Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Am 11. 2. 2000 stellte die Schuldnerin einen Antrag auf Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens verbunden mit einem Antrag auf Annahme eines Zahlungsplans sowie der Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens mit Restschuldbefreiung. Sie begründete dies damit, dass sie zwar mit ihrem ehemaligen Ehegatten bei der Scheidung vereinbart habe, dass dieser sämtliche Kredite, für die auch sie gehaftet habe, zurückzahlen werde; dieser sei jedoch in der Folge der Vereinbarung nicht nachgekommen. Ein Liegenschaftsanteil der Klägerin sei bereits versteigert worden, ohne dass die aushaftenden Forderungen, die die Klägerin mit insgesamt S 891.572,72 bezifferte, befriedigt werden konnten. Im Zahlungsplan bot sie ausgehend von einem monatlichen Einkommen von S 16.000 15 % der Gesamtforderungen bei Zahlung innerhalb von zwei Monaten an. Sie stützte sich dabei einerseits auf ein monatliches Einkommen von S 16.000 und andererseits auf eine Finanzierungszusage ihres Lebensgefährten. Nach dem vorgelegten Vermögensverzeichnis hat sie regelmäßig wiederkehrende monatliche Verpflichtungen von zusammen S 15.000 und bezog, nachdem sie davor ein unregelmäßiges Gehalt von zuletzt brutto S 27.610 hatte, ab 1. 4. 2000 Arbeitslosengeld.
Mit 1. 3. 2000 eröffnete das Erstgericht das Schuldenregulierungsverfahren.
Bei der Prüfungstagsatzung wurde der Zahlungsplan nicht angenommen. Gegen die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens wandte der hier maßgebliche Gläubiger einerseits eine Verletzung der Aufklärungs- und Mitwirkungspflichten und andererseits ein, dass die Schuldnerin kein zur Durchführung eines Abschöpfungsverfahren geeignetes Einkommen habe; dabei machte er auch Bedenken gegen die Verpflichtungserklärung des Lebensgefährten der Schuldnerin gelten. Die Schuldnerin führte dazu unter anderem aus, dass sie auf Arbeitsuche sei und sämtliche Unterlagen sofort nachreichen werde. Sie verwies im Übrigen auf die Verpflichtungserklärung ihres Lebensgefährten. Im folgenden legte sie eine Bestätigung vor, wonach sie ab Ende November, Anfang Dezember 2000 in einem Lokal ganztägig mit einem monatlichen Gehalt von ca öS 15.000 beschäftigt sein werde. Sie führte dazu in einer weiteren Eingabe aus, dass sie zwar ausgehend von ihrer derzeitigen Arbeitslosenunterstützung von monatlich S 10.248 nur einen abschöpfbaren Betrag von S 475 habe, dass aber dann ab November, Dezember 2000 mit einem monatlichen Einkommen von S 15.000 ein Betrag von S 4.683 jährlich 14 x abschöpfbar und damit zumindest die 10 % Quote gewährleistet sei. Im Übrigen habe sich auch ihr Lebensgefährte verpflichtet, diese Quote im Abschöpfungsverfahren zu befriedigen, sofern die Schuldnerin dazu nicht in der Lage sei.
Mit Beschluss vom 3. 7. 2000 leitete das Erstgericht das Abschöpfungsverfahren ein und begründete dies ausschließlich mit dem Hinweis, dass die Einleitung nur auf Antrag eines Gläubigers abzuweisen wäre und kein Einleitungshindernis gemäß § 201 KO vorliege.
Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs des Gläubigers, der die Einwendungen gegen die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens erhoben hatte, Folge. Es änderte den Beschluss dahin ab, dass es den Antrag auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens abwies. Dabei ging es davon aus, dass dieses nur dann eingeleitet werden könne, wenn aufgrund der vom Antragsteller vorgelegten Bescheinigungen eine Restschuldbefreiung erwartet werden könne. Nach § 175 Abs 2 KO könnten aber Anträge, Erklärungen und Einwendungen, zu deren Anbringung eine Tagsatzung bestimmt wurde, von nicht erschienenen, gehörig geladenen Personen nachträglich nicht mehr vorgebracht werden. Diese Präklusion treffe auch Personen, die zwar erschienen seien, aber ein entsprechendes Vorbringen unterlassen hätten. Daher könnten der Beurteilung der Erwartung der Restschuldbefreiung ausschließlich die von der Schuldnerin bis zur Tagsatzung vom 9. 5. 2000 behaupteten Tatsachen und vorgelegten Bescheinigungsmittel zugrunde gelegt werden. Zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens habe die Schuldnerin aber nur eine Arbeitlosenunterstützung in Höhe von S 336 täglich bezogen und nicht einmal behauptet, dass sie etwa aufgrund sparsamer Lebensführung oder wegen einer Unterstützung durch ihren Lebensgefährten in der Lage sei, auch Teile ihres unpfändbaren Einkommens zur teilweisen Schuldtilgung heranzuziehen.
Selbst wenn man aber die von der Antragstellerin vorgelegte Bestätigung über ihre Anstellung ab November, Dezember 2000 in Betracht ziehe, könne dies keine für die Antragstellerin günstigere Einschätzung bewirken. Es sei keineswegs abschätzbar, ob die Antragstellerin tatsächlich diese Arbeitsstelle antreten könne. Auch ergebe sich aus der Bestätigung nicht, ob es sich bei diesem Betrag von S 15.000 um einen Brutto- oder Nettolohn handle. Die vom Lebensgefährten der Antragstellerin abgegebene Verpflichtungserklärung sei nicht beachtlich, da in keiner Weise gesichert sei, ob dieser zur Tragung des Ausfalls überhaupt in der Lage wäre. Daher sei der Rekurs wegen Vorliegens eines Ausschließungsgrundes gemäß § 201 KO berechtigt.
Den Entscheidungsgegenstand bewertete das Rekursgericht mit über S 260.000, erachtete jedoch den ordentlichen Revisionsrekurs als nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluss erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt. Der Frage der Zulässigkeit neuen Vorbringens nach der Tagsatzung zur Einleitung des Abschöpfungsverfahrens kommt erhebliche Bedeutung zu.
Nicht zuzustimmen ist vorweg der Schuldnerin, soweit sie die Rechtsmittellegitimation des Gläubigers mangels Beschwer bezweifelt. Ergibt sich diese doch unter anderem schon aus der mit der Einleitung des Abschöpfungsverfahrens verbundenen Exekutionssperre nach § 206 Abs 1 KO. Diese offensichtliche Beschwer bedarf auch keiner, näheren Darstellung.
Nicht berechtigt wendet sich die Schuldnerin auch gegen die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, dass die nach der Prüfungstagsatzung relevierten Umstände - anders allenfalls später vorgelegte Bestätigungen - nicht mehr zu berücksichtigen seien.
Nach ständiger Rechtsprechung zählt zwar die Bescheinigung, dass die Erteilung der Restschuldbefreiung bei Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens zu erwarten ist, zu den schon bei Einleitung des Schuldenregulierungsverfahrens von Amts wegen zu prüfenden Inhaltsvoraussetzungen. Es können jedoch die Gläubiger nach Scheitern des Zahlungsplanes vor Einleitung des Abschöpfungsverfahens substantiiert einwenden, dass diese Voraussetzungen nicht gegeben sind (vgl RIS-Justiz RS0110967 = SZ 71/167; 8 Ob 342/98x; 8 Ob 347/99h). Abhängig ist diese "zweite" Prüfung entsprechend § 201 Abs 2 KO von einem auf Abweisung des Antrags auf Durchführung des Abschöpfungsverfahrens zielenden Antrag eines Konkursgläubigers, der den Abweisungsgrund auch zu bescheinigen hat (vgl Mohr in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 201 Rz 12). Anschließend können aber noch Erhebungen durchgeführt werden (vgl Mohr aaO Rz 13). Wesentlich ist hier nun die Frage, wie bei der "zweiten" Prüfung der Einleitungsvoraussetzungen diese zu beurteilen sind. Einerseits stellt sich die Frage, auf welchen Zeitpunkt bei dem der Entscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalt und dem Vorbringen der Parteien abzustellen ist und andererseits, welche Bescheinigungsmittel und Erhebungen das Gericht berücksichtigen kann.
Aus der allgemeinen Regelung des § 176 Abs 2 KO, wonach einem Rekurs solche Tatsachen zugrundegelegt werden können, die bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung in der ersten Instanz entstanden waren und darüber hinaus auch noch neue Beweismittel, könnte abgeleitet werden, dass allgemein sämtliche Änderungen jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Beschlussfassung zu berücksichtigen wären (vgl dazu auch OGH 8 Ob 342/98x = ZIK 1999, 206 = ÖBA 2000/859). Der Neuerungserlaubnis hinsichtlich des Vorbringens liegt aber zugrunde, dass im Konkursverfahren Entscheidungen oft ohne mündliche Verhandlung ergehen (vgl § 173 Abs 4 KO, Deixler-Hübner in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 176 Rz 31 mwN). In diesem Zusammenhang sieht aber § 175 Abs 2 KO vor, dass Anträge, Erklärungen und Einwendungen, zu deren Anbringung eine Tagsatzung bestimmt ist, nicht nachträglich vorgebracht werden können. Daraus ist aber abzuleiten, dass wenn eine Tagsatzung für die Erstattung eines bestimmten Vorbringens vorgesehen ist, dann auch im Rekursverfahren ein neues Vorbringen nicht statthaft ist. Weiters ist zu beachten, dass sich aus § 200 Abs 2 KO, wonach "unmittelbar" vor der Beschlussfassung über das Abschöpfungsverfahren eine Tagsatzung anzuberaumen ist, ableiten lässt, das diese Tagsatzung zur Erstattung sämtlichen relevanten Vorbringens in diesem Zusammenhang dient. Soll doch die Bestimmung des § 200 Abs 2 KO über die "Unmittelbarkeit" der Tagsatzung vor der Beschlussfassung bewirken, dass eine effektive Prüfung der Frage, ob der Schuldner seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten genüge getan hat, möglich ist (vgl RV 1218 der
18. GP Anm zu § 200 KO wiedergegeben in Fink, Der neue Privatkonkurs, 65; ebenso Mohr in Konecny/Schubert § 200 KO Rz 6; Deixler-Hübner aaO, 90). Es ist die Absicht des Gesetzgeber ersichtlich, die Erörterungen der Voraussetzungen für die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens in dieser Tagsatzung zu konzentrieren.
Daraus folgt aber auch, dass der Entscheidung darüber nur jene
Anträge und Einwendungen zugrundegelegt werden können, die bis zu
deren Ende - wenn auch in allenfalls zu verbessernder Form -
erstattet wurden (vgl ähnlich schon OGH 8 Ob 342/98x = ZIK 1999, 206
= ÖBA 2000/859; in der Entscheidung SZ 71/167 = ZIK 1999, 68 wurde
diese Frage nicht releviert). Andernfalls wäre eine Wiederholung dieser Tagsatzung erforderlich.
Dies hindert jedoch das Gericht nicht, den Parteien zur Verbesserung eines von ihnen erstatteten Vorbringens durch Vorlage allfälliger Bescheinigungsmitteln im Rahmen eines Verbesserungsverfahrens eine Frist einzuräumen oder gegebenfalls noch kurze Erhebungen durchzuführen.
Hier hat nun die Schuldnerin aber in der Tagsatzung nach § 200 Abs 2 KO nicht einmal ein konkretes Vorbringen zu einem neuen Arbeitsplatz erstattet. Die vorgelegte Bestätigung ist daher schon deshalb ohne Relevanz.
Letztlich offen ist damit noch die Frage, inwieweit die Voraussetzung der Erwartung der Erfüllung der Restschuldbefreiung bei nur geringfügig pfändbaren Teilen des Einkommens auch durch eine Erklärung eines Dritten erfüllt werden kann (vgl in diesem Sinne aber nur zum Zahlungsplan Mohr aaO § 183 Rz 12). Dem steht nun die Struktur des Abschöpfungsverfahrens in mehrfacher Hinsicht entgegen. Bewirkt doch die im Abschöpfungsverfahren vorgenommene Abtretung des pfändbaren Einkommens des Schuldners an einen vom Gericht bestellten Treuhänder zur Verteilung an die Gläubiger (vgl §§ 199 und 203 KO), dass die Gläubiger ihren Anteil ohne weitere Kosten und Verfahren erhalten. Hingegen könnte die nur allgemein abgegebene Haftungserklärung eines Dritten von den Gläubigern gegen diesen nur in einem streitigen Verfahren durchgesetzt werden. Bei der Prognose der Einbringlichkeit bedürfte es jedenfalls bei Privaten regelmäßig der Bescheinigung, dass dieser Dritte zur Einhaltung der Verpflichtung in der Lage wäre. Im Hinblick auf den doch erheblichen Zeithorizont und die mangelnde Einbindung dieses Dritten in das Abschöpfungsverfahren bis seine Ausfallshaftung allenfalls schlagend wird, wäre dies mit zusätzlichen Unsicherheiten versehen. Diese müssten von den Gläubigern getragen werden, obwohl sie - anders als beim Zahlungsplan - dazu nicht ihre Zustimmung gegeben haben.
Ferner stellt das Abschöpfungsverfahren stark auf das persönliche Wohlverhalten des Schuldners ab. Bilden doch nicht nur verschiedene Strafdelikte, die Verschleuderung des Vermögens oder Verletzungen von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten Einleitungshindernisse (vgl § 201 Abs 1 KO), sondern treffen diesen auch während des Abschöpfungsverfahrens verschiedene persönliche Obliegenheiten, wie etwa sich um eine angemessene Erwerbstätigkeit zu bemühen, und die entsprechenden Auskünfte zu geben.
Daraus folgt aber, dass die Erwartung der Restschuldbefreiung unter Berücksichtigung der vorhandenen Konkursmasse auch auf die eigene Erwerbstätigkeit des Schuldners gegründet sein muss. Soweit dies wegen der Höhe der Schulden bei der vom Schuldner leistbaren Erwerbstätigkeit nicht in Betracht kommt, weil die Erreichung der 10 %-Quote nicht erwartet werden kann, scheidet das Abschöpfungsverfahren aus. Will ein allenfalls zahlungsbereiter Dritter dies vermeiden, so steht ihm ja frei, unmittelbar vor Einleitung des Abschöpfungsverfahrens bereits einen solchen Beitrag zu leisten, dass mit der sonst nicht ausreichenden Konkursmasse und dem Einkommen des Schuldners die Erreichung der 10 %-Quote erwartet werden kann.
Nur durch die Bemühungen des Schuldners während des Abschöpfungsverfahrens und die insoweit kostenfreie und einfache Befriedigungen der Gläubiger durch den Treuhänder ist es gerechtfertigt, diese auch ohne ihre Zustimmung auf eine so lange Zeitspanne für die Erfüllung der Mindestquote zu verweisen.
Die nur für den Fall, dass die Schuldnerin nach Beendigung des Abschöpfungsverfahrens die Mindestquote nicht erreicht hat, abgegebene Erklärung des Lebensgefährten vermag also die Voraussetzungen für die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens nicht zu erfüllen.
Insgesamt war daher dem Rekurs der Schuldnerin nicht Folge zu geben.
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