernbar und unterweisbar. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Verkäuferin ist der Klägerin nicht mehr möglich. Sie kann jedoch ganz einfache Angestelltentätigkeiten, die nur einer kurzen Einarbeitung bedürfen, ausüben, so beispielsweise Tätigkeiten in einer Poststelle (Bearbeitung der ein- und ausgehenden Post inklusive der einfachen Verwaltungsarbeiten), Bürohilfstätigkeiten in Liegenschaftsverwaltungen und einfache Verwaltungstätigkeiten, wie sie im Kanzleidienst vorkommen.

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 27. 9. 1999 wurde der Antrag der Klägerin vom 29. 4. 1999 auf Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension abgelehnt.

Das Erstgericht wies das dagegen erhobene, auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension (ab 1. 5. 1999) gerichtete Klagebegehren mangels Berufsunfähigkeit der Klägerin ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sah die behauptete Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahens nicht als gegeben an und verwarf die Rechtsrüge. Die einfachen Angestelltentätigkeiten der Beschäftigungsgruppe 2 des Kollektivvertrags für die Handelsangestellten, auf die die Klägerin nach ihrem Leistungskalkül noch verwiesen werden könne, seien nicht mit einem unzumutbaren sozialen Abstieg verbunden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die unbeantwortete Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Klagsstattgebung.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin steht weiterhin auf dem Standpunkt, im Hinblick auf die abgeschlossene kaufmännische Lehre nicht auf "Tätigkeiten einfachster Natur, für welche grundsätzlich keine Qualifizierung oder Ausbildung erforderlich ist, und die keinerlei Anforderung an eine Eigenverantwortung und auch nur geringstes Maß an selbständiges Handeln stellen" verwiesen werden zu können. Diese Tätigkeiten würden in die Beschäftigungsgruppe I des Kollektivvertrags fallen, und außerdem würde die Klägerin durch solche "ganz einfache" Tätigkeiten ihren Berufsschutz verlieren.

Dieser Ansicht vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen.

Wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, stellt die Pensionsversicherung der Angestellten eine Berufs(gruppen)versicherung dar, deren Leistungen einsetzen, wenn der Versicherte in Folge seines körperlichen und/oder geistigen Zustandes einen Beruf seiner Berufsgruppe nicht mehr ausüben kann; dabei ist von jenem Angestelltenberuf auszugehen, den der Versicherte zuletzt ausgeübt hat. Dieser Beruf bestimmt das Verweisungsfeld, also die Summe aller Berufe, die derselben Berufsgruppe zuzurechnen sind, weil sie eine ähnliche Ausbildung und gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten verlangen (SSV-NF 2/92; RIS-Justiz RS084904). Die Verweisung einer in der Beschäftigungsgruppe 3 des Kollektivvertrags für die Handelsangestellten tätig gewesenen Angestellten auf Tätigkeiten der Beschäftigungsgruppe 2 bedeutet nach ständiger Rechtsprechung keinen unzumutbaren sozialen Abstieg, auch wenn es sich dabei um Arbeiten mit weniger Eigenveranwortung handelt. Gewisse Einbußen an Entlohnung und sozialem Prestige muss ein Versicherter hinnehmen (RIS-Justiz RS0085599). Ausgeschlossen ist allerdings eine Verweisung auf Tätigkeiten, durch deren Ausübung der Versicherte den Berufsschutz nach § 273 ASVG verlieren würde (RIS-Justiz RS0084837), so bei einer Verweisung auf einfache Arbeitertätigkeiten (10 ObS 101/95). Eine Verweisung eines Einzelhandelskaufmanns auf einfache Tätigkeiten im Büro und Rechnungswesen wurde demgegenüber für zulässig erachtet (10 ObS 87/89).

Die Beschäftigungsgruppe 2 des Kollektivvertrags für Handelsangestellte umfasst "Angestellte, die einfache Tätigkeiten ausführen", wobei beispielhaft unter anderem Angestellte mit einfacher Tätigkeit in der Buchhaltung etc sowie Hilfskräfte in der Datenverarbeitung angeführt werden. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Klägerin zuletzt in die Beschäftigungsgruppe 3 des Kollektivvertrags für Handelsangestellte einzureihen gewesen wäre, ist die Verrichtung von Angestelltentätigkeiten der Beschäftigungsgruppe 2 nicht mit einem unzumutbaren sozialen Abstieg verbunden; die Klägerin verliert dadurch auch nicht ihren Berufsschutz nach § 273 ASVG. Eine Einstufung in die Beschäftigungsgruppe 1 kommt nach dem Kollektivvertrag nur für längstens drei Jahre in Betracht; danach müsste die Einstufung in die Beschäftigungsgruppen 2 - 6 erfolgen. Es kann also keine Rede davon sein, dass "ganz einfache Angestelltentätigkeiten" ohne Qualifizierung generell in die kollektivvertragliche Beschäftigungsgruppe 1 fallen würden. Von den weiteren Vorinstanzen wird im übrigen der Begriff der "ganz einfach Angestelltentätigkeiten" auf der Grundlage des berufskundigen Gutachtens durch die Benennung von konkreten - Beschäftigungsgruppe 2 zuzuordnen - Arbeiten näher ausgefüllt.

Mit den weiteren Ausführungen zur Frage, ob sie in der Lage ist, die von den Vorinstanzen angeführten Verweisungstätigkeiten auszuüben, entfernt sich die Klägerin von den für das Höchstgericht bindenden Feststellungen der Vorinstanzen.

Der Revision war damit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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