OGH 14Os23/01

OGH14Os23/018.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Mai 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Mann als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Anton Peter L***** wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Salzburg vom 13. Dezember 2000, GZ 37 Vr 1.612/00-49, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Krause zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlass wird der Ausspruch über die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB und wegen des untrennbaren Zusammenhanges auch der Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuerlichen Sanktionsfindung an das Geschworenengericht beim Landesgericht Salzburg zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruches verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Verfahrens über seine Nichtigkeitsbeschwerde zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil des Geschworenengerichtes wurde Anton Peter L***** des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

Inhaltlich des Wahrspruches hat er am 24. Juli 2000 in Salzburg Hilde P***** "vorsätzlich" zu töten versucht, indem er die Genannte mehrmals, auch noch als sie bereits am Boden lag, mit voller Wucht mit dem abgesägten Stiel eines Tennisschlägers auf den Kopf schlug, sie anschließend vom Wohnzimmer in den Vorraum zerrte und über eine steile Stiege hinunterstieß, wo er sie blutüberströmt und schwer verletzt liegen ließ.

Die Geschworenen haben die anklagekonforme Hauptfrage nach versuchtem Mord (§§ 15, 75 StGB) mit 6:2 Stimmen bejaht, Eventualfragen nach dem Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung (§ 87 Abs 1 StGB) und nach dem Vergehen der schweren Körperverletzung (§ 83 Abs l, 84 Abs 1, Abs 2 Z 1 StGB) blieben folglich unbeantwortet. Die Zusatzfrage nach allfälliger Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) wurde einhellig verneint.

Die (einen Teil des Ausspruches über die Strafe betreffende - vgl Mayerhofer StPO4 § 313 E 7, § 338 Anm 2) und demgemäß verfehlt gestellte Zusatzfrage nach den Voraussetzungen für die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 2 StGB wurde einstimmig bejaht.

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 6, 8 und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. Die Rüge des - im Übrigen in der Hauptverhandlung widerspruchslos hingenommenen (S 121/II) - Unterbleibens einer auf das Verbrechen des (erg.: versuchten) Totschlages nach § (§ 15) 76 StGB gerichteten Eventualfrage geht fehl.

Der gegenüber Mord (§ 75 StGB) mit geringerer Strafe bedrohte (privilegierte) Totschlag (§ 76 StGB) ist dadurch charakterisiert, dass sich der Täter zur vorsätzlichen Tötung eines anderen in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung hinreißen lässt. Eine "heftige Gemütsbewegung" im Sinn dieser Gesetzesbestimmung verlangt einen tiefgreifenden Affekt, der die verstandesmäßigen Erwägungen zurückdrängt und den von ihm ergriffenen Täter mitreißt. "Allgemein begreiflich" ist ein (für den Tatentschluss kausaler und im Tatzeitpunkt noch nicht abgeklungener) tiefgreifender Affekt, wenn das Verhältnis zwischen dem sie herbeiführenden Anlass und dem eingetretenen psychischen Ausnahmezustand verständlich ist, dh wenn ein Mensch von durchschnittlicher Rechtstreue sich vorstellen kann, auch er wäre unter den gegebenen Umständen in eine solche Gemütsbewegung geraten (Leukauf/Steininger Komm3 § 76 RN 11). Die vom Beschwerdeführer vermisste Eventualfrage nach (versuchtem) Totschlag hätte gemäß § 314 Abs 1 StPO vorausgesetzt, dass in der Hauptverhandlung Tatsachen im Sinn des Gesagten vorgebracht worden wären, nach denen, wenn sie als erwiesen angenommen würden, der Angeklagte die ihm angelastete vorsätzliche (versuchte) Tötung eines Menschen in einer heftigen Gemütsbewegung begangen hätte und nach denen die Entstehung dieses hochgradigen Affekts aus den hiefür konkret in Betracht kommenden Ursachen als allgemein begreiflich anzusehen wäre.

Derartige Umstände sind in der Hauptverhandlung nicht vorgebracht worden. Auch in seinen Angaben vor der Gendarmerie (S 129/I), die der seine Anwesenheit zur Tatzeit am Tatort leugnende Angeklagte in der Hauptverhandlung - über Vorhalt - als "erstunken und erlogen" (S 76/II) bezeichnete, will sich der - einen Tötungsvorsatz entschieden in Abrede stellende - Beschwerdeführer bloß gegen von ihm nicht gewollte sexuelle Annäherungen der (etwas älteren) Hilde P***** mit zwar Nasenbluten, aber keine sonstigen Verletzungen verursachenden Schlägen gewehrt haben, wogegen er die zahlreichen Verletzungen einem vom Opfer selbst verschuldeten (späteren) Sturz über eine Stiege zuschrieb.

Diesem Tatsachenvorbringen ist - insbesondere im Blick auf die in diesem Zusammenhang unbeachtliche (Mayerhofer StGB5 § 76 E 10), vom Sachverständigen attestierte abnorme Persönlichkeitsstruktur - kein den Beschwerdestandpunkt stützendes Substrat zu entnehmen. Eine Zusatzfrage gemäß § 316 StPO nach dem Vorliegen des Milderungsgrundes des § 34 Abs 1 Z 8 StGB unterblieb gleichfalls zu Recht. § 76 StGB stellt nämlich ein eigenes Tatbild dar und enthält nicht bloß einen namentlich angeführten Milderungsumstand, der für Mord nach § 75 StGB die Anwendung eines anderen Strafsatzes bedingen würde; für die vermisste "uneigentliche Zusatzfrage" bestand demnach kein Anlass (Mayerhofer StPO4 § 314 E 10).

Unbegründet ist auch die Instruktionsrüge (Z 8), der vorweg entgegenzuhalten ist, dass die erst nach Schluss der Verhandlung zu verfassende Rechtsbelehrung nicht in das Hauptverhandlungsprotokoll aufzunehmen ist, sondern einen diesem anzuschließenden eigenständigen Aktenteil (§ 321 Abs 1 StPO) bildet.

Keiner näheren Erörterung bedarf der im Hinblick auf die gestellten Eventualfragen nach dem Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung sowie nach dem Vergehen der schweren Körperverletzung evident haltlose Vorwurf, die Geschworenen wären "in den Irrtum geführt" worden, "es käme nur § 75 iVm § 15 StGB in Betracht".

Der Vorwurf der Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung zufolge fehlender Erörterung des Begriffs der Schuld negiert eingehende Ausführungen zur Zurechnungsfähigkeit (S 18 ff der Rechtsbelehrung) und zum Vorsatz (S 9 f der Rechtsbelehrung). Dass die den Gegenstand der Haupt- und Eventualfragen bildenden Delikte jeweils nur vorsätzlich verwirklicht werden können, wurde den Geschworenen gleichfalls unmissverständlich eröffnet (S 9, 14, 15 und 17 der Rechtsbelehrung).

Schließlich ist auch die Subsumtionsrüge (Z 12) verfehlt, "der Wahrspruch der Geschworenen enthalte infolge unrichtiger Anwendung des Gesetzes keine Feststellungen darüber, ob der Angeklagte von Hilde P***** in die Wohnung gelassen wurde und er sich schließlich aus einer Provokation in einer (infolge festgestellter psychischer Erkrankung) allgemeinen begreiflichen heftigen Gemütsbewegung zur Tat hinreißen hat lassen". Abgesehen davon, dass der erstgenannte Umstand für die strafrechtliche Beurteilung der Tat ohne Belang ist, verfehlt die Rechtsrüge den notwendigen Vergleich des im Wahrspruch festgestellten Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Gesetz und damit die prozessordnungsgemäße Darstellung des materiellen Nichtigkeitsgrundes.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verurteilte Anton Peter L***** zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Jahren. Gleichzeitig ordnete es gemäß § 21 Abs 2 StGB seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher an.

Das für die Entscheidung über die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher zuständige Geschworenengericht (§ 338 StPO) traf aber keine Feststellungen über die einweisungsrelevanten Tatsachen. Dieser Mangel (§ 345 Abs 1 Z 13 erster und zweiter Fall StPO - vgl Ratz in WK2 Vorbem zu § 21 Rz 8 f) erfordert die amtswegige Kassation des die in Rede stehende Maßnahme betreffenden Ausspruchs und - wegen des untrennbaren Zusammenhangs (§ 289 StO) - auch die Aufhebung des Strafausspruchs.

Der Angeklagte war mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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