Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt,
I in der Unterlassung des Ausspruches, dass bei Begehung der unter den Schuldspruchsfakten A./ 2.) a) und b) beschriebenen Taten, auf frischer Tat betreten, Gewalt gegen eine Person angewendet wurde, um sich die weggenommene Sache zu erhalten, somit in der unterbliebenen Unterstellung des Verbrechens des Diebstahls auch unter § 131 StGB,
II demnach auch in den Schuldsprüchen B./ a) und b) wegen der Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB,
III weiters im Strafausspruch aufgehoben, und IV die Sache im Umfang dieser Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Antal Laszlo M***** wurde (teilweise abweichend von der Anklage) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 erster Fall und 15 StGB (A./) und der Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (B./a) und b)) sowie der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB (C./) schuldig erkannt.
Danach hat er in Wien
zu A./ mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen in einem 25.000,-- S übersteigenden Wert Verfügungsberechtigten nachgenannter Geschäfte
1.) weggenommen, und zwar Mitte Juli 1998 zum Nachteil der D*****, zwei Lippenstifte im Gesamtwert von 440,-- S;
2.) wegzunehmen versucht, und zwar
a) am 17. Juli 1998 zum Nachteil der D*****, einen Lippenstift im Wert von 220,-- S;
b) am 25. Oktober 2000 zum Nachteil der Firma V*****, zwei Packungen CDs im Gesamtwert von 3.198,-- S;
c) am 13. Dezember 2000 zum Nachteil des Antiquariats H*****, eine Bibel im Wert von 30.000,-- S;
zu B./ nachgenannte Berufsdetektive mit Gewalt zur Abstandnahme von seiner Anhaltung zu nötigen versucht, und zwar
a) am 17. Juli 1998 Barbara K*****, nachdem diese ihn bei dem unter A./2.) a) angeführten Diebstahl betreten hatte, wobei er die Hände der Genannten ergriff und diese mit einer Drehbewegung gewaltsam von seinen Kleidern entfernte, damit sie ihn nicht weiter festhalten konnte;
b) am 25. Oktober 2000 Martin Z*****, nachdem dieser ihn bei dem unter A./ 2.)b) angeführten Diebstahl betreten hatte, wobei er dem Genannten einen Stoß versetzte;
zu C./ am 17. Juli 1998 einen durch Einkleben seines Lichtbildes verfälschten ungarischen Reisepass, lautend auf Vilmos Joszef T*****, sohin eine ausländische öffentliche Urkunde, die durch Gesetz inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt ist, im Rechtsverkehr zum Beweis seiner Legitimation gebraucht.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil bekämpft die Staatsanwaltschaft insoweit, als die versuchten Diebstähle zum Nachteil der Firmen D***** am 17. Juli 1998 und V***** am 25. Oktober 2000 mit anschließender Gewaltanwendung gegen einschreitende Detektive (Schuldspruchpunkte A. /2.)a) und b), B./a) und b)) abweichend von der schriftlichen Anklage nicht als räuberische Diebstähle qualifiziert wurden, mit auf die Z 10 (in eventu Z 5) und Z 7 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung nicht abgesprochen werden kann.
Mit der (eventualiter ausgeführten) Mängelrüge (Z 5) macht die Beschwerdeführerin nämlich zutreffend Undeutlichkeiten der Feststellungen zur subjektiven Tatseite geltend. So lässt die Konstatierung einer "zwar im Bewusstsein, noch im Besitz des Diebsgutes zu sein, jedoch in der primären Absicht, seiner Verhaftung zu entgehen" (US 7) erfolgten Gewaltanwendung gegen die Detektivin zu A./2.)a) iVm B./a) offen, welches weitere (sekundäre) Ziel der Beschwerdeführer mit seinen Tätlichkeiten verfolgte. Keinesfalls wird dadurch eine auch auf Erhaltung des Diebsgutes gerichtete Absicht mit hinreichender Deutlichkeit ausgeschlossen.
Die Feststellung, dem Beschwerdeführer ginge es bei der Gewaltanwendung zu A./2.)b) iVm B./b) "in erster Linie wieder darum, zu flüchten und einer Verhaftung zu entgehen" (US 8), lässt neuerlich weitere ("in zweiter Linie") von der deliktischen Absicht getragene Ziele im Unklaren und entbehrt damit der zur Begründung des Schuldspruches notwendigen Deutlichkeit. Die im Zusammenhang damit getroffene Konstatierung, der Angeklagte hätte bei der inkriminierten, im Bewusstsein des Besitzes der gestohlenen CDs erfolgten Gewaltanwendung "nicht in der Absicht gehandelt, sich diese (Beute) zu erhalten, sondern war dies lediglich von seinem Vorsatz miterfasst" (US 8), reicht fallbezogen zur Klarstellung nicht aus, weil die Tatrichter im Rahmen der Beweiswürdigung (US 10) erneut betonten, dass der Angeklagte bloß "in erster Linie" die Flucht und nicht die Erhaltung der vergleichsweise geringwertigen Gegenstände anstrebte, wonach sie eine auch darauf "in zweiter Linie" gerichtete Zielsetzung nicht ausgeschlossen haben.
Der Mängelrüge zur subjektiven Tatseite betreffend eine räuberische Tatbegehung war daher zufolge der aufgezeigten Undeutlichkeiten stattzugeben, jedoch nicht gemäß dem Rechtsmittelantrag der gesamte Schuldspruch wegen Verbrechens des Diebstahls aufzuheben (der sonst unbekämpft blieb), sondern im Sinne der Beschwerdeausführungen bloß das Unterbleiben des Ausspruchs der räuberischen Tatbegehung und somit auch der weiteren Unterstellung des Diebstahlsverbrechens unter § 131 erster Fall StGB, demzufolge die damit im Zusammenhang stehende Verurteilung wegen des mehrfach begangenen Vergehens der versuchten Nötigung, und schließlich auch der Strafausspruch.
Im zweiten Rechtsgang werden nicht nur deutliche Feststellungen zur Frage etwaiger räuberischer Tatbegehung zu treffen, sondern auch - im Falle einer neuerlichen Ablehnung eines räuberischen Diebstahls - bei der rechtlichen Beurteilung darauf zu achten sein, dass die vom Erstgericht vertretene - von der Nichtigkeitsbeschwerde ebenfalls zutreffend gerügte - Rechtsansicht, die aus der Gewaltanwendung gegen Barbara K***** resultierende leichte Verletzung im Sinn des § 83 Abs 1 StGB sei vom Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 StGB konsumiert, (ohne Begründung) von der ständigen Rechtsprechung abweicht, wonach echte Konkurrenz zwischen Nötigung und einer dadurch hervorgerufenen leichten Körperverletzung vorliegt, während Konsumtion nur bei jenen Delikten gilt, bei denen die schwere Körperverletzung eine Erfolgsqualifikation bildet, was bei Nötigung nicht der Fall ist (Ratz in WK2 Vorbem §§ 28 - 31 Rz 61 ff; s auch WK2 § 105 Rz 100 und die dazu zitierte Rechtsprechung).
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