Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 15.255 S (darin 2.542,50 S USt) bestimmten Kosten ihrer Rechtsmittelgegenschrift binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die Eventualanträge, der Oberste Gerichtshof möge ein Vorabentscheidungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof einleiten oder dem Erstgericht die Einleitung eines solchen Verfahrens auftragen, werden zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der Kläger begehrt das Urteil,
1) der beklagte Staat sei schuldig, jegliche Boykottaufrufe und ähnliche Maßnahmen, die geeignet sind, den Geschäftsgang des Klägers auf dem österreichischen Markt zu beeinträchtigen, zu unterlassen;
2) der beklagte Staat sei schuldig, in Hinkunft die Beschlussfassung über Sanktionen mit dem Inhalt
a) mit einer so zusammengesetzten österreichischen Bundesregierung keine offiziellen (bilateralen) diplomatischen Kontakte auf politischer Ebene mehr zu unterhalten;
b) österreichische Kandidaten in Auswahlverfahren für Posten in internationalen Organisationen nicht mehr zu unterstützen;
c) österreichische Botschafter nicht mehr auf politischer (Ministerkontakte), sondern nur mehr auf technischer (Beamtenkontakte) Ebene empfangen zu wollen; darüberhinaus werde es mit Österreich kein "business as usual" in den bilateralen völkerrechtlichen Beziehungen geben,
oder ähnlich gelagerte Handlungen, welche geeignet sind, den Geschäftsgang des Klägers auf dem österreichischen Markt zu beeinträchtigen, zu unterlassen;
3) der beklagte Staat sei schuldig, dem Kläger 24.000 S sA zu zahlen;
4) es werde zugunsten des Klägers gegenüber dem beklagten Staat festgestellt, dass dieser dem Kläger für alle ihm zukünftig entstehenden Schäden auf dem österreichischen Markt aus der rechtswidrigen und auch den Kläger diskriminierenden Erlassung und Veröffentlichung der sogenannten ,EU-Sanktionen" sowie aus den Boykottaufrufen vom Februar 2000 gegen die österreichische Wirtschaft hafte und diese dem Kläger gegenüber zu ersetzen habe.
Aus Anlass der Bildung der gegenwärtigen österreichischen Regierung hätten die restlichen 14 EU-Staaten, darunter auch der beklagte Staat, bilaterale Abkommen getroffen und damit beschlossen, für den Fall der Beteiligung der FPÖ an der Regierung mit einer so zusammengesetzten österreichischen Bundesregierung keine offiziellen (bilateralen) diplomatischen Kontakte auf politischer Ebene mehr zu unterhalten, österreichische Kandidaten in Auswahlverfahren für Posten in internationalen Organisationen nicht mehr zu unterstützen und österreichische Botschafter nicht mehr auf politischer Ebene (Ministerkontakte), sondern nur mehr auf technischer Ebene (Beamtenkontakte) empfangen zu wollen, darüberhinaus werde es mit Österreich kein "business as usual" in den bilateralen völkerrechtlichen Beziehungen geben. Diese gemeinsame bilaterale Vorgangsweise (in der Folge: Sanktionen), an welcher der beklagte Staat führend beteiligt gewesen sei, sei vom Ministerpräsidenten von P*****, welcher Staat damals den EU-Vorsitz innegehabt habe, bekannt gegeben worden. Der beklagte Staat sei über die Sanktionen insofern noch hinausgegangen, als sein Außenminister über die Medien zum Boykott der österreichischen Wirtschaft aufgefordert habe. Tatsächlich seien von öffentlicher Seite des beklagten Staates, sowohl von seinen Vertretern, als auch von Kommunen, weitere Maßnahmen ergriffen worden, die in Richtung eines Boykotts der gesamten österreichischen Wirtschaft gegangen seien. So sei ausdrücklich dazu aufgefordert worden, österreichische Vertreter nicht an der Tourismusmesse in Brüssel teilnehmen zu lassen, auch sei ein "Taxiboykott" für Österreich ausgerufen worden. Diese Maßnahmen hätten in Österreich tatsächlich zu wirtschaftlichen Schäden geführt, die auch den Kläger beträfen, weil weniger Mandate von ausländischen Mandanten erteilt würden; eine weitere Benachteiligung des Klägers sei auch für die Zukunft zu befürchten. Als Präventionsmaßnahme habe der Kläger ein in Wien durchgeführtes Seminar besucht, bei dem der Umgang mit ausländischen Geschäftspartnern im Umfeld der Sanktionen behandelt worden sei. Die Kosten dieses Seminares von 4.000 S und den durch den Besuch des Seminars entstandenen Verdienstentgang von 20.000 S begehre der Kläger aus dem Titel des Schadenersatzes. Die Sanktionen seien unerlaubte Maßnahmen gegenüber dem Kläger als Bürger eines Mitgliedstaates und begründeten unmittelbar zu dessen Gunsten einen Anspruch auf Beseitigung, Unterlassung und Schadenersatz. Der beklagte Staat verstoße gegen Gemeinschaftsrecht, insbesondere die Artikel 6, 30 ff, 59 ff und 85 EG. Vor allem nach Artikel 59 ff EG sei jede staatliche Maßnahme von den anderen Mitgliedstaaten zu unterlassen, die geeignet seien, den Kläger zu diskriminieren und in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zu benachteiligen oder zu beschränken. Der Kläger stütze seine Ansprüche auch auf § 1 UWG, weil der beklagte Staat durch Boykottaufrufe, aber auch durch gemeinsames Vorgehen mehrerer Mitbewerber zur Behinderung der wirtschaftlichen Aktivitäten eines anderen Mitbewerbers auf sittenwidrige und unlautere Weise in den Wettbewerb eingegriffen habe. Sowohl bei den Boykottaufrufen als auch bei den Sanktionen handle es sich nicht um Hoheitsakte, sondern um bloße Wettbewerbshandlungen, die auch auf die Marktverhältnisse Einfluss nehmen wollten. Auf innen- und außenpolitische Gründe komme es dabei nicht an. Nach dem Völkerrecht seien Aktivitäten eines Staates außerhalb seines Staatsgebietes nicht als Hoheitsakte zu beurteilen. Das Vorgehen der Beklagten bedeute eine Herabwürdigung und Diffamierung der gesamten österreichischen Bevölkerung und erfülle den Tatbestand des § 7 UWG sowie des § 1330 ABGB. Eine die Klageführung verhindernde Immunität des beklagten Staates liege nicht vor, weil sowohl die Boykottaufrufe als auch der Sanktionsbeschluss und dessen Veröffentlichung keine Hoheitsakte seien. Auch bestimme Artikel 11 des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität vom 16. Mai 1972, BGBl 1976/432 (EuÜStI), dass keine Immunität der Gerichtsbarkeit für einen Vertragsstaat bestehe, wenn das Verfahren den Ersatz eines Sachschadens betreffe, das schädigende Ereignis im Gerichtsstaat eingetreten sei und der Schädiger sich bei Eintritt des Ereignisses in diesem Staat aufgehalten habe. Die ständige Vertretung des beklagten Staates, nämlich seine Botschaft, habe sich bei Eintritt des schädigenden Ereignisses, das über mehrere Monate hinweg angedauert habe, in Österreich aufgehalten und die rechtswidrigen Maßnahmen aktiv im Inland und vom Inland aus in die gesamte Welt verfolgt, sie habe darüber hinaus den beklagten Staat unrichtig über die Situation in Österreich informiert. Hätte die Botschaft des beklagten Staates in Österreich die Situation (insbesondere im Hinblick auf die Minderheitenpolitik und Fremdenpolitik) objektiv dargestellt, hätte das beklagte Land die Sanktionen nicht verhängt und auch keine Boykottaufrufe gegen die österreichische Wirtschaft erlassen. Die Mitgliedstaaten hätten - wie sich aus Artikel 5 EG und der darauf aufbauenden Rechtsprechung des EuGH im EG-Vertrag ergäbe - teilweise auf ihre Souveränität und Immunität verzichtet, dies insbesondere für Ansprüche Einzelner aus der Verletzung des EG-Vertrages. Die Ansprüche des Klägers seien eine Zivilsache iSd Artikel 1 LGVÜ; eine solche liege nach der Rechtsprechung des EuGH selbst bei hoheitlichem Handeln dann vor, wenn dieses Handeln auch von einem Privaten vorgenommen werden könne; nur dann, wenn sich der Staat solcher Mittel bediene, die privat nicht zur Verfügung stünden, handle es sich um keine Zivilsache. Da auch Private zum Boykott aufrufen könnten, sei es dem beklagten Staat vewehrt, sich auf Immunität zu berufen. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Erstgerichts ergebe sich aus Artikel 5 Z 3 LGVÜ, der sowohl Ansprüche aus Verletzung des Artikel 5 EG als auch aus Verletzungen des UWG und des Kartellrechts zum Gegenstand habe.
Der beklagte Staat teilte nach Zustellung der Klage mit, sich auf seine Immunität zu berufen und sich in Bezug auf den Rechtsstreit nicht der Jurisdiktion eines österreichischen Gerichts zu unterwerfen. Nach Art 15 EuÜStI könne ein Vertragsstaat vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaates Immunität von der Gerichtsbarkeit beanspruchen, wenn das Verfahren - wie hier - nicht unter die Artikel 1 bis 14 EuÜStI falle. Auch ohne dieses Übereinkommen läge die inländische Gerichtsbarkeit nicht vor, weil es sich bei den vom Kläger als anspruchsbegründend vorgebrachten Tatsachen um acta iure imperii des beklagten Landes handle, die schon nach den allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechtes der inländischen Gerichtsbarkeit entzogen seien. Die Klage sei daher zurückzuweisen.
Das Erstgericht sprach aus, dass es unzuständig und das bisherige Verfahren nichtig sei. Es liege kein Verfahren vor, dass unter die Artikel 1 bis 14 EuÜStI falle, dem Österreich und der beklagte Staat angehörten. Davon abgesehen leite der Kläger seine Ansprüche nicht aus Privatrechtsakten des beklagten Staates ab, was Voraussetzung für eine Ausnahme von dessen Immunität wäre. Der Kläger könne sich auch nicht auf den EG-Vertrag stützen. Der EuGH lasse zwar Staatshaftungsansprüche unter der Voraussetzung zu, dass ein Mitgliedstaat seinen Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag nicht nachkomme. Daraus könne aber keine Änderung der Zuständigkeitsvorschriften abgeleitet werden, sondern lediglich eine dem materiellen Recht zuzurechnende weitere Haftungsgrundlage für "Amtshaftungsansprüche" im weiteren Sinn. Solche Ansprüche seien aber grundsätzlich vor den Gerichten desjenigen Staates geltend zu machen, dessen Organe den Schaden verursacht hätten. Auch aus den Bestimmungen des LGVÜ ergäben sich keine Ausnahmen von der Immunität des beklagten Staates, weil dieses Abkommen nur auf Zivilsachen, nicht auch auf öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten anzuwenden sei. Außenpolitisches Handeln sei seiner Natur nach stets hoheitliches Handeln, selbst wenn es wirtschaftliche Folgen nach sich ziehe. Die Regierungen jener Mitgliedstaaten, die sich an den Sanktionen beteiligt hätten, hätten nicht wirtschaftliche, sondern in erster Linie politische Wirkungen beabsichtigt, zudem seien die angewendeten Mittel politischer Natur, auch wenn es im Wirtschaftsleben ähnliche Akte mit gleichartigen Auswirkungen gebe. Die Anwendung politischer Mittel zur Erzielung politischer Wirkungen stehe einem Privaten nicht zur Verfügung. Der beklagte Staat sei daher in Bezug auf die österreichische Gerichtsbarkeit immun und die Rechtssache der inländischen Gerichtsbarkeit entzogen.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss mit der Maßgabe, dass die Klage zurückgewiesen werde; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu den berührten Rechtsfragen zulässig sei. Das EuÜStI gelte zwischen Österreich und dem beklagten Staat; es unterscheide nicht zwischen Hoheitsakten und privatrechtsgeschäftlichen Akten, sondern zähle in Art 1 bis 14 in kasuistischer Weise diejenigen Situationen auf, deretwegen ein Mitgliedstaat keine Immunität in Anspruch nehmen könne. Gem Art 15 EuÜStI bestehe Immunität in allen übrigen Fällen. Nach Art 11 EuÜStI könne ein Vertragsstaat vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaates Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen, wenn das Verfahren den Ersatz eines Personen- oder Sachschadens betreffe, das schädigende Ereignis im Gerichtsstaat eingetreten sei und der Schädiger sich bei Eintritt des Ereignisses in diesem Staat aufgehalten habe. Die Unterlassungsbegehren des Klägers könnten demnach von vornherein nicht Art 11 EuÜStI unterstellt werden. Der Kläger mache einen reinen Vermögensschaden geltend, der auch nicht mit einem Personen- oder Sachschaden in Zusammenhang stehe und auf den Art 11 EuÜStI nur dann Anwendung fände, wenn der Vermögensschaden mit einem Personen- oder Sachschaden untrennbar verbunden sei; dass solches hier der Fall sei, habe der Kläger nicht schlüssig behauptet. Voraussetzung für die Anwendung des Artikel 11 EuÜStI sei weiters, dass sich der Schädiger bei Eintritt des Ereignisses im Gerichtsstaat aufgehalten habe. Diese Bestimmung beruhe auf dem Gedanken, dass bei rein innerstaatlichen Vorgängen das Interesse des Forumstaats an der Ausübung der Gerichtsbarkeit Vorrang habe; nur deshalb würden selbst hoheitliche Akte der inländischen Gerichtsbarkeit unterworfen, unabhängig von einer daneben bestehenden völkerrechtlichen Verantwortlichkeit des beklagten Staates. Es sei eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen, die den Bezug des Streitgegenstands zum Forumstaat miteinbeziehen müsse. Hier stelle der Kläger nur insoweit einen Bezug des "Schädigers" zum Inland her, als er behaupte, "die Botschaft" des beklagten Staates in Österreich habe durch Fehlinformationen die Sanktionen einschließlich der Boykottaufrufe verursacht oder zumindest mitverursacht. Selbst wenn diese Behauptung erwiesen wäre, könne nicht außer Acht gelassen werden, dass der Kern des vom Kläger behaupteten anspruchsbegründenden Verhaltens auf Seiten des beklagten Staates auf dessen Staatsgebiet gesetzt worden sei, und zwar in Form außenpolitischer Beschlüsse seiner Regierung, aber auch des behaupteten "Boykottaufrufes" seines Außenministers, sodass keine ausreichende Nahebeziehung des Aufenthalts des "Schädigers" zum österreichischen Staatsgebiet bestehe. Der Wegfall der völkerrechtlich gesicherten Immunität des beklagten Staates könne aber auch nicht auf die im Zuge der europäischen Einigung wirksam gewordenen Verträge und sonstigen europäischen Normen gestützt werden. Eine ausdrückliche Regelung über die Immunität der Mitgliedstaaten sei nicht getroffen worden, sodass nicht von vorneherein von einem Verzicht der Mitgliedstaaten auf diesen Teilaspekt der Souveränität ausgegangen werden könne. Zwar habe die Rechtsprechung des EuGH auch Privatpersonen die Möglichkeit eröffnet, Ansprüche als Folge von Verletzungen von Gemeinschaftsnormen durch Mitgliedstaaten gegen diese gerichtlich geltend zu machen. Daraus ergebe sich aber noch nicht, vor welchem Gericht diese Ansprüche geltend zu machen seien, sodass insoweit in erster Linie auf die Rechtslage außerhalb des Gemeinschaftsrechts zurückzugreifen sei. Sowohl die völkerrechtlichen Grundlagen der Staatenimmunität als auch das genannte Übereinkommen beträfe nur die Frage, inwieweit ein souveräner Staat vor dem Gericht eines anderen Staates geklagt werden könne, schließe aber Klagen gegen einen Staat vor dessen eigenen Gerichten nach Maßgabe der dort geltenden gesetzlichen Bestimmungen nicht aus. Das Bestehen einer die Staatenimmunität relativierenden Rechtsschutzlücke habe der Kläger nicht behauptet. Wegen des Fehlens jeder normativen Grundlagen im Gemeinschaftsrecht zur Frage des Wegfalls der Immunität von Mitgliedstaaten sei es nicht notwendig, den EuGH um eine Vorabentscheidung zu ersuchen. Auch auf das LGVÜ könne sich der Kläger nicht berufen, weil mit diesem Abkommen die völkerrechtlichen Sätze über die prozessuale Immunität von Staaten nicht unterlaufen würden, sondern neben dem Übereinkommen zu befolgen seien. Der Kläger sei somit insoweit wieder auf das EuÜStI zu verweisen. Für die vorliegende Klage fehle daher als Folge der Immunität des beklagten Staates die inländische Gerichtsbarkeit.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.
Der Kläger vertritt die Ansicht, seine Klage betreffe Ansprüche, die unter Art 11 EuÜStI fielen. Das Unterlassungsbegehren sei nämlich ein Nebenanspruch zum geltend gemachten Ersatzanspruch wegen Sachschadens infolge unerlaubter Handlung. Art 11 EuÜStI betreffe im übrigen Vermögensschäden aller Art, nicht nur Personen- und Sachschäden. Die dort genannte Voraussetzung, dass sich der Schädiger im Zeitpunkt der Schädigung im Inland aufgehalten habe, sei dadurch erfüllt, dass die im Inland ansässigen Botschaftsangehörigen des beklagten Staates dessen unerlaubte Vorgangsweise unterstützt und mitgetragen hätten. Darüber hinaus kenne das Gemeinschaftsrecht nur einen einheitlichen Binnenmarkt; weil sich der Kläger auch auf Staatshaftung wegen Verletzung von Gemeinschaftsrecht berufen habe, müsse bei Auslegung des Art 11 EuÜStI auf das gesamte Gebiet der Europäischen Union abgestellt werden. Unrichtig sei die Rechtsansicht des Rekursgerichts, das Gemeinschaftsrecht enthalte keine Normen zur Immunität von Staaten; die in diesem Zusammenhang bestehende Regelungslücke im Vertragsrecht sei nämlich durch die Rechtsprechung des EuGH zu füllen. Nur dieser sei daher berufen, mangels einer einschlägigen Vorentscheidung im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens die Frage zu klären, welche völkerrechtlichen Grundsätze betreffend die Immunität von Staaten innerhalb der Europäischen Union zur Anwendung gelangten. Nach Auffassung des Klägers seien die in der Klage näher beschriebenen Maßnahmen jedenfalls nicht als hoheitliches Handeln zu beurteilen; es liege vielmehr ein Handeln vor, das typischerweise auch von Privaten ausgeübt werden könne und damit nicht in den Bereich der Immunität falle. Der beanstandete Sachverhalt sei einem Boykottaufruf oder einer kartellwidrigen Absprache gleichzuhalten und stehe in Widerspruch zu Gemeinschaftsrecht.
Der erkennende Senat hat dazu erwogen:
Ob und unter welchen Voraussetzungen ein ausländischer Staat vor einem inländischen Gericht geklagt werden kann, wird durch verschiedene Normen des Völkergewohnheitsrechts und des Völkervertragsrechts geregelt (Matscher in Fasching, ZPO**2 Art IX EGJN Rz 115). Völkervertragsrechtlich besteht ua das im Rahmen des Europarates verabschiedete - auf österreichische Initiative erarbeitete - Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität vom 16. Mai 1972, BGBl 1976/432 (EuÜStI; dazu allgemein: Geimer, Internationales Zivilprozessrecht3 Rz 666ff; Hess, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 210ff; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht4 § 2 Rz 14; Matscher aaO Rz 235ff). Diese Konvention ist nur im Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten untereinander anzuwenden (Mayer in Rechberger, ZPO**2 Art IX EGJN Rz 3; SZ 62/111 = JBl 1989, 799). Neben Österreich ist auch der beklagte Staat Vertragsstaat dieses Abkommens (Matscher aaO Rz 237; Mayer aaO).
Art 15 EuÜStI gewährt einem Vertragsstaat (vorbehaltlich einer - für Österreich mangels Abgabe nicht relevanten - Fakultativerklärung nach Art 24 EuÜStI) Immunität für solche Verfahren, die nicht die in Art 1 - 14 EuÜStI in kasuistischer Weise aufgezählten Situationen betreffen; eine Unterscheidung zwischen Hoheitsakten (acta iure imperii) und privatrechtsgeschäftlichen Akten (acta iure gestionis) wird in diesem Zusammenhang nicht getroffen (Matscher aaO Rz 235; Geimer aaO Rz 668).
Nach Art 11 EuÜStI kann ein Vertragsstaat vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaates Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen, wenn das Verfahren den Ersatz eines Personen- oder Sachschadens betrifft, das schädigende Ereignis im Gerichtsstaat eingetreten ist und der Schädiger sich bei Eintritt des Ereignisses in diesem Staat aufgehalten hat. Nach dem erläuternden Bericht des Europarates (RV 870 BlgNR 13. GP 43) findet dieser Artikel keine Anwendung, wenn kein Personen- oder Sachschaden, wie etwa im Fall unlauteren Wettbewerbs, vorliegt (vgl in diesem Sinne auch die bei Geimer aaO Rz 750 angeführten Beispielsfälle). Hess (aaO 216f) zeigt aus der Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung (der der gleichlautende Art 10 Abs 4 des Haager Abkommens von 1966 als Vorbild diente), dass damit dem privaten Geschädigten eine Klage vor inländischen Gerichten bei Verkehrsunfällen unter Beteiligung von Diplomaten des ausländischen Staates ermöglicht werden soll; der Anwendungsbereich des Art 11 EuÜStI erstreckt sich daher auch nicht auf den Ersatz immaterieller Schäden, etwa bei Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Weder aus dem Wortlaut dieser Bestimmung noch aus den Materialien lassen sich somit Anhaltspunkte für die vom Kläger vertretene Ansicht gewinnen, diese Bestimmung betreffe auch Verfahren über den Ersatz reiner Vermögensschäden oder über Unterlassungsansprüche. Auf die vom Rechtsmittelwerber in diesem Zusammehang aufgeworfene Frage nach der von Art 11 EuÜStI verlangten Anwesenheit des Schadensverursachers im Gerichtsstaat muss daher nicht weiter eingegangen werden. Kann sich somit der Kläger gegenüber dem beklagten Staat auf keinen Ausnahmetatbestand nach dem EuÜStI berufen, hat es bei der Bestimmung des Art 15 EuÜStI zu bleiben, wonach das inländische Gericht die Durchführung eines Verfahrens, das nicht unter Art 1 bis 14 EuÜStI fällt, abzulehnen hat.
Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass die Staatenimmunität im Recht der Europäischen Union keine spezifische Regelung erfahren hat. Soweit der Kläger weiterhin die Ansicht vertritt, der EuGH sei berufen, die in diesem Bereich angeblich bestehende Regelungslücke im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahren gem Art 234 EG zu füllen, verkennt er den Anwendungsbereich dieses Verfahrens.
Das Gemeinschaftsrecht fließt in erster Linie aus zwei Rechtsquellen:
den Verträgen samt Anhängen und Protokollen (primäres Gemeinschaftsrecht) und den von den Gemeinschaftsorganen auf der Grundlage der Verträge erlassenen Rechtsvorschriften (sekundäres Gemeinschaftsrecht); daneben bilden die allgemeinen Rechtsgrundsätze (Grundrechte; Allgemeine Verwaltungsgrundsätze;
gemeinschaftsspezifische Struktur- und Ordnungsprinzipien) einen Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung (Dauses, Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art 177 EG-Vertrag, 53ff; Schima,
Das Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH, 10ff). Nur über diese Normen erstreckt sich die Kognitionsbefugnis des EuGH. Auch allgemeine Rechtsgrundsätze können nicht isoliert, sondern immer nur im Zusammenhang mit der Auslegung bestehender Vorschriften des Gemeinschaftsrechts Gegenstand eines Vorabentscheidungsverfahrens sein. Insbesondere ist es weder die Aufgabe dieses Gerichtshofs, solche Grundsätze in abstracto aufzufinden oder zu interpretieren, noch Bestimmungen internationaler Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten auszulegen, die außerhalb des Gemeinschaftsrechts stehen (Schima aaO 15f). Mangels Bestehens gemeinschaftsrechtlicher Normen zur Staatenimmunität kommt damit die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens über damit in Zusammenhang stehende Fragen nicht in Betracht. Der darauf abzielende Eventualantrag ist unzulässig, weil die Parteien ein entsprechendes Vorgehen nur anregen können (ÖBl 1996, 28 - Teure 185 S); er ist daher zurückzuweisen (SZ 70/262; SZ 71/186).
Nichts zu gewinnen ist für den Rechtsmittelwerber auch aus seinem Hinweis auf Bestimmungen des LGVÜ/EuGVÜ. Dieses Abkommen schafft ein System der internationalen Zuständigkeit; völkerrechtliche Immunität von Staaten und Diplomaten fallen nicht unter diese Frage und bleiben hievon unberührt (Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht6 vor Art 26 Rz 5; Schlosser, EuGVÜ Art 2 Rz 2; Neumayr, EuGVÜ/LGVÜ 67; Bülow, RabelsZ 1974, 274). Der Anwendungsbereich des Abkommens ist auf Zivil- und Handelssachen beschränkt (Art 1); Ansprüche, die aus der Ausübung hoheitlicher Befugnisse einer Behörde entstanden sind, sind davon ebenso ausgeschlossen wie Ansprüche aus Staatshaftung (Nagel/Gottwald aaO § 3 Rz 160f).
Soweit der Kläger daran festhält, es liege kein hoheitliches Handeln des beklagten Staates vor, ist ihm zunächst entgegenzuhalten, dass diese Unterscheidung - wie zuvor ausgeführt - im Geltungsbereich des EÜStI ohne Bedeutung ist. Davon abgesehen ist es zwar richtig, dass nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts einem Staat Immunität nur insoweit zugestanden wird, als es sich um hoheitliche Tätigkeit handelt (Matscher aaO Rz 203; Seidl-Hohenveldern in Neuhold/Hummer/Schreuer, Österreichisches Handbuch des Völkerrechts I Rz 834). Die nach dem - insoweit maßgebenden (Geimer aaO 579a) - Sachvortrag des Klägers schadensauslösenden Handlungen (hier:
Abschluss bilateraler Abkommen; Erklärungen des Außenministers des beklagten Staats) sind eindeutig als Betätigung der auswärtigen Gewalt zu beurteilen; letztere gehört aber zweifellos zum Kernbereich der Staatsgewalt, kann von einem Privaten nicht wahrgenommen werden und ist damit dem hoheitlichen Bereich zuzurechnen (Schreiber in Wieczorek/Schütze, dZPO3 § 20 GVG Rz 6; Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung § 20 GVG Rz 12). Der Revision konnte daher auch unter diesem Aspekt kein Erfolg beschieden sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.
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