OGH 4Ob96/01y

OGH4Ob96/01y14.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Gerald Ganzger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei V***** GmbH, *****, vertreten durch Schönherr Barfuß Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 600.000 S), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 23. Februar 2001, GZ 4 R 207/00s-10, womit der Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 28. Juli 2000, GZ 39 Cg 51/00v-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Eigentümerin und Verlegerin des wöchentlich erscheinenden Magazins "N*****". Die Beklagte ist Medieninhaberin der wöchentlich erscheinenden Zeitschrift "D*****".

In der Ausgabe der Zeitschrift "D*****" Nr. 26 vom 28. 6. 2000 ist auf Seite fünf ein Inserat abgedruckt, in dem eine Körpercreme beworben und zugleich die Teilnahme an einem Gewinnspiel mit wertvollen Preisen eröffnet wird. An diesem Gewinnspiel kann man nur mit dem im Inserat abgedruckten Kupon teilnehmen. Der Text über dem Kupon lautet: "Ausfüllen, ausschneiden und ausreichend frankiert einsenden an: (...)". Die Klägerin hat in der Ausgabe "N*****" Nr. 25 dasselbe Inserat, ergänzt um einen zweimaligen Hinweis auf eine alternative Teilnahmemöglichkeit mittels Postkarte, abgedruckt.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, unentgeltliche Zugaben zur Zeitschrift "D*****" - insbesondere die Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel, bei welchem Preise nicht völlig unbedeutenden Wertes zu gewinnen sind - zu gewähren. Die Beklagte gewähre die Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel mit wertvollen Preisen, an dem nur der Erwerber der Zeitung teilnehmen könne; eine alternative Teilnahmemöglichkeit werde nicht geboten. Wer somit durch das Einsenden mehrerer Gewinnkupons seine Gewinnchancen erhöhen wolle, müsse zwangsläufig weitere Exemplare dieser Ausgabe der Zeitschrift erwerben, um zu weiteren Gewinnkupons zu gelangen. Mit dieser Einschaltung verstoße die Beklagte gegen § 9a UWG.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags. Das Unterlassungsbegehren sei mangels Wettbewerbsabsicht nicht berechtigt. Die Beklagte habe ein Kontrollsystem eingerichtet, das die Veröffentlichung zugabenwidriger Inserate verhindern solle und das in der Vergangenheit auch stets funktioniert habe. Das Kontrollsystem sei daher grundsätzlich geeignet, die Schaltung solcher Inserate zu unterbinden, die auch den Zeitungsabsatz fördern könnten. Dass das nicht von der Beklagten gestaltete beanstandete Inserat erscheinen habe können, sei auf eine Verkettung unglücklicher Zufälle zurückzuführen, keineswegs sei es in der Absicht gelegen, auf diese Weise den Zeitungsabsatz zu fördern. Die Beklagte habe den mit der Annahme und Bearbeitung von Inseraten beauftragten Mitarbeitern seit Jahren stets den strikten Auftrag erteilt, genau darauf zu achten, dass der Anzeigeninhalt keinen Anreiz zum Kauf der Zeitung ausüben dürfe. Inserate mit Gewinnspielen oder dem Angebot eines kostenlosen Produkts dürften nach diesen Anweisungen keinen Kupon zum Ausschneiden enthalten, sofern keine gleichwertige Alternative zur Teilnahme am Gewinnspiel angeboten werde. Es dürften auch nicht mehrere Inserate mit Gewinnspielen derart entgegengenommen werden, dass auf diese Weise Gewinnspielinserate in der Zeitung regelmäßig erschienen. In Zweifelsfragen hätten sich die Mitarbeiter entweder an den Geschäftsführer der Beklagten oder an deren Anwalt zu wenden. Überdies kontrolliere der Geschäftsführer der Beklagten vor Drucklegung die Inserate nochmals auf ihre Übereinstimmung mit seinen Anweisungen. Zur Veröffentlichung des beanstandeten Inserats sei es durch eine Verkettung unglücklicher Zufälle gekommen. Das Inserat sei vom Auftraggeber (oder dessen Werbeagentur) selbst entworfen worden, die Beklagte habe mit dessen Gestaltung und Textierung des Inserats nichts zu tun gehabt. Den Inseratenauftrag habe Werner N*****, der Anzeigen für die Beklagte erst seit dem 24. 5. 2000 bearbeite, am 5. 6. 2000 entgegengenommen. Aus nicht mehr klärbaren Gründen (möglicherweise wegen der kurz zuvor erfolgten Verlagerung des Drucks der Zeitung der Beklagten nach Deutschland) habe es die Beklagte übersehen, Werner N***** die Arbeitsanweisung zur Behandlung von Inseraten - wie sonst üblich - sofort nach Beginn seiner Tätigkeit zur Kenntnis zu bringen. Werner N***** habe selbst nicht bemerkt, dass das Inserat - theoretisch - zum Kauf weiterer Zeitschriftenexemplare animieren könne. Auch dem Geschäftsführer der Beklagten sei trotz Prüfung nicht aufgefallen, dass das Inserat keine alternative Teilnahmemöglichkeit zum Kupon anbiete. Dieses Versehen sei offenbar darauf zurückzuführen, dass der für den Ausdruck zuständige Mitarbeiter das Inserat erst am 21. 6. 2000 ausgedruckt habe, also erst knapp vor Beginn des Drucks der Ausgabe Nr. 26/00. Wäre dem Geschäftsführer der Beklagten der anweisungswidrige Inhalt des Inserats aufgefallen, so hätte er wie in anderen Fällen die Aufnahme einer Postkartenalternative verlangt, wie sie der Auftraggeber in seinen (in anderen Zeitschriften veröffentlichten) Inseraten vorgesehen habe; die Veröffentlichung des Inserats mit dem beanstandeten Text hätte er selbstverständlich unterbunden. Die Anweisungen an Werner N***** seien inzwischen schriftlich und mündlich nachgeholt worden. Inzwischen habe die Beklagte das Kontrollsystem noch weiter verschärft, sodass das neuerliche Erscheinen solcher Inserate nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen werden könne. Es liege deshalb keine Wiederholungsgefahr vor. Im Übrigen sei das Begehren zu weit; verboten werden dürfe nämlich nicht ganz allgemein das Gewähren unentgeltlicher Zugaben, sondern bloß (beispielsweise) das Gewähren der Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel.

Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag statt. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen, die es rechtlich als Verstoß gegen § 9a UWG beurteilte. Ein Zeitungsunternehmen müsse in jedem Fall dafür Sorge tragen, dass bei der Gestaltung einer Anzeige der Eindruck einer Abhängigkeit des vom Dritten angekündigten Gewinnspiels vom Kauf eines Zeitungsexemplars unterbleibe. Dass die Beklagte durch verschiedene Maßnahmen bemüht sei, vor allem die zugabenrechtlichen Gesetzesbestimmungen genau einzuhalten, ändere nichts daran, dass sich die vorliegende Veröffentlichung als Wettbewerbsverstoß von geradezu seltener Klarheit erweise. Unter Beachtung sämtlicher Umstände könne freilich dahingestellt bleiben, ob es zu dieser Veröffentlichung tatsächlich nur durch eine Verkettung unglücklicher Zufälle gekommen sei. Veröffentliche nämlich ein Zeitungsunternehmen ein Inserat, durch das der Eindruck einer Abhängigkeit des vom Dritten angekündigten Gewinnspiels vom Kauf eines Zeitungsexemplars hervorgerufen werde, so sei zu vermuten, dass es mit diesem Inserat (auch) seinen eigenen Wettbewerb fördern wolle. Richtig sei, dass diese Vermutung widerlegt werden könne. Im vorliegenden Fall müsse die Wettbewerbsabsicht der Beklagten aber schon deshalb bejaht werden, weil die gleiche Einschaltung vor der beanstandeten Veröffentlichung bereits in N***** erschienen sei, wobei das Inserat jedoch dort einen Hinweis auf eine alternative Teilnahmemöglichkeit mittels Postkarte enthalten habe. Mache nun die Beklagte - was gerichtsbekannt sei - die Veröffentlichung der Klägerin in N***** Nr. 25 im Wege eines Exekutionsverfahrens zum Gegenstand von Strafanträgen, so stehe es ihr andererseits nicht zu, dem eigenen klar auf der Hand liegenden Wettbewerbsverstoß unter Hinweis auf ihre angeblich fehlende Wettbewerbsabsicht den Unrechtsgehalt zu nehmen, um so das Entstehen eines Exekutionstitels gegen sie zu verhindern. Das Unterlassungsbegehren sei auch nicht zu weit gefasst.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels Abweichung von höchstgerichtlicher Rechtsprechung nicht zulässig sei. Selbst nach dem Vorbringen der Beklagten sei das von ihr eingerichtete Kontrollsystem nicht derart gewesen, dass es eine Wettbewerbswidrigkeit habe verhindern können. Es liege somit schon nach ihren eigenen Prozessbehauptungen ein Organisationsverschulden der Beklagten vor, weshalb die Unterlassung der Einvernahme der beantragten Auskunftspersonen zu diesem Thema keinen Verfahrensmangel begründe. Der weit gefasste Zugabentitel entspreche der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von Grundsätzen höchstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen ist; das Rechtsmittel ist auch berechtigt im Sinne seines Aufhebungsantrags.

Zutreffend zeigt die Beklagte einen Widerspruch der angefochtenen Entscheidung zur Entscheidung des erkennenden Senats wbl 2000, 90 = MR 1999, 358 - Quelle Bank Gewinnspiel auf. Dort wurde ausgesprochen, dass aus dem objektiven Charakter eines Inserats, bei dem die Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel an den Erwerb der Zeitung gebunden ist, zwar grundsätzlich die Vermutung der Wettbewerbsabsicht des Zeitungsunternehmens folge; diese Vermutung könne aber durch die Bescheinigung widerlegt werden, dass die Beklagte an der Gestaltung des Inserats nicht beteiligt gewesen ist und ein Kontrollsystem eingerichtet hat, das im konkreten Fall aus ungeklärten Gründen versagt habe. An diesen Grundsätzen ist festzuhalten.

Hat die Beklagte - nach ihren Behauptungen - im Zusammenhang mit der Annahme von Inseraten ein Kontrollsystem zur Verhinderung wettbewerbswidriger Veröffentlichungen eingerichtet, kann der von ihr erhobene Einwand mangelnder Wettbewerbsabsicht im Fall eines das Zugabenverbot verletzenden Fremdinserates nicht allein mit dem Hinweis darauf entkräftet werden, dass das Inserat erschienen ist:

Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ist ein der Beklagten vorwerfbarer Organisationsmangel im gegebenen Zusammenhang nämlich nicht erst durch Einrichtung eines lückenlos funktionstüchtigen Kontrollsystems, sondern immer schon dann zu verneinen, wenn das eingerichtete System grundsätzlich zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks tauglich ist, mag es auch im Einzelfall versagt haben.

Das Erstgericht hat die zum Vorbringen der Beklagten, nicht in Wettbewerbsabsicht gehandelt zu haben, angebotenen Auskunftspersonen nicht einvernommen; die angefochtene Entscheidung ist damit mangelhaft geblieben.

Sollte das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren zum Ergebnis gelangen, dass die Beklagte doch in Wettbewerbsabsicht gehandelt hat, wird es bei seiner neuerlichen Entscheidung auf die jüngere Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Fassung des Unterlassungsgebots bei Zugabenverstößen (ÖBl-LS 01/13; ÖBl-LS 01/56) Bedacht zu nehmen haben.

Danach ist von jemandem, der ein Gewinnspiel veranstaltet hat, ohne Vorliegen besonderer Anhaltspunkte nicht anzunehmen, er werde in Zukunft ankündigen, zu seinen Waren (Leistungen) andere Waren (Leistungen) gratis dazuzugeben. Solche Anhaltspunkte könnten dann vorliegen, wenn der Beklagte schon bisher sowohl Gewinnspiele veranstaltet als auch andere Zugabenaktionen durchgeführt hätte. War dies aber nicht der Fall, dann fehlt für ein beide Werbeformen (Gewinnspiele und andere Zugabenaktionen) umfassendes Verbot die Begehungsgefahr. Schon aus diesem Grund kann dann kein umfassendes Zugabenverbot erlassen werden, wenn der Beklagte bisher nur Gewinnspiele veranstaltet hat. Auch in seiner Entscheidung RdW 2001, 154 = MR 2001, 44 = ÖBl-LS 01/55 = ÖBl 2001, 78 - 10 Millionen-Gewinnspiel hat der erkennende Senat ausgesprochen, dass ein weiter Unterlassungstitel bei Zugabenverstößen (nur) dann gerechtfertigt ist, wenn der Beklagte Zugabenvestöße durch Sachzugaben und Gewinnspiele verwirklicht hat.

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben. Die angefochtene Entscheidung war aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.

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