OGH 10ObS126/01d

OGH10ObS126/01d12.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Hübner und Dr. Michael Braun (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Anton B*****, Pensionist, Pflegeheim B*****, vertreten durch den Sachwalter Mag. Gernot Faber, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1031 Wien, Ghegastraße 1, vertreten durch Dr. Christian Preschitz und Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Pflegegeld, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Dezember 2000, GZ 7 Rs 268/00h-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 3. April 2000, GZ 6 Cgs 267/99t-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das im Umfang des Zuspruches eines Pflegegeldes in Höhe der Stufe 2 vom 1. 4. 1999 bis einschließlich 31. 12. 1999 und ein solches der Stufe 3 ab 1. 1. 2000 sowie des Ausspruches über das Ruhen des Pflegegeldes für die Zeit vom 1. 4. 1999 bis 13. 4. 1999 als unangefochten unberührt bleibt, wird im Übrigen (mit Ausnahme der Kostenentscheidung), also hinsichtlich des Begehrens auf Pflegegeld in Höhe der Differenz zwischen den Stufen 2 und 3 für die Zeit vom 1. 4. 1999 bis einschließlich 31. 12. 1999 aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sozialrechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten der Revisionsbeantwortung sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 1. 7. 1999 wurde dem Kläger auf Grund seines Antrages vom 24. 3. 1999 ab 1. 4. 1999 ein Pflegegeld der Stufe 2 gewährt. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass der Anspruch des Klägers auf Pflegegeld wegen eines stationären Krankenhausaufenthaltes in der Zeit vom 1. 4. 1999 bis 13. 4. 1999 ruht.

Mit der gegen diesen Bescheid gerichteten und mit Beschluss des Bezirksgerichtes Neulengbach vom 26. 8. 1999, 1 P 107/99s-72, sachwaltergerichtlich genehmigten Klage stellte der Kläger das Begehren auf Zuerkennung des Pflegegeldes in der gesetzlichen Höhe, mindestens aber im Ausmaß der Stufe 3, ab Antragstellung.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, dem Kläger ein höheres Pflegegeld als jenes der Stufe 2 zu gewähren, ab. Es stellte fest, dass der Kläger am 23. 4. 1999 von der Landesnervenklinik G***** in ein psychiatrisches Pflegeheim in N***** überstellt wurde, wo er seither als "Selbstzahler" untergebracht ist. Der Kläger benötigt auf Grund der näher beschriebenen Leidenszustände fremde Hilfe bei der täglichen Körperpflege, beim Zubereiten von Mahlzeiten, bei der Verrichtung der Notdurft, beim An- und Auskleiden, bei der Einnahme von Medikamenten, der Herbeischaffung von Nahrungsmitteln, Medikamenten und Bedarfsgütern des täglichen Lebens, der Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände sowie bei der Pflege seiner Leib- und Bettwäsche. Darüber hinaus ist für den Kläger eine Mobilitätshilfe im weiteren Sinn erforderlich.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Ansicht, dass beim Kläger ein monatlicher Pflegebedarf von insgesamt 88 Stunden (für die Hilfe bei der täglichen Körperpflege, bei der Verrichtung der Notdurft, beim An- und Auskleiden und bei der Einnahme von Medikamenten sowie für die Mobilitätshilfe im weiteren Sinn) bestehe. Für die weiters erforderliche Hilfe bei der Zubereitung von Mahlzeiten, der Herbeischaffung von Nahrungsmitteln, Medikamenten und Bedarfsgütern des täglichen Lebens, der Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände sowie für die Pflege der Leib- und Bettwäsche würde ein weiterer Pflegebedarf von 60 Stunden monatlich bestehen, welcher jedoch im Hinblick auf die Unterbringung des Klägers in einem Pflegeheim nicht zu berücksichtigen sei. Der Kläger habe daher nur Anspruch auf das bereits bescheidmäßig zuerkannte Pflegegeld der Stufe 2.

Das Berufungsgericht gab der vom Kläger erhobenen Berufung Folge und erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger ab 1. 4. 1999 Pflegegeld der Stufe 3 in der Höhe von S 5.690 monatlich abzüglich der bereits erbrachten Leistungen der Pflegegeldstufe 2 in Höhe von S

3.688 monatlich zu gewähren. Weiters wurde ausgesprochen, dass der Anspruch des Klägers auf Pflegegeld für die Zeit vom 1. 4. 1999 bis 13. 4. 1999 ruht. Nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes sei bei der Bemessung des Pflegebedarfes auch der Pflegebedarf für die für den Kläger im Rahmen der Heimunterbringung erbrachten Betreuungs- und Hilfsverrichtungen (Zubereitung der Mahlzeiten, Herbeischaffung von Nahrungsmitteln, Medikamenten und Bedarfsgütern des täglichen Lebens, Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände sowie Pflege der Leib- und Bettwäsche) zu berücksichtigen. Da damit der Pflegebedarf des Klägers jedenfalls mehr als 120 Stunden monatlich betrage, gebühre dem Kläger Pflegegeld der Stufe 3.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Kläger für den Zeitraum vom 1. 4. 1999 bis einschließlich 19. (gemeint: 31.) 12. 1999 lediglich Pflegegeld der Stufe 2 und erst ab 1. 1. 2000 Pflegegeld der Stufe 3 zuerkannt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Die beklagte Partei bekämpft in ihren Revisionsausführungen nicht die Richtigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, wonach auch im Hinblick auf die Unterbringung des Klägers in einem Pflegeheim die für die Zubereitung der Mahlzeiten, die Herbeischaffung von Nahrungsmitteln, Medikamenten und Bedarfsgütern des täglichen Lebens, die Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände sowie die Pflege der Leib- und Bettwäsche erforderliche fremde Hilfe bei der Bemessung des Pflegebedarfes zu berücksichtigen ist und der Pflegebedarf des Klägers daher grundsätzlich den Zuspruch eines Pflegegeldes der Stufe 3 rechtfertigt. Die beklagte Partei rügt allerdings mit Recht das Fehlen von Feststellungen darüber, seit welchem Zeitpunkt ein Pflegebedarf des Klägers in dem vom Erstgericht festgestellten Ausmaß besteht. Sie leitet aus den Ausführungen der gerichtsärztlichen Sachverständigen in ihrem Gutachten (ON 6) ab, dass das vom Erstgericht auf Grund der Ergebnisse dieses Gutachtens festgestellte Ausmaß des Pflegebedarfes des Klägers erst seit der im Rahmen eines Hausbesuches der Sachverständigen am 20. 12. 1999 erfolgten Untersuchung des Klägers vorliege. Ein Anspruch des Klägers auf Pflegegeld der Stufe 3 sei somit erst ab dem 1. 1. 2000 gerechtfertigt, während der Pflegebedarf des Klägers vor diesem Zeitpunkt nicht mehr als 120 Stunden monatlich betragen habe.

Da nach den bisherigen Feststellungen sich nicht beurteilen lässt, ob der vom Erstgericht festgestellte Pflegebedarf des Klägers auch bereits in dem noch strittigen Zeitraum vom 1. 4. 1999 bis 31. 12. 1999 vorgelegen ist und damit auch für diesen Zeitraum Anspruch auf Stufe 3 des Pflegegeldes besteht, war das angefochtene Urteil in diesem Umfang aufzuheben und die Sozialrechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Abschließend ist zu der in der Revisionsbeantwortung des Klägers relevierten Frage eines möglichen Hilfsbedarfes für die Beheizung des Wohnraumes einschließlich der Herbeischaffung von Heizmaterial noch zu bemerken, dass entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung sehr wohl an Hand der konkreten Wohn-Situation beurteilt werden muss, ob die betreffende Hilfsverrichtung erforderlich ist (Pfeil, Pflegevorsorge 188 f, und BPGG, 89 mwN; SSV-NF 9/83 ua). Bei Unterbringung eines Pflegebedürftigen in einer Landesnervenklinik oder in einem Pflegeheim ist davon auszugehen, dass der Pflegebedürftige diese Verrichtungen nicht vornehmen muss, sodass ein diesbezüglicher Hilfsbedarf für die Beheizung des Wohnraumes einschließlich der Herbeischaffung von Heizmaterial von den Vorinstanzen daher schon aus diesem Grund zu Recht nicht berücksichtigt wurde (vgl 10 ObS 24/99y; 10 ObS 405/98a mwN ua).

Da der Kläger im Verfahren vor dem Erstgericht und vor dem Berufungsgericht zumindest mit einem Teil seines Begehrens rechtskräftig durchgedrungen ist, hat er nach § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG Anspruch auf Kostenersatz; die Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes bleibt daher durch die vorliegende Aufhebung unberührt. Die Kostenentscheidung des Revisionsgerichtes stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.

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