OGH 2Ob98/01b

OGH2Ob98/01b26.4.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manfred S*****, vertreten durch Dr. Hannes Grabher und Dr. Gerhard Müller, Rechtsanwälte in Lustenau, wider die beklagte Partei***** Versicherung*****, vertreten durch Mag. Johannes Luger und Dr. Christoph Ganahl, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen S 103.673 sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgericht vom 2. Februar 2001, GZ 3 R 24/01d-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 20. November 2000, GZ 6 C 196/00z-17, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Am 25. 1. 2000 ereignete sich in Lustenau ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger mit seinem PKW und ein LKW mit Schweizer Kennzeichen beteiligt waren.

Der Kläger begehrt den Ersatz seiner Schäden mit der Begründung, er sei nach Betätigung des Blinkers aus einem Kreisverkehr in die Dornbirner Straße abgebogen. Unmittelbar vor ihm sei Alexander L***** mit einem LKW (mit Schweizer Kennzeichen) aus einer Tankstelle in die Dornbirner Straße eingefahren. Der Kläger sei gezwungen gewesen, auf die Gegenfahrbahn auszulenken, wo er mit einem anderen LKW zusammengestoßen sei. Das Alleinverschulden an dem Unfall treffe den Lenker des LKW mit Schweizer Kennzeichen.

Die beklagte Partei wendete ein, der Kläger habe es verabsäumt, beim Verlassen des Kreisverkehrs rechts zu blinken. Beim Einfahren des LKW-Lenkers in die Dornbirner Straße sei noch nicht erkennbar gewesen, dass der Kläger vom Kreisverkehr in diese Straße ausfahren werde. Dem Lenker des LKW sei daher keine Vorrangverletzung vorzuwerfen. Außerdem hätte der Kläger durch leichtes Abbremsen eine Kollision verhindern können.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - mit Ausnahme eines Zinsenbegehrens - statt, wobei folgende Feststellungen getroffen wurden:

Die Unfallstelle liegt im Bereich der Ausfahrt Dornbirn eines Kreisverkehrs in Lustenau. Die Ausfahrt zweigt in einem Winkel von rund 60 Grad vom Kreisverkehr ab. Die Fahrbahn ist ca 6,5 bis 7 m breit und verläuft in einer leichten Rechtskrümmung. Die Gegenfahrbahn von Dornbirn in Richtung Kreisverkehr ist von Dornbirn her gesehen durch eine doppelte Sperrlinie mit dazwischen befindlicher 0,8 m breiter Sperrfläche und anschließendem Grünstreifen getrennt.

Am rechten Fahrbahnrand der Ausfahrt Dornbirn verläuft ein Gehsteig, rund 1 m nach dem Fußgängerübergang beginnt die annähernd 20 m breite Ausfahrt der Tankstelle.

Auf der linken Seite (in Fahrtrichtung des von der Tankstelle herausfahrenden Fahrzeuges) ist das Verkehrszeichen "Einfahrt verboten" angebracht, ohne dass dieser Anbringung allerdings eine Kundmachung vorausging.

Zum Unfallszeitpunkt herrschte Tageslicht, durch teilweisen Schneematsch war die Fahrbahn allerdings etwas rutschig.

Der Kläger durchfuhr den Kreisverkehr, um ihn bei der Ausfahrt Dornbirn wieder zu verlassen. Er hielt eine Geschwindigkeit von rund 35 km/h ein. Rund 3 Sekunden vor der Kollision mit einem aus Richtung Dornbirn kommenden LKW ist der Kläger mit seinem Fahrzeug im Bereich des Radfahrstreifens des Kreisverkehrs in die Ausfahrt Dornbirn abgebogen.

Bereits vor dem Abbiegemanöver des Klägers lenkte der Fahrer des LKW mit Schweizer Kennzeichen dieses Fahrzeug (Drei-Achs-LKW) vom Tankstellenareal rund 8 m nach dem Fußgängerübergang in die Dornbirner Straße und beabsichtigte, mit Überquerung der doppelten Sperrlinie nach links in den Kreisverkehr einzufahren. Von seinem Sitz aus konnte er auch den Verkehr im Kreisverkehr beobachten. Er hielt vorerst ca 1 m innerhalb des Gehsteigs an und sah dort den rund 10 m vor der Ausfahrt Dornbirn in Fahrt befindlichen PKW des Klägers. Da er von diesem Standort aus noch keine Sicht nach rechts in Richtung Dornbirn hatte und sich das Fahrzeug des Klägers noch 10 m innerhalb des Kreisverkehrs befand, fuhr er bis zu 1,5 m in die Fahrbahn der Dornbirner Straße ein. Gleichzeitig hatte sich mit einer Geschwindigkeit von ca 35 km/h der Kläger in der Ausfahrt Richtung Dornbirn genähert, worauf der LKW-Fahrer bremste und ca 1,5 m in der Hauptfahrbahn zum Stillstand kam.

Als der Kläger gerade in die Abzweigung Dornbirn einfuhr (2,5 Sekunden vor der Kollision mit dem aus Richtung Dornbirn kommenden LKW) sah er den vor ihm in seine Fahrbahn einfahrenden LKW und leitete eine leichte Bremsung ein, wobei sich sein PKW bei Bremsbeginn auf dem Fußgängerübergang befand. Er versuchte zudem um den 1,5 m in die Fahrbahn ragenden LKW herumzufahren, benützte hiezu allerdings die Gegenfahrbahn und stieß daraufhin mit einem aus Richtung Dornbirn mit rund 25 bis 30 km/h kommenden LKW zusammen. Für den Kläger war vor der Kollision nicht erkennbar, ob der LKW mit Schweizer Kennzeichen in der Position 1,5 m in der Hauptfahrbahn tatsächlich anhalten werde, um ihm ein Passieren auf seiner Fahrbahnhälfte zu ermöglichen. Um auf eine Entfernung von 9,5 m anhalten zu können, hätte der Kläger eine Bremsung mit 5,9 m/sec**2 einleiten müssen.

Ob der Kläger den Blinker betätigte, konnte nicht festgestellt werden.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, es sei der klagenden Partei gelungen, dem Lenker des Beklagtenfahrzeuges eine Schutzgesetzverletzung nachzuweisen. Am Vorrangverhältnis zwischen den beiden am Unfall beteiligten Lenkern bestehe kein Zweifel. Dem Kläger sei eine Obliegenheitsverletzung nicht nachgewiesen worden, weshalb den Lenker des Beklagtenfahrzeuges das Alleinverschulden treffe.

Das gegen den klagsstattgebenden Teil dieser Entscheidung angerufene Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes auf und trug diesem eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf; es sprach aus, der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, dass sich der Kläger auch noch im Kreisverkehr gegenüber dem Lenker des aus der Tankstelle ausfahrenden LKW im Vorrang befunden habe. Eine Vorrangsituation habe allerdings so lange nicht bestanden, als der Kläger weder rechts geblinkt und damit sein Ausfahren signalisiert bzw sich bereits in einer solchen Schräglage nach rechts befunden habe, dass - auch ohne Blinken - sein Ausfahren aus dem Kreisverkehr erkennbar gewesen wäre.

Für den Kläger habe es zwei bevorrangte Fahrbahnarme gegeben; der eine sei die Fortsetzung des Kreisverkehrs, der andere die Abzweigung nach rechts gewesen. Solange er nicht angezeigt habe, dass er seine Fahrt nicht im Kreisverkehr fortsetzen, sondern die Fahrtrichtung ändern und nach rechts abbiegen wolle, habe der Lenker des LKW darauf vertrauen können, dass er im Kreisverkehr bleibe. Die im Sinne des § 11 Abs 2 StVO normierte Verpflichtung, die Fahrtrichtungsänderung anzuzeigen, rechtfertige auch das Vertrauen darauf, dass ein Fahrzeuglenker bei Unterlassung der Anzeige einer Richtungsänderung eine solche nicht vornehme, also der gegebenen Verkehrssituation entsprechend seine Fahrt geradeaus fortsetzen werde.

Es sei also im vorliegenden Fall der Kläger dafür beweispflichtig, dass er die Richtungsänderung angezeigt habe, weil er sich erst dann oder durch die durch die Fahrlinie und Schräglage seines Fahrzeuges erkennbare Ausfahrtsabsicht für den Lenker des LKW eine Vorrangsituation ergeben habe. Erst eine solche würde zur Beweislastumkehr führen.

Es fehle aber an Feststellungen darüber, wo und auch in welcher Schräglage sich das Fahrzeug des Klägers befunden habe, als der LKW-Lenker mit der Vorderfront seines LKW die Fahrbahnbegrenzung der Dornbirner Straße überfahren habe, um letztlich bis zu 1,5 m in diese Fahrbahn hineinzufahren.

Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil zur Frage der Beweislast hinsichtlich der Blinkerbetätigung am Fahrzeug des Klägers nur die Entscheidung 2 Ob 21/93 vorliege, der jedoch nur ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liege. Dazu, ob diese Grundsätze auch bei einem Kreisverkehr zur Anwendung gelangten, fehle es an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.

Dagegen richtet sich der Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Erstgerichtes keine Folge gegeben werde; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Die beklagte Partei hat Rekursbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel der klagenden Partei zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Kläger macht in seinem Rechtsmittel geltend, er habe den Beweis einer Vorrangsituation erbracht, weil feststehe, dass er sich im Fließverkehr befunden habe und daher der LKW gemäß § 19 Abs 6 StVO benachrangt gewesen sei. Ungeachtet einer allfälligen Anzeige der Fahrtrichtungsänderung sei damit der Beweis seiner Vorrangberechtigung und sohin eines Verschuldens des Lenkers des LKW erbracht. Selbst wenn feststehen würde, dass der Kläger überhaupt nicht geblinkt habe, würde dies allenfalls ein Mitverschulden begründen und nichts an seiner Vorrangberechtigung ändern. Zweifel daran, ob der Vorrangberechtigte seine Fahrtrichtungsänderung nicht rechtzeitig angezeigt habe, gingen zu Lasten des gemäß § 19 Abs 6 StVO wartepflichtigen LKW-Lenkers. Das Berufungsgericht hätte daher vom Alleinverschulden des LKW-Lenkers ausgehen und der Berufung der beklagten Partei keine Folge geben dürfen.

Hiezu wurde erwogen:

Ohne Zweifel kam dem Fahrzeug des Klägers gemäß § 19 Abs 6 StVO gegenüber dem von der Tankstelle wegfahrenden LKW mit Schweizer Kennzeichen der Vorrang zu. Gemäß § 19 Abs 7 StVO darf der Wartepflichtige durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Vorrangberechtigten weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen. Die Wartepflicht setzt aber die Wahrnehmbarkeit des bevorrangten Fahrzeuges durch den Wartepflichtigen bei gehöriger Vorsicht und Aufmerksamkeit voraus (ZVR 1990/157; ZVR 1995/109; 2 Ob 84/95 ua). Solange der Kläger als Lenker des Fahrzeuges, das den Kreisverkehr verlassen wollte, entgegen § 11 Abs 2 StVO die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung nicht anzeigt, war der Lenker des LKW, der die Tankstelle verlassen wollte, zur Annahme berechtigt, der Kläger werde seine Fahrtrichtung nicht ändern, also im Kreisverkehr weiterfahren; der Lenker des LKW durfte darauf vertrauen, dass der Kläger andernfalls seine Absicht, den Kreisverkehr zu verlassen, im Sinne des § 11 Abs 2 StVO rechtzeitig angezeigt hätte. Die in § 11 Abs 2 StVO normierte Verpflichtung rechtfertigt im Sinne des Vertrauensgrundsatzes nämlich nicht nur die Annahme, ein Verkehrsteilnehmer werde die angezeigte Änderung der Fahrtrichtung auch tatsächlich durchführen, sondern kraft Umkehrschluss auch das Vertrauen darauf, er werde bei Unterlassung der Anzeige einer Richtungsänderung eine solche nicht vornehmen, also seine Fahrt geradeaus (im Kreisverkehr) fortsetzen (ZVR 1994/146).

Der Kläger begründet seinen Schadenersatzanspruch gegenüber der beklagten Partei damit, dass der Lenker des LKW den ihm zukommenden Vorrang verletzt habe. Aufgrund der allgemeinen Beweislastregeln trifft ihn die Beweislast für das Vorliegen aller tatsächlichen Voraussetzungen, der für ihn günstigen Rechtsnorm (Rechberger in Rechberger**2, ZPO, Rz 11 Vor § 266 mwN). Da er aber nicht beweisen konnte, rechtzeitig geblinkt zu haben, ist ihm auch der Beweis, dass der Lenker des LKW seine Wartepflicht nach § 19 Abs 7 StVO verletzt habe, noch nicht gelungen. Es bedarf daher der vom Berufungsgericht aufgetragenen Verfahrensergänzung, ob dem Lenker des aus dem Tankstellenbereich ausfahrenden LKW aus der Schräglage des Fahrzeuges des Klägers erkennbar war, dass dieser aus dem Kreisverkehr ausfahren werde; auch dann wäre der LKW gegenüber dem PKW des Klägers wartepflichtig gewesen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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