OGH 4Ob131/01w

OGH4Ob131/01w12.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien

1. Hans D*****, 2. K***** KG., *****, beide vertreten durch Dr. Gottfried Korn und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei "D*****Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Heinrich Kammerlander und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen Unterlassung, Widerruf und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 500.000 S), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 4. April 2001, GZ 5 R 37/01z-10, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Parteien wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Wesen der (mit der Satire eng verwandten) Karikatur besteht in der bildlichen und/oder wörtlichen Verzerrung und Übertreibung der Wirklichkeit zum Zweck der Geißelung oder Rüge von Missständen. Traditionell sind Karikaturen und Satiren in ihrer äußeren Darbietung meist frech, frivol oder auch schamlos, somit häufig beleidigend oder herabsetzend. Um sie im Konflikt mit Rechtsverletzungen gegen andere Rechtsgüter zu beurteilen, bedarf es zunächst ihrer Entzerrung und damit der Gewinnung des "Aussagekerns", welcher in erster Linie auf seine Verletzungseignung zu untersuchen ist. Erst dann ist auch die satirische oder karikaturistische Einkleidung der Aussage daraufhin zu überprüfen, ob sie sich im Rahmen des dieser Kunstform "Erlaubten" gehalten oder andere Rechtsgüter, wie etwa die Ehre des Karikierten, verletzt hat. Dabei sind an die Beurteilung der Form (der Verfremdung, der Verzerrung) iS der Kunstfreiheit nicht allzu strenge Maßstäbe anzulegen, so dass erst die Verletzung des Kerns der menschlichen Ehre, der Menschenwürde oder des gesamten öffentlichen Ansehens einer Person der äußeren Form "Satire oder Karikatur" jedenfalls Grenzen setzt, nicht aber schon jede, wenn auch sonst (außerhalb der Beurteilung der Kunstfreiheit) beleidigende Bezeichnung oder Darstellung (MR 1992, 19 = ÖBl 1992, 49 - Schweinchen-Karikatur; MR 1999, 148 - Köpfe rollen [Korn]).

Die angefochtene Entscheidung wendet diese Rechtsprechung zutreffend auf den Einzelfall an, wenn sie die beanstandete Karikatur nach ihrem Gesamteindruck dahin beurteilt, sie biete nicht den geringsten Hinweis auf kriminelle oder verbrecherische Machenschaften des abgebildeten Erstklägers oder der Zweitklägerin. Die von den Rechtsmittelwerbern zum Beleg dafür angeführte Rechtsprechung, wonach der Vorwurf, einer Mafia-Organisation zu gleichen, eine ehrenrührige und kreditschädigende Tatsachenmitteilung sei, betraf jeweils keine Karikaturen; auch übergehen die Kläger in diesem Zusammenhang, dass die abgebildete Schlagzeile mit den Worten "K*****-Mafia" als - die Gesamtaussage der Karikatur unterstreichende - Anspielung auf ein nur wenige Tage zuvor veröffentlichtes Titelblatt der Zeitung der Zweitklägerin zu verstehen ist, das den Begriff "Ost-Mafia" enthalten hat.

Soweit die Kläger darauf verweisen, dass ein unbefangener Leser gar nicht wisse, was er mit der Karikatur anfangen solle, folgt daraus nur, dass für solche Personen auch kein ehrenrühriger oder kreditschädigender Sinngehalt erkennbar ist. Wird hingegen auf das Verständnis eines mit Vorwissen ausgestatteten Lesers abgestellt, so wird dieser aus dem ihm bekannten Zusammenhang den beabsichtigten Aussagekern der Karikatur erkennen und den verwendeten Ausdruck keinesfalls wörtlich nehmen, sondern ihn als (in dieser Kunstgattung zulässiges) Stilmittel der Übertreibung und satirischen Überhöhung verstehen.

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Stichworte